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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Keppler, Paul Wilhelm von: Gedanken über die moderne Malerei: Dritte Folge, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0224

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841

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

342

hat inzwischen in einem grofsen Altarbild: Die
hl. Familie (wir wünschten, die Gesellschaft
könnte es in chromotypischer Nachbildung ihrer
nächsten Mappe einverleiben) den schönsten
Beweis geliefert, wie man tiefreligiös und gut-
konservativ und dabei im besten Sinne modern
sein kann. Das ist wahre und echte Stimmungs-
malerei, welche den ganzen Zauber moderner
Koloristik entfaltet, aber nur zu dem Zwecke,
um die religiöse Idee des Bildes ins Licht und
in Musik zu setzen.

Gewifs, auch der religiöse Maler mufs vor
allem malen können, malen und auch zeichnen.
Er mag immerhin durch die moderne Schule
gehen; er soll ihre Technik sich aneignen, soll
auch in das Freilicht und in alle Finessen
moderner Farbengebung sich einlernen; er soll
sich daran gewöhnen, mit den geschärften Sinnen
moderner Kunst die Natur anzuschauen, aufzu-
fassen, nachzubilden; er sammle sich einen
möglichst grofsen Reichthum und Vorrath von
Formen, Farben, Naturbildern auf der Netzhaut
seines Auges, in den Kammern seines Gedächt-
nisses, auf den Blättern seiner Skizzenbücher,
und lerne gründlich die Kunst, die Natur mög-
lichst natürlich wiederzugeben. Hat er das
alles gethan, gesammelt, erlernt, so ist er viel-
leicht ein Maler, aber, er ist noch kein religiöser
Maler. Es ist doch selbstverständlich, dafs dieser
aufser der Gabe, malerisch zu sehen und das
Gesehene malerisch wiederzugeben, noch die
hohe Gabe nöthig hat, religiös zu sehen und
das mit dem Aug des Glaubens Geschaute in
sinnliche Formen zu fassen, welche dem Wesen
und Charakter der heiligen Personen, Gegen-
stände, Thatsachen, Ideen nicht zuwider, son-
dern konform sind. Sonst fehlt ja das, was
auch die modernste Kunst als Grundforderung
aufstellt: die Wahrheit, die Uebereinstimmung
des Schaffens des Künstlers mit seinem Denken
und Fühlen, der äufseren Form mit der inne-
ren Idee.

Darnach ist klar, dafs der ganze moderne
Betrieb der Malerei für den religiösen Künstler
mehr nur die Bedeutung einer, allerdings noth-
wendigen und durchaus wünschenswerthen, tech-
nischen Vorschule und Formenschule haben
kann. Gerade das spezifisch religiöse Element
wird er in den modernen Akademien, Aus-
stellungen, Ateliers vergeblich suchen; er kann
es aber auch nicht lediglich aus sich selber
herausbilden. Es gibt nur Eine hohe Schule,

in welcher er lernen kann, religiöse Themate,
auch die höchsten und übernatürlichsten, reli-
giös anschauen, auffassen, anfassen, in würdigen
Formen versinnbilden, — das ist die christliche
Kunst der Vorzeit und ihre unsterblichen Werke.
Nie war es für den religiösen Maler nothwen-
diger, in diese Schule zu gehen, als heutzutag;
er soll hier nicht diesen oder jenen Stil lernen,
nicht schülerhaft Formen kopiren, nicht die zum
Theil noch kindliche und unentwickelte Formen-
sprache nachstammeln; aber er soll sich hier
in den Geist der religiösen Malerei einführen
lassen. Der totale Bruch mit der Kunst der
Vorzeit ist nicht einmal der Profanmalerei gut
bekommen; wer ihn der religiösen Kunst em-
pfiehlt, hat es entweder auf einen Mord der-
selben abgesehen oder er weifs nicht, was er
thut und spricht.

Man mag ja auch mit Bezug auf die mo-
dernen Errungenschaften den religiösen Künst-
lern das apostolische Wort zurufen: „alles ist
euer" (1. Kor. 3, 22). Aber dann mufs man
auch sofort das andere Wort des Apostels an-
fügen: „alles ist mir erlaubt, aber nicht alles
frommt; alles ist mir erlaubt, aber nicht alles
erbaut; alles ist mir erlaubt, aber ich soll durch
nichts mich knechten lassen" (1. Kor. 6, 12.
10, 22 f.). Man mag das Wort Freiheit auf die
Fahne der religiösen Kunst schreiben, aber das
kann dann doch nur die Freiheit der Kinder
Gottes bedeuten, welche nie und nirgends dem
Fleisch Konzessionen macht (Gal. 5,13), welche
nur gedeiht und athmet und lebt in der Atmo-
sphäre des Glaubens, der Demuth, der Keusch-
heit, der Sittsamkeit und Ordnung, des Gehor-
sams und der Entsagung, des kirchlichen Lebens
und der kirchlichen Tradition.

In diesem Sinne möchten wir trotz allen
Widerspruches auch jetzt wieder unsere schwer
gefährdete religiöse Malerei auf das Beispiel
der Beuroner Malerschule verweisen, nicht um
sie auf deren Formensprache zu verpflichten,
sondern um ihr für ihren heiligen Beruf das
Gewissen zu schärfen, um sie zu wappnen gegen
die grofsen Versuchungen, denen sie heutzutag
ausgesetzt ist, um ihr das Auge offen zu er-
halten für das Eine Nothwendige, das keine
technische Fertigkeit zu ersetzen vermag; das ist
die tiefe Glaubensüberzeugung, der kirchliche
Sinn, die reine Intention und der Geist des
Gebetes. —

Freiburg i. Br. Paul Keppler.
 
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