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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Tepe, Alfred: Säulen und Weiträumigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0041

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1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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er, die ganze Anlage trage mehr den Charakter
eines grofsartigen Saales als einer Kirche, welche
in ihrer Gliederung dem katholischen Gottes-
dienste und der Gemeinde sich anpasse. Wem
fielen hier übrigens z. B. nicht die Münchener
Hofkirche und die Würzburger Stiftskirche ein,
wo dieselbe Aufgabe, freilich in Renainance
und Rokoko, mit weitem Tonnengewölbe und
stützenden Kapellenserien mächtig und prächtig
gelöst ist.

Wenn nun keine grofse Aussicht vorhanden
ist, mit Beibehaltung der Steingewölbe ganz
ohne Säulen fertig zu werden, so thut sich von
selbst die Frage auf: Ist es nicht möglich mit
Beibehaltung der Säule zur gewünschten Weit-
räumigkeit, wenigstens zur freien und freiesten
Durchsicht zu gelangen? Auch da ist schon
Manches versucht worden: das Mittelschiff
wurde breiter angelegt, die Seitenschiffe in
Höhe und Breite sehr reduzirt nahmen den
Charakter von Gängen an, welche Anordnung
freilich kurze und dicke Säulen im Gefolge
hat. Dann wurde uns, im Gegensatz zum
üblichen länglichen Grundrifs, eine Konzentrirung
derselben eine mehr quadratische Bildung an-
gerathen. Sehr schön —■ aber etwas theoretisch.
Wenn uns ein langes, schmales Bauterrain an-
gewiesen wird, wie sollen wir da quadratische
Grundrisse hineinzaubern. Ach, wer von uns
wüfste nicht von der Natur der Bauplätze ein
Lied zu singen? Wohl gehört es zu den mehr
oder minder berechtigten Eigenthümlichkeiten
vieler Herren Pastöre und Kirchen vorstände,
bei der Erwerbung eines Bauplatzes die eigene
Einsicht für vollkommen ausreichend und den
Rath eines Architekten für ebenso überflüssig
zu halten. Andere wieder haben selber keine
Wahl und müssen eben nehmen, was sie be-
kommen können. Die Orientirung geht be-
kanntlich bei alledem gar traurig in die Brüche,
weshalb allerwärts unsere Städte so viele Kirchen
in verschiedenster Himmelsrichtung aufweisen,
den Eindruck machend zweier oder mehrerer
Eisenbahnzüge, im Begriff, aneinander vorbei-
zusausen oder sich über den Haufen zu rennen.

Bei etwas Aufmerksamkeit werden wir viel-
leicht in manchen alten Kirchen Vorbilder,
Winke, Fingerzeige finden, wie Manches zu
arrangiren, zu erreichen wäre. Nehmen wir mal
die quadratische Gestaltung, wenn nicht des
ganzen Planes, doch der Mittelschiffsjoche —
die Gewölbe der Seitenschiffe lassen sich ja

eben so gut länglich herstellen wie sonst die der
Mittelschiffe. Als ein frappantes Beispiel solcher
Anordnung nenne ich die Martinikirche zu
Münster in Westfalen. Da bringt die Weit-
ständigkeit der Säulen wahrlich den Eindruck
der Weiträumigkeit hervor; und wäre der Chor
weniger tief oder von Kapellen flankirt, die
wieder vermittelst grofser Bogenöffnungen mit
ihm korrespondirten, so wäre der freien Durch-
sicht der höchste Triumph gesichert.

Anknüpfend an derartige Vorbilder wurde
von mir ein Versuch zur Lösung der schweben-
Frage gemacht und der Plan der Kirche von
Heeten diesen Zeilen beigegeben. Herr Pastor
J. A. Koopmans hatte ein umfangreiches, schön-
gelegenes Bauterrain erworben, welches die
freieste Bewegung ermöglichte und auch die
so wünschenswerthe Orientirung gestattete. Er
setzte mir in Bezug auf Kirche und Pfarrhaus
seine Wünsche und Ideen auseinander. Ihm
schwebte vor ein weiter, übersichtlicher Raum;
Hauptaltar, Seitenaltäre und Kanzel dem Blick
von allen Seiten und Ecken des Laienraumes
zugänglich — das breite, säulenlose Mittelschiff
schien unvermeidlich. Eifrig betonte und er-
wies ich die Nachtheile eines solchen, nament-
lich die finanziellen und wir kamen überein,
erst mal ernstlich den Versuch anzustellen,
ob das Gewünschte sich nicht auf andere Weise
erreichen liefse. Das Resultat dieses Versuches
war der vorliegende Plan, welcher mit Freuden
aufgenommen und ausgeführt wurde. Bedarf
er der langen Erklärung? Quadrat und Sechseck
spielen die Hauptrolle (Abb.l). Drei quadratische
Gewölbejoche bilden das Mittelschiff, längliche
Vierecke die Seitenschiffe, ein längliches Viereck
ward dem Mittelschiff zugefügt, die zwischen
diesem und den Seitenschiffen entstehenden
Ecken mit halben Quadraten angefüllt und an
die so entstandene Grundform werden Chor,
Kapellen und Transept bildend geradaus,
rechts, links und übereck halbe Sechsecke an-
gefügt. Westlich schliefst sich der Thurm an»
flankirt durch Beicht- und Taufkapellen, jeg-
liche aus vier Seiten des Sechsecks gewonnen.
Dem breiten Bauterrain entsprechend werden der
Chorparthie Katechismuskammer und Sakristei
in freier Entwickelung beigegeben, letztere in
Verbindung mit dem (hier nicht abgebildeten)
Pfarrhause. Sechs runde Säulen tragen sämmt-
liche Gewölbe und gestatten von allen Ecken
und Enden freiesten, unbeschränktesten Durch-
 
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