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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Witte, Karl: Die Monstranz der St.Gertrudiskirche zu Essen
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Wurm, Alois: Die Entstehung des nazarenischen Heiligentypus
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0035

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 3/4

liehen Werke des Münsterschatzes vor Augen. Es läßt sich mit Leichtigkeit nach-
weisen, wie hier und in anderen Einzelheiten unsere Monstranz sich an ältere
Vorbilder anlehnt, ohne jedoch sich sklavisch zu binden. Alles ist vielmehr un-
vergleichlich schwungvoller und schöner gestaltet.

Das zeigt auch der obere Aufbau der Monstranz. Auf einer stark profilierten
Platte ruht das hochragende Strebewerk. Nach unten wachsen zwei Voluten
aus, wahre Prachtstücke der Goldschmiedekunst. Widder, recht realistisch
dargestellt, in Weinlaub verstrickt, vielleicht ein symbolischer Hinweis auf das
hl. Opfer; ä-jour gearbeitetes reiches Rankenwerk umrahmt den unteren Teil
des Glaszylinders. Das doppelte Strebesystem ist außerordentlich fein durch-
gearbeitet und verrät vor allem die klare Zergliederung in der reichen Bekrönung.
Kräftige Wasserspeier und figürliche Darstellungen dienen zur Belebung des
Aufbaues. Seitwärts stehen auf Säulchen Petrus und Paulus, zwischen den
Strebepfeilern Christophorus und Sebastianus, beide angelehnt an hochragende
Eichenstämme. Oberhalb des Glaszylinders erhebt sich auf einem fem gegliederten
Sockel als Hauptfigur das Bild der Pfarrpatronin Gertrudis.

Die Monstranz findet ihren Abschluß in der Darstellung der allerheiligsten
Dreifaltigkeit. Über der hl. Gertrudis schwebt der Hl. Geist; unter einem kleinen
Badachin aus Rankenwerk steht auf der Weltkugel der Heiland und auf der Spitze
Gott Vater. Ursprünglich wird der Abschluß ein anderer gewesen sein. Er fällt
doch zu sehr aus dem Rahmen des Aufbaues heraus, wiewohl er für sich originell
erdacht ist.

Es ist bereits die Vermutung ausgesprochen worden, daß die Monstranz der
St. Gertrudiskirche das Werk eines einheimischen Essener Künstlers sei. Als
sicher möchte der Verfasser hinstellen, daß von demselben Goldschmied die
bekannte Agraffe des Münsterschatzes stammt. Ein Vergleich zwischen beiden
Arbeiten zeigt offenbar dieselbe Künstlerhand. — Leider besitzt der Münsterschatz
aus derselben Zeit kein weiteres Werk der Goldschmiedekunst, so daß etwa da-
durch auf den Namen des Künstlers mit Sicherheit geschlossen werden könnte.
Essen. Karl Witte, Kaplan.

DIE ENTSTEHUNG DES NAZARE--
NISCHEN HEILIGENTyPUS.

(Mit 2 Abbildungen.)

\ Y /ir haben uns alle an die Heihgengestalten mit den etwas schlanken
\/\/ Körpern und sanft - frommen Seelen gewöhnt, die bis in die letzte
* » Zeit und noch in der letzten Zeit gemalt, auf unsere Altäre gestellt
oder als Drucke tausendfältig unter das Volk gebracht wurden. Fragen wir
uns: wann ist dieser Typus aufgekommen? Man wird geneigt sein zu ant-
worten : Dies ist das Erbe der Nazarener. Wenn man die mild-fromm emp-
findungsvolle Kopfneigung einer Madonna von Overbeck oder das sanfte lieb-
liche Bewegen und Neigen der Heiligen von Steinle oder eine innerlich sinnend
wandelnde hl. Jungfrau von Führich sich vor Augen hält, wird man darin
gewiß die nächste Quelle dieses Typs finden dürfen. Aber wenn man von der be-
sonderen Note einer neudeutschen Innigkeit absieht und den Typus der von einem
 
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