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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

DOI Artikel:
Firmenich-Richartz, Eduard: Hugo van der Goes: eine Studie zur Geschichte der altvlämischen Malerschule, [2]
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Keppler, Paul Wilhelm von: Gedanken über die moderne Malerei: Dritte Folge, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0199

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299

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 10.

300

wiederum der herbe Natursinn des Meisters in
der eindringlichen Charakteristik der lebhaft
erregten Apostel, in dem edlen Antlitz der
sterbenden Gottesmutter, deren brechendes Auge
sich sehnsüchtig zum himmlischen Sohn empor-
hebt.

In seiner Klosterchronik berichtet Kaspar
Ofhuys, dafs Hugo van der Goes vor allem
auch ein ausgezeichneter Porträtmaler gewesen
sei und in dieser Eigenschaft die Gunst hoher
Herren gewonnen habe. Erschienen doch schon
seine Heiligen als scharfausgeprägte Individuen,
kaum als Idealmenschen einer höheren Sphäre;
den Donatoren zu ihren Füfsen glaubt man
manchmal sogar die gezwungene Haltung, ihre
Ermattung beim Modellstehen anzumerken. Von
der eigentlichen Bildnifskunst des Meisters haben
sich leider nur sehr vereinzelte Proben erhalten;
die Porträtköpfe, die dem Hugo van der Goes
in den belgischen und italienischen Gallerien
zugeschrieben werden, haben nicht das mindeste
mit seiner Art zu schaffen, sie stehen meist in
der Naturauffassung wie den malerischen Qua-
litäten weit hinter seinen Arbeiten zurück. Ein
besonderes Wohlwollen mufs ein Lebemann
aus dem Kreise des französischen Klerus, der

Kardinal Karl Herzog von Bourbon, dem Maler
entgegengebracht haben. Sein Bildnifs von der
Hand des Hugo van der Goes existirt heute
noch in zwei Exemplaren.

Ueber gemalte Schmeicheleien und kon-
ventionelle Lügen werden sich seine vornehmen
Besteller nicht beschwert haben. Das scharfe
Malerauge des Genter Meisters umfafste die
gesammte Komplexion seiner Modelle. Leibes-
beschaffenheit und Gemüthsart wurden nüchtern
erfafst und mit spitzem Stift erschöpfend wieder-
gegeben. Auch die Modellirung erfolgt stets
in grauen Tönen; eine reichere Farbengebung
betrachtete der Meister nur als äufsere Zu-
that.

Im Folgenden wollen wir den Versuch
unternehmen, die Werke des Hugo van der
Goes in einem kritischen Verzeichnifs zu ordnen.
Diese Uebersicht des gesammten „oeuvre" wird
dann auch am sichersten den Beweis führen
für die Richtigkeit jener einst von Ludwig
Scheibler gestellten These, dafs Hugo van der
Goes weder an Fruchtbarkeit noch an Bedeu-
tung hinter irgend einem der Nachfolger der
Brüder van Eyck zurückstand.

Bonn. E. Firmenich-Richartz.

Gedanken über die

Dritte

IL

as Genre, die Schilderungen
aus dem Menschen-undVolks-
leben haben in der modernen Ma-
lerei aufgehört, ein von der Land-
schaft geschiedenes Reich darzustellen. Auch
sie wurden den Gesetzen der Landschaftsmalerei
unterworfen, oft zu blofsen Farben- und Licht-
problemen herabgedrückt, mitunter fast gewalt-
sam in die grelle Beleuchtung des Pleinärs
gezerrt und in die oben gezeichneten, rasch
wechselnden Moden der Farbengebung mit-
hineingezogen. Daraus ging manches Gute und
viel Schlimmes hervor. Die neue Technik und
die neue malerische Anschauungs- und Vortrags-
weise hat zum Theil auch belebend und er-
frischend auf dieses Genus der Malerei gewirkt.
Das Pleinär bot Mittel, auch in Szenen des
Volkslebens neue Schlaglichter zu werfen und
die Stimmungsmalerei kam auch der Wieder-

moderne Malerei.
Folge.

gäbe seelischer Stimmungen und psychologischer
Vorgänge zu gut.

Aber freilich auf der anderen Seite bedeutet
die Hegemonie der Landschaftskunst auch eine
grofse Gefahr, und auch Neumann kann sich
des Bedenkens nicht entschlagen, ob die er-
zieherische Rolle, die ihr zugefallen, eine heil-
volle sei, ob die übrige Kunst sich unter ihrer
Herrschaft wohlbefinde (Der Kampf um die neue
Kunst S. 105). „Wie der Instrumentalstil",
schreibt er S. 107, „auf die Oper, so ist der
Landschaftsstil auf das Figurenbild übertragen
worden. Von diesem Augenblick an wurde
die Gestalt, einerlei, in welchen Gröfsenverhält-
nissen sie gemalt war, zur Staffage herabgedrückt,
und die eigenthümliche Respektlosigkeit vor der
Figur begann, die unsere heutige Kunst charak-
terisirt." Er führt sehr gut aus, wie der Mensch
ein corpus vile geworden sei, das man nur be-
nütze, um Lichteffekte an ihm zu studiren, und
 
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