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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Renard, Edmund: Kirchliches Silbergeräth auf der Ausstellung von Werken alten Kunstgewerbes aus Sächsisch-Thüringischem Privatbesitz in Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0239

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863

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

364

Was die Ausstellung an Kelchen aus dem
Ende des XV. und dem Beginn des XVI.Jahrh.
bietet, besteht zumeist in einfachem Gebrauchs-
geräth. Für dasselbe hat sich ein fest um-
grenzter Typus herausgebildet, der in seinen
Schmuckformen bis zur Mitte des XVI. Jahrh.
beziehungsweise bis zur Einführung der Refor-
mation herrscht, denn mit diesem Zeitpunkt
hört wenigstens für eine gewisse Zeit die künst-
lerische Produktion auf unserem Gebiet auf;
in seiner Grundform können wir jedoch diesem
Kelchtypus noch am Ende des XVII. Jahrh.
begegnen. Dieser Kelchtypus ist kurz folgen-
der: auf sechsblätterigem Fufs erhebt sich in
leichter Kurve der sechskantige Schaft, darauf
sitzt durch ein Profil und kurzes Verbindungs-
stück geschieden — der Nodus in Form einer
flachgedrückten Kugel mit durchgesteckten Bal-
ken, die Rotulen zeigen durchweg die Inschrift:
Jhesus. Die Kuppa nimmt an Stelle der breiten
Kegelform eine steilere Kontur an und ist viel-
fach in einen Korb gefafst. Der Fufs trägt
regelmässig als Signaculum ein Kruzifix. Der
Schmuck dieser Kelche ist auffallend gering,
man begnügt sich — wenn der Kelch nicht
überhaupt schmucklos ist — mit der Gravirung
der Flächen des Fufses.

Ich erwähne von der Leipziger Ausstellung
in erster Linie den Kelch von Härtensdorf bei
Wildenfels (Katalog Nr. 8);16) der verhältnifs-
mäfsig niedrige Fufs geht bald in einen Blatt-
kranz und reiches Profil über, das den reicher
als gewöhnlich behandelten Nodus trägt, die
Kuppa ist in eine flache, kleine Schaale gefafst.
In der Zierlichkeit des Aufbaues ist dieser
Härtensdorfer Kelch, der noch dem XV. Jahrh.
angehört, das beste Stück unserer Gruppe, doch
scheidet ihn eine Eigenart von dem sonst so scharf
bestimmten Typus: die Kanten des Schaftes
enden nicht in den Zwickeln zwischen den
Blättern des Sechspafsfufses, sondern sie ver-
laufen auf die Mitten der einzelnen Blätter.

Die der gleichen Zeit angehörenden Kelche
von Grofs-Zchocher bei Leipzig17) und Hä-
nichen18) sind dem Exemplar von Härtensdorf
sehr nahe verwandt.

Den Kelch von Grofs-Milkau (Katalog Nr.
II)19) mit der Jahreszahl 1506 kennzeichnet

16) Steche, Heft 12, Zwickau, S. 21, Fig. 13.
") Gurlitt, Heft 16, Leipzig (Lnnd), S. 41.
Fig. 19.

ls) Ebendort, S. 53, Fig. 30.

™) Steche, Heft 14, Rochlitz, S. 14.

gegenüber den Arbeiten des XV. Jahrh. schon
der kräftigere Aufbau. Fast genau überein-
stimmend ist der Kelch der Kunigundeu-
kirche in Rochlitz (Katalog Nr. 141),20) gleich-
falls eine einfache treffliche Arbeit; Steche
spricht die annehmbare Vermuthung aus, dafs
wir es mit Arbeiten eines Meisters zu thun
haben. Der Rochlitzer Kelch, der auf dem
Fufs zu Seiten des (jetzt verlorenen) Signacu-
lums die gravirten Figuren der hl. Anna Selb-
dritt und des hl. Bartholomäus zeigt, trägt auf
dem Fufs eine ausführliche Stiftungs-Inschrift:
„HIC ■ CALIX ■ P ■ ALT AR I' ■ DI VE ■
MATRIS ■ ANNE ■ FACTVS ■ EST- IN-
RENS/S ■ DNI ■ GEORG/1 ■ SZCHNE ■
AL TA RISTE ■ TRIVM ■ REG VM • ORA TE
■ PRO ■ EO ■ 1512 ■ /AR."

Als Leipziger Arbeiten gewinnen zwei Kelche
dieser Gruppe besonderes Interesse; der eine,
im Besitz der Nicolaikirche in Leipzig, der
sogenannte Hussiten-Kelch (Katalog Nr. 7)21)
weicht von dem Typus der vorgenannten Kelche
kaum ab; er trägt auf dem Fufs neben dem
Signaculum das Leipziger Beschauzeichen: L,
die Jahreszahl 1514 und eine gravirte Haus-
marke, wohl das Zeichen des Meisters; er ist
wohl das früheste Zeugniss für die Anwendung
des erst 1584 urkundlich genannten Beschau-
zeichens. (Rosenberg S. 197.)

Der andere Leipziger Kelch, der Kirche in
Dittmannsdorf gehörig (Katalog Nr. 10),M) ist
einige Jahrzehnte jünger; er weicht von dem
Typus ab, indem er in die Länge gezogen er-
scheint und die Kuppa eine spitze, leicht ge-
schweifte Form annimmt; er trägt wie der erste
Leipziger Kelch auch den Beschau neben dem
Signaculum, dazu den Meisterstempel mit den
Buchstaben C. W. übereinander in einem
Wappenschild.

Aufser diesen Kelchen der spätgothischen
Gruppe, die sich sämmtlich durch die Ueber-
einstimmung der äusseren Erscheinung, den
kräftigen Aufbau und die durchweg treffliche
technische Behandlung auszeichnen'; verdient
höchstens noch der Kelch von Bernbruch (Ka-
talog Nr. 13) eine Erwähnung, weil er von
der typischen Sechseckform abweicht; er zeigt
einen schmucklosen, runden Fufs, einen No-
dus in Gestalt einer ziemlich flachen Scheibe,

2°) Ebendort, S. 71.

21) Gurlitt, Heft 17/18, Stadt Leipzig, S. 504

-2) Steche, Heft 15, Borna, S. 1P.
 
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