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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Rieffel, Franz: Grünewald-Studien, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0094

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Abhandlungen.

Grunewald-Studien.

Mit Lichtdruck (Tafel III) und 2 Abbildungen.

N§L IV.

ie Frage wirft sich auf, ob
zwischen den sieben Schmerzen
Maria der Dresdener Galerie
und dem Kolmarer Altar, als
dem frühesten beglaubigten Werk Grüne-
walds uns noch mehr Werke des rheinischen
Malers erhalten sind, Werke, die die Kluft des
Stilwechsels überblicken oder wenigstens eine
Entwicklung nach dem Stil des Kolmarer Altars
hin erkennen lassen.

Heinr. Alf. Schmid theilt in seiner Grüne-
wald-Monographie1) mit, dafs Adolf Bayers-
dorfer eine im Berliner Kuperstichkabinet be-
findliche dort nicht bestimmte Kohlezeichnung
mit der Verkündigung und dem Datum 1512
für ein Werk Grünewalds halte.2) Diese Be-
stimmung ist vielleicht eine der feinsten und
fruchtbarsten, die Bayersdorfer je gefunden hat.

Denn die Zeichnung hat einen Januskopf.
Sie knüpft an die späteren Berliner Blätter an;
Sie erweist sich aber auch als das Schlufsglied
einer Entwicklungsreihe aus der hier zu be-
sprechenden früheren Schaffensperiode des
Meisters.

Die 1512 datirte Zeichnung wird durch die
beigegebene Illustratien veranschaulicht..

IndemFormencharakter(HändenundFüfsen),
namentlich aber in der Technik hängt das
Blatt, wie gesagt, mit den übrigen Zeichnungen
aus dem zweiten Jahrzehnt des XVI. Jahrb.. in
Berlin eng zusammen. Am nächsten aber steht
es der Crucifixuszeichnung in Basel. Das Aus-
sehen der Ziffern scheint der Schrift Grünewalds
z. B. auf dem Gekreuzigten der Basler Galerie,
den Frankfurter und Tauberbischofsheimer Bil-
dern zu entsprechen. Sehr eigen ist die die

') S. 47.

2) Das Studium dieser und der übrigen noch
nicht veröffentlichten Berliner Zeichnungen ist mir
wesentlich erleichtert worden durch Photographien, die
ich der Güte der Herren Prof. Dr. von Tschudi, Di-
rektor der K. Nationalgalerie und Dr. Kowaldt in
Berlin verdanke.

Linien wie zerfetzende Konturenführung und
die Faltenbehandlung. Die Falten fallen nicht
wie sonst in grofsen wulstigen naturalistischen
Bäuschen oder feinen, eng und parallel ver-
laufenden Zügen, sondern sind knittrig und in
ihrem Fall durch kleine Querzüge unterbrochen.
Dadurch erhalten auch die Konturen der Ge-
wandung das seltsam zerfetzte. Schliefslich
verdient noch die fransenbesetzte Dalmatika des
Engels wegen der stofflichen Aehnlichkeit mit
den Gewändern auf den Frankfurter Diakonen-
bildern Beachtung.

Nicht minder klingt der Stil der Dresdener
Schmerzen Maria an. Den holden, mädchen-
haften Madonnentypus finden wir, allerdings
noch unfreier, schon dort (Flucht nach Aegypten),
ebenso die schmalfingrige Hand mit dem allzu-
langen Daumen und kleinen Finger; sie kehrt
bei der Magdalena der Kreuzigung fast bis in
jedes Detail hinein getreu wieder (wie später
z. B. auf der Maria der Verkündigung in Kol-
mar). Auch für Handballen und Zehenbildung
des Engels finden wir dort die Analogien.

Die Gleichheit der Technik, der Zeichnung
der Falten und der Körperformen (Hand- und
Daumen) veranlassen mich, dem Grunewald
auch eine Judithzeichnung des Dresdener Kupfer-
stichkabinets zuzuweisen. Sie ist dort als Schule
Albrecht Dürers bestimmt.3) (Vergl. die bei-
gegebene Abbildung.)

Den Grünewald charakterisirt hier auch der
listig schielende Blick der Magd. Bewunderns-
werth ist der an Rembrandt erinnernde Lakonis-
mus derErzählung, derGeberden und der Mimik.

Noch eine ins Rund komponirte Kohle-
zeichnung des Dresdener Kabinets bin ich ge-
neigt dem Grünewald zuzusprechen.

Eine zechende Gesellschaft von Männern und
Frauen, zu der der Tod mit Stundenglas und Sense
hinzutritt, in einer Landschaft. Die Tafel mit den
Zechenden steht unter einer grofsen Baumkulisse
links. Nach rechts öffnet sich die mittelgrundlose
Wasserlandschaft ins Weite. Den Abschlufs bildet ein
Gebirgszug mit Burg.

s) Eine Photographie dieses gleichfalls nicht publi-
ziiten Blattes zu Studienzwecken verdanke ich Herrn
Dr. Sponsel, Direktorialassistenten des K. Kupfer-
stichkabinets in Dresden.
 
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