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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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251

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

252

Stabes, die Bestimmtheit der Zeichnung wie Färbung
für die Beurtheilung die hinreichenden Anhaltspunkte
boten. Der prämiirte Entwurf verräth die vor den
Originalen gemachten Studien, die dadurch gewonnene
Vertrautheit mit dem Mosaiktypus, sowie das Bestreben
und die Fähigkeit, die Figuren den Raumverhältnissen
anzupassen, ihnen hinsichtlich der Bewegung, des Aus-
druckes, der Ausstattung auch der ornamentalen Um-
gebung gerecht zu werden. Im Uebrigen brauchte
er nicht mehr zu sein, als der vorläufige Versuch zur
Lösung dieser schwierigen Aufgabe, nur der erste
grofse Schritt auf dem Wege zur Gewinnung end-
gültiger Zeichnungen, der den Mosaizisten zu unter-
breitenden Kartons. Um ftir diese den richtigen
Maafsstab zu erlangen, war die Anbringung von Probe-
kartons im Tambour selbst unumgänglich nöthig,
und sogar für diese kam es noch weniger auf die
Einzelheilen hinsichtlich ihrer archäologischen Richtig-
keit als vielmehr auf die Eingliederung in den Raum
und auf die stilistische Korrektheit an. In letzterer
Hinsicht scheint es dem Künstler an einheitlicher Di-
rektive gefehlt zu haben, wenigstens an der Festigkeit
in der Behauptung seines ursprünglichen Standpunktes,
denn von den nacheinander nicht so sehr für eine
sachverständige Kommission als für das grofse Publi-
kum aufgehängten Probekarions kann dem letzten der-
selben der Vorwurf nicht erspart werden, der schwächste
zu sein. Dafür ist aber weniger der Künstler verant-
wortlich zu machen als die ihm ertheilte Weisung, für
seine Entwürfe die Liniburger Reliquientafel, bezw.
die sie schmückenden kleinen Zellenschmelze als Vor-
bild zu nehmen. Insofern dieser Rath sich auf den
durch sie dargestellten Bilderkreis bezog, d. h. auf
die Gruppe der Standfigürchen, welche die sog. grofse
Deesis bilden: die Majestas Domini mit den 16 sie
umgebenden fürbittenden Heiligen, verdiente er Be-
achtung als das nächstgelegene Beispiel; nach allen
anderen Richtungen aber war er verhängnissvoll; denn
diese in ganz kleinen Dimensionen gehaltenen Bild-
chen sind byzantinischen Ursprungs, im X. Jahrh. ent-
standen und in Zellenschmelz ausgeführt, also aus mo-
numentalen, archäologischen, technischen Gründen ganz
ungeeignet, als unmittelbare Vorbilder zu dienen für
den musivischen Wandschmuck eines am Ende des
VIII. Jahrh. nach einem italienischen Muster in Deutsch-
land gebauten Denkmals.

Nachdem so den mehrfachen Schwankungen in
der Auswahl der Heiligen die Limburger Schmelztafel
als mitbestimmender Faktor ein Ende gemacht hatte,
handelte es sich um die Beseitigung der durch dieselbe
herbeigeführten Mifsverständnisse, vielmehr um ein
sachverständiges Unheil über die verschiedenen Probe-
kartons, mit Bezug auf welche die leitenden Grund-
sätze für die Behandlung der ganzen Angelegenheit
festzustellen waren, in Verbindung mit der Frage, ob
die Ausführung der Arbeit dem prämiirten Künstler
übertragen werden dürfe, dessen Anspruch auf dieselbe
doch nur durch den Nachweis verwirkt erscheinen
könnte, dass die verschiedenen von ihm angestellten
Versuche seine bezügliche Fähigkeit in Frage gestellt
hätten. Zu diesem Zwecke berief der Vorstand des
Karlsvereins, der bereits ein halbes Jahrhundert die
Restauration des Aachener Münsters durch Beschaffung

