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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Haupt, Richard: Heidnisches und Fratzenhaftes in nordelbischen Kirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0143

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211

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr.

212

schliefsen stumpf, der mittlere Theil mit 6/8 eines
Achteckes. Auf den Kappen der Abseiten sind
nur die Rippen begleitende Ornamente; auf
der östlichen und westlichen Kappe im ersten
Joche der nördlichen aber fanden sich bei-
folgende anmuthige „Hexen" (Abb. 1. und 2).
Die Gesammtbemalung des Chors ist, wie sein
Bau selbst, aus der Zeit gegen 1300; es findet
sich noch ziemlich viel Romanisirendes.

Ob man diese heiteren Bildchen dem mittel-
alterlichen Humor beizählen soll, mag bestreitbar
sein; besonders der zweiten Figur wird man
Schwung und Anmuth nicht absprechen. Hätte
ich sie nicht
selbst so un-
ter der Tün-
che hervor-
kommen se-
hen und so-
gleichpausen
lassen, so
hätte ich
nicht den
vollen Muth,
die Echtheit
und die un-
bestreitbare
Herkunft aus
so alter Zeit
zu behaup-
ten. Eine
spätgothische
Dekoration
vom Anfange
des XVI. Jh.
überdeckte
alles. Uebri-

gens sind es natürlich gar keine Hexen, son-
dern echte Walküren, die durch die Luft
fahren, die eine auf dem Symbole Odins, die
andere auf dem der Freia — also echt heid-
nische Bilder.

Derber und roher zeigt sich die Laune der
Bildschnitzer an einer Stelle des grofsen, aber
im ganzen dürftigen Chorgestühls (1512). Auf
den Brüstungswangen sitzt allerhand seltsames
Gethier; an einer aber sind zwei durchaus nicht
anmuthige nackte Menschen dargestellt, die
mit der Hand auf ihre Rückseite weisen.

Je gewöhnlicher wohl Darstellungen wie die
letztbesprochenen sind — die allerdings eher, wenn
irgendwo, ihre Stelle an den Miserikordien haben

Abb. 2. Aus dem Dome zu Schleswig. Walküre. 1: 10.

möchten; an solche aber findet sich hier im
ganzen Lande keinerlei Kunst, selbst nicht von
jener Art, verschwendet — desto seltsamer ist die
Dekoration an den Gewölben des Kreuzganges.
Drachen, Seeschlangen, Greife, Bestien mit zahl-
reichen Schwänzen und ebenso zahlreichen
Köpfen, oder auch Menschenbestien ohne Köpfe,
denen als Kopf der Bauch dient, Centauren,
Jäger, Musikanten, kurz die reichste Phantastik
mittelalterlicher Laune, füllen die Kappen der
zweiundzwanzig quadratischen Joche. Wir haben
es auch hier mit dänischer Kunst zu thun, und
wenn wir das treffliche Werk Magnus Peter-
sens über die

Kalkmale-
reien in den

dänischen
Kirchen (Ko-
penhagen
1895) auf-
schlagen, so
finden wir
in diesem,
dafs ganz die-
selbe Art z.B.
zu Woldby in
Jütland (Taf.
XXXVII)
vorkommt;
nur etwas
später datirt
(uml480),als
man die Ar-
beiten zu
Schleswig
setzen darf.
Da es sich bei
diesen Sachen keineswegs um Erfindungen
heiterer Laune, sondern um reine Phantastik,
im besten Falle um symbolisirende Phantastik,
handelt, sei dies hier nur gestreift, zumal hier
Abbildungen nöthig wären, die heute nicht ge^
geben werden können.

Dagegen ist ohne Zweifel ein Spott- und
Hohnbildchen in einer eingeritzten Zeichnung
erhalten, die sich in der Kirche selbst, in der
Nordabseite des Chores, an einem Pfeiler be-
findet. Der frühgothische Chor ist zwischen
1260 und 1307 gebaut. Seine Wände waren
mit feinem grauem Putz überzogen, und so auch
die als Pfeiler stehen gebliebenen Theile der
das mittlere Chorschiff von den Abseiten
 
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