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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Beissel, Stephan: Die römischen Mosaiken vom VII. Jahrh. bis zum ersten Viertel des IX. Jahrh., [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0126

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185

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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Städten Bethlehem und Jerusalem. Hinter
diesen Städten sind auf der Bogenwand die
grofsen Gestalten der beiden Apostelfürsten
angebracht. Sie erheben die Rechte und
zeigen auf Christi Brustbild, das oben über
dem Scheitel der Apsis die Mitte der Wand
einnimmt. Es ist gleich der Christusfigur
in der Apsis bärtig gebildet. Um das Brust-
bild sind die Symbole der Evangelisten in
Kreise eingefaßt. Alle halten ein Buch und
sind geflügelt, aber nur das des hl. Matthäus,
der Mensch, trägt einen Nimbus.

Lob verdienen in diesen Mosaiken die
kräftigen Bänder mit viel Grün, welche die
Apsis von der Hauptwand und diese von Decke
und Seitenwänden trennen. Die Figuren sind
leere Kopien besserer Vorbilder, eckig und
steif, Zeugen eines Niederganges, der sich hier
besonders in der Häufung neuer Zuthaten
offenbart. Die Kreise, worin man die Sym-
bole gleich den alten Brustbilder von Heiligen
oder Standespersonen einschlofs, die sieben
Fufsbänke, worauf die Hauptfiguren stehen,
die übermäfsige Verwendung von Farbtönen
sind ein Nothbehelf, der nicht über den
Mangel frischen künstlerischen Könnens weg-
täuscht.

Nicht abzuweisen ist die Annahme, jene Fufs-
schemel stammten aus der höfischen Kunst von
Byzanz, aber sicher ist auch, dafs diese Mo-
saiken Gregors IV., ebensowohl wie jene des
Paschalis und des dritten Leo, Werke einer
und derselben römischen Lokalschule sind, die
für die Zeichnung ganz und voll auf dem
Boden der alten italienischen Kunst stand.
Freilich hat sie auch Muster aus Ravenna
benutzt, aber dort ist das von ihr als Vor-
bild behandelte Mausoleum der Galla Placidia
doch zweifelsohne nicht byzantinisch, dafs aber
die andern Mosaiken jener Stadt byzantinisch
seien, wäre zu beweisen. Bis es bewiesen ist,
müssen sie gelten als Fortsetzung römischer
Kunst durch eine unter günstigen Verhält-
nissen arbeitende italienische Lokalschule, deren
letzte Leistung jenes Mosaik in S. Marco zu
Rom ist. Das Urtheil, welches Kraus9) über
dasselbe fällt, ist sehr hart, ja wohl zu strenge:
„Es ist schwer, sich etwas Geistloseres und
Leereres als diese immerhin noch kostbar
kostümirten Gestalten zu denken. Vitet hat

bereits die Komposition für das barbarischste
Mosaik Roms erklärt, in welchem die Mager-
keit der Figuren, die übergrofse Verlängerung
der Körperverhältnisse, die Straffheit der Ge-
wandungen auf das Aeufserste getrieben sind.
Diese traurige Schöpfung zeigt, wie de Rossi
hinzusetzt, in der That die letzte Leistung der
spätrömisch - byzantinischen Dekorations-
kunst und zugleich die ausgesprochenste Ver-
armung dieser Schule. Eine zwei Jahrhunderte
dauernde Nacht bricht jetzt ein und trennt
diese Epoche von jenem Aufschwung, den die
Kunst wieder im XL Jahrhundert nimmt."10)

Schauen wir zurück auf die christlichen
Mosaiken von Rom und Ravenna, so zeigen
sich uns drei Perioden: In der ersten treten
die antiken Traditionen noch stark in den
Vordergrund mit Rücksicht auf Stil, Kompo-
sition und Inhalt. In der zweiten herrscht
ein rein christlicher Mosaikstil in höchster
Blüthe monumentaler Gröfse. In der dritten
sinkt die Kunst der Mosaicisten. Charak-
teristische Werke der ersten Periode sind
die Mosaiken von S. Constanza, in denen
noch viele profane Elemente sich zeigen, die-
jenigen der Kapelle der hh. Rufina und Se-
cunda beim Baptisterium des Lateran, worin
die reiche dekorative Kunst des kaiserlichen
Rom und seiner Grofsen eine letzte und
glänzende Blüthe treibt, die Mosaiken von
S. Pudenziana, die an ein in Mosaik umge-
setztes antikes Gemälde erinnern und die Mo-
saiken im Schiff von S. Maria Maggiore. Für
die zweite Periode darf das Mosaik in S. Cosma
e Damiano zu Rom als Typus gelten.

Die Figuren trennen sich von einander:
das malerische Element tritt zurück. Nicht
Gruppen, nicht Schilderung bestimmter Er-
eignisse, sondern die Darstellung des in maje-
stätischer Gröfse thronenden Herrn, einzelner
seiner Heiligen und apokalyptischer Ideen ist
Ziel des Mosaicisten. Zu Ravenna zeigt sich
diese Richtung am entschiedensten in den
grofsen Prozessionen an den Wänden von

9) »Geschichte der christlichen Kunst« I, 493.

10) Die besten römischen Mosaiken späterer Zeit
finden sich in der Apsis von S. demente (de Rossi
»Musaici« 15), in Maria in Trastevere (die oberen
Bilder der Apsis um 1140, Fassade 1148, de Rossi
13,21), in der Apsis vonS. Franzesca 1161 (deRossi 2),
in der Apsis von S. Paul um 1218 (de Rossi 39),
an der Fassade von S. Maria Maggiore um 1300
(de Rossi 3) und an der Fassade von S. Paul nach
1321 (de Rossi 40).
 
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