der Mittel und Besorgung der Pläne sich angelegen
sein lässt, durch Schreiben vom 15. September d. J.
eine aus dem Geh. Oberbaurath Adler, dem Archäo-
logen P. Stephan Beissel, dem Provinzialkonservator
Giemen, Professor Frentzen, dem Kanonikus Göbbels,
dem Geh. Justizrath Loersch, dem Geh. Oberbaurath
Spitta als Vertreter des erkrankten Generalkonservators
Persius, dem Staatsrath v. Swenigorodsko'i und dem
Unterzeichnelen bestehende Kommission. Diese ver-
einigte sich am 22. Oktober zu einer Sitzung mit den
Vorstandsmitgliedern Staatsprokurator a. D. Dubusc,
Landralh v. Coels, Geheimrath Wüllner und mit den
von der Staatsregierung komittirten Professor Dobbert,
Akademiedireklor Janssen, Geh. Oberregierungsrath
Müller. Die Verhandlungen, welche auf Antrag des
Präsidenten Dubusc Geheimrath Loersch leitete,
wurden von der Anschauung beherrscht, dafs die Auf-
gabe zu lösen sei im engsten Anschlüsse an die alten
Vorbilder, namentlich in Ravenna und Rom, aber im
künstlerischen Sinne, also nicht durch einfaches Ko-
piren, sondern durch selbständige Anpassung der
alten Formen an die gegebenen Raumverhältnisse.
Als die mafsgebenden Formen erschienen nicht die
im IX. Jahrb., in dessen Anfang die Vollendung des
Aachener Münsters fällt, üblichen, weil sie, im Gegen-
satze zur zeitgenössischen Architektur, als abge-
schwächte und entartete Nachbildungen der herrlichen
Mosaiken aus der zweiten Hälfte des V. und dem
Laufe des VI. Jahrh. erscheinen, die noch im Lichte
der antiken Kunst erstrahlen. Dafs an diese glänzen-
den Vorbilder anzuknüpfen sei, wurde nicht nur als
zulässig, sondern als nolhwendig bezeichnet, aber
eben so sehr betont, dafs für die ganze ikonographische
Behandlung die Entwicklung mafsgebend sei, welche
dieselbe in der karolingischen Periode erfahren habe,
mit alleiniger Ausnahme der die Apostel kennzeich-
nenden Attribute, deren Feststellung bekanntlich den
folgenden Jahrhunderten vorbehalten blieb. Diese
Konzession wurde für statthaft erachtet, sogar für un-
erläfslich, wenn anders die Apostelfiguren nicht allzu
gleichartig und monoton wirken, dem Volke erkennbar
und verständlich sein sollen.

Aus diesen in eingehender Diskussion gepflegten
Erörterungen ergab sich zunächst folgender Beschlufs:
„In Bezug auf die künstlerische Gestaltung empfiehlt
die Kommission dem Karlsverein Anlehnung an die
Glanzzeit der musivischen Malerei, für die Ikonographie
im Allgemeinen die karolingische Periode, gestattet
jedoch bezüglich der Attribute gröfsere Freiheit im
Anschlüsse an die kirchlichen Vorbilder der folgenden
Jahrhunderte." — Nach der Erledigung dieser rein
sachlichen Vorfragen führte die Prüfung der Personen-
frage zu einem gründlichen Austausche über den prä-
miirten Künstler, seine Vorlagen, seine sonstigen Lei-
stungen, seinen künstlerischen Werth, mit dem Ergeb-
nisse, dass ihm die vorliegende Aufgabe endgültig
übertragen werden dürfe, und diese Ueberzeugung der
Kommission fand Ausdruck in der Resolution: „Die
Kommission empfiehlt dem Karlsverein, dem Professor
Schaper nunmehr den Auftrag zu ertheilen zur Aus-
führung der Mosaiken des Kuppeltambours, zunächst
zur Anfertigung einer einfachen Gesammtskizze, welche
der späteren Ausführung zu Grunde gelegt werden
 
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