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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Nüttgens, Heinrich: Das geistige Schaffen des Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0022

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2

könnte. Der Schüler, der nach jahrelangem Besuch der Zeichnen- und Mal-
klassen endlich in die Meisterklasse versetzt wird, um fertige Werke zu schaffen,
läuft Gefahr, bei dem Versuch der farbigen Skizze für ein Figurenbild hilflos zu
stehen, mitten in einem Wirrsal. Die Komposition, die Wahl einer Anordnung,
die Eingliederung in das Format, die Bildwirkung; lauter unerforschliche Tiefen,
die auf die Nerven fallen, zu entmutigen vermögen. In solchen Fällen wird es
erst recht die Aufgabe des Lehrers sein, zu beruhigen, zu ermuntern, aufzuklären,
anzuregen.

Da von allen Bildmalereien die Komposition und Durchführung eines reli-
giösen Vorwurfs wohl die meisten Schwierigkeiten bietet, weil es sich nicht um
eine der Natur abgelauschte Szene, sondern vielmehr um eine Darstellung ideal-
sten Inhaltes handelt, so dürfte zunächst hieran die Erwägung zu knüpfen sein.
Kommt ein Auftrag für eine Kirche in Frage, oder ein Altarbild oder eine
Reihe von Wandgemälden, so wird der Maler zunächst den Raum und dessen
Lichtverhältnisse zu prüfen haben, mögliche Pläne in Erwägung nehmend und
was etwa ausführbar erscheinen sollte, aussondernd. — Über die sich ergebenden
Ideen werden dann Auftraggeber und Künstler sich zu verständigen haben, gern
die Rat- und Vorschläge beachtend, welche der Theologe in diesem Rahmen zu
stellen hat. Das Eingehen auf diese Wünsche, das Erfassen der Zweckdienhch-
keit und das Forschen nach den verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten und
-arten werden dann den Künstler weiter treiben und inspirieren. — Würden
in diesem vorbereitenden Stadium, was leicht der Fall sein könnte, Wünsche laut,
deren Ausführung weit über die Ausdrucksmittel der Malerei hinausgehen, also
etwa Verbindungen, die im besten Sinne gegeben, Erzählungen von Handlungen
wären, so müßte einschränkend darauf hingewiesen werden, daß nur einzelne
Momente Gegenstand einer bildlichen Darstellung sein können. — Auch müßten,
um der Hauptsache Geltung zu verschaffen, des öfteren auf an sich wünschens-
werte Bereicherungen verzichtet werden, da das gegebene Raummaß solche
Durchführung nicht gestattet. — Sind mehrere Wandgemälde nebeneinander zu
stellen, so erfordert die Auswahl der Darstellungen große Überlegung zur Er-
reichung der harmonischen Füllung jeder Fläche bei gleicher Figurengröße, so
daß es einer Einigung bedarf, also einer Anpassung, wie des Künstlers an die
Idee, so des Bestellers an die Besonderheit der malerischen Darstellungsmöglich-
keit. In solchen Fällen wird der Künstler wie die Fähigkeit so die Bereitwillig-
keit haben, mit wenigen Strichen den Aufbau zu skizzieren und durch sie, seiner
Empfindung gemäß, klar zu stellen, was mit vielen Worten nicht zu begründen
wäre. — Auch die örtlichen Verhältnisse, insoweit namentlich Beleuchtung und
Umgebung in Frage kommen, drängen unter Umständen zu einer näheren Ver-
ständigung, insofern nämlich eine helle oder dunkle oder flache Farbenwirkung
zu wählen sei.

Sind so die Gedanken bereitet, die Ideen gefaßt, die Vorstellungen genährt,
so wird die Begeisterung der neuen Aufgabe sich bemächtigen und die Phan-
tasie befruchten. Mancherlei Skizzen mit Feder oder Blei werden versuchen,
die Vorstellungen festzulegen, zu verändern, zu verbessern, bis das Gewollte,
das Zusagende erreicht erscheint. — Gerade diese Beschäftigung ist ohne Zweifel
von der größten Bedeutung, die Kraft und Triebfeder für die langdauernde Aus-
führung, und die höhere gläubige Auffassung; der Wunsch, das Bedürfnis, hier
 
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