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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Rieffel, Franz: Grünewald-Studien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0052

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67

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

Dominikanerkirche zu Frankfurt allerdings auch
Werke Grünewalds aufzuweisen, nämlich zwei
Tafeln mit dem hl. Laurentius und dem hl.
Cyriakus, von denen die eine bezeichnet ist
(jetzt im Histor. Museum zu Frankfurt). Die
Kreuzigung des Herzogs Wilhelm von Bayern
ist verschollen, nur ihr Abbild in Sadelers Stich
existirt noch.

Ebenso verschollen ist der hl. Johannes in
Rom und die Verklärung Christi auf Tabor —
wenn im letzten Fall nicht gar eine Verwechs-
lung mit der 1599 von Uffenbach für die
Dominikanerkirche gemalten Himmelfahrt
Christi (Frankfurt, Histor. Museum) unterläuft.
Denn nach Komposition und Kolorit würde
man dieses Bild, bei dem der Maler sich eng
an die vielleicht benachbarte Krönung Mariae
von Dürer anlehnte, ruhig 80 Jahre früher an-
setzen können.

Bei der Holzschnittfolge der Offenbarung
Johannis scheint Sandrart abermals ein Irrthum
begegnet zu sein; wir kennen nur eine von
1544 ff. datirte, die das Monogramm M. G.
trägt. Aber sie ist zweifellos ein Werk des
Matthias Gerung (Geron), der in jüngeren Jahren
ein Schüler des Hans Baidung war.

Da die Mainzer Dombilder längst unter-
gegangen, die Zeichnungen im Kabinet Schelkens
nicht zu identifiziren sind, so bleiben also von
Sandrarts Liste nur der Kolmarer Altar, die
Heiligen Cyriakus und Laurentius in Frankfurt,
bei denen die Forschung den durch Sandrarts
Angabe und das Monogramm allein nicht er-
brachten Echtheitsbeweis ergänzt hat und der
Sadeler'sche Stich nach Herzog Wilhelms Kreu-
zigung.

Zu diesen Bildern treten die von der Kunst-
wissenschaft weiter als Werke Grünewalds fest-
gestellten, nämlich eine Predella mit der Be-
weinung Christi in der Stiftskirche zu Aschaffen-
burg, eine Kreuzigung Christi, von der die Rück-
seite — mit der Kreuztragung — losgesägt ist,
in Tauberbischofsheim (ist vielleicht, wie seit
längerem beabsichtigt, inzwischen in die Karls-
ruher Galerie gelangt), eine Kreuzigung Christi
in der Basler Galerie, das Bild mit den heiligen
Mauritius und Erasmus in der Münchener
Pinakothek, endlich einige Zeichnungen:

Berlin K. Kupferstich-Kabinet.

Kohlezeichnungen:

1. Kopf eines singenden Engels fast bis zur Karri-
katur grimassirend; Rückseite: Kopf einer älteren Frau.

2. Drei bartlose Köpfe in der Art einer Trinität
von Heiligenschein umgeben; mit Monogramm M. G.
bezeichnet.

3. Ein knieender König nach rechts gewandt,
dessen Gewand von knieenden Engeln gehalten wird;
Rückseite: Madonna mit Christkind und dem hl. Johannes,
im Oval.

Kupferstich-Kabinet der Baseler Kunst-
sammlung:

4. Studie zu einem Gekreuzigten. Kohlezeichnung
auf blauem Papier, weiis gehöht.

Albertina zu Wien:

5. Betender Pilger (Apostel Jakobus ?) Kreide und
Tuschzeichnung, weifs gehöht.

Der Altar der Antoniterpräzeptorei Isenheim
im Kolmarer Museum6) ist jetzt in seine ein-
zelnen Bildertheile zerlegt. Ehemals zeigte das
äufsere Flügelpaar geschlossen Christus am Kreuz.

Christus am Kreuz. Links vom Kreuz (vom
Beschauer aus rechts) Johannes der Täufer mit einem
aufgeschlagenen Buch in den Händen, zu seinen Füisen
das Lamm. Er deutet mit der Rechten auf den
Gekreuzigten. Neben ihm in Antiquaschrift die Worte:
Illum oportet crescere, me autem minui. Auf der
anderen Seite des Kreuzes die Mutter Gottes mit ge-
rungenen Händen; der Evangelist Johannes stützt sie,
während er tröstend auf sie einspricht. Zwischen
dieser Gruppe und dem Kreuz Magdalena knieend.
Neben ihr das Salbengefäls. Sie hebt die gefaltenen
Hände jammernd zum Kreuz empor. Das Kreuz
selbst ist aus kaum behauenen Stämmen zusammen-
gesetzt. Das Täfelchen mit der Legende INRI —
letztere in gothischen Minuskeln — hängt an einer
Kette. Fast unmittelbar unter den Füfsen Christi,
die unter geringem Winkel auf einander liegen, ist
ein Fufsklotz am Kreuz befestigt. Die Zehen sind
abwärts verkrampft, die Hände weit offen, das Lenden-
tuch zerfetzt. Das Kreuz ist niedrig und der Leib
Christi nur wenig über den Erdboden erhöht. Der
Vorgang ist auf einer aussichtslosen Hochebene oder
Bergkuppe gedacht.

Wurde dies Flügelpaar geöffnet, so sah man
der Reihe nach von links nach rechts die Ver-
kündigung, musizierende Engel, Maria mit dem
Kind und Christi Auferstehung.

Die Verkündigung. In einer spätgothischen
Kapelle, die durch einen hinteren grünen und einen
vorderen rothen Vorhang — beide an rother Stange —
in drei Räume geschieden werden kann, kniet Maria
mit gefaltenen Händen vor einer Truhe, auf der ein
geöffnetes Buch liegt. Den Kopf wendet sie etwas
zur Seite von dem Engel ab, der von der Rechten
her eben mit verheiisend entgegengestreckter Hand
hereinschwebt. Im hintersten Kapellenraum, der durch
Masswerkfenster breites Licht hereinläi'st, in einem
flirrenden dünnen Aetherkreis die heilige Taube. Die
Madonna hat einen tiefblauen, ins grüne stechenden,

s) Phot. Braun, Dornach und J. Christoph,
Kolmar.
 
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