Nr. 3 4__________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.____________23
frommen Seelenrhythmus sanft und lieblich bewegten, sonst in ihrem körperlichen
Sein, insbesondere in der Greifbarmachung der Körperformen wenig betonten
heiligen Gestalten ins Auge faßt, wird man gleich ins Mittelalter heruntergeführt.
Soll aus hundert ein Beispiel genannt werden, das im Kopfe aller ist, so sei an das
Lochnersche Dreikönigsbild erinnert. Freilich, hier müssen wir noch mehr die be-
sondere Seelentiefe und den warmen Seelenglanz der deutschen Abwandlung
dieses Typus in Abzug bringen. Der Typ selber aber ist älter.
über die Schwelle des Christentums zurück geht freilich diese Art von Menschen-
gestaltung nicht. Die Antike hat kein Menschengebilde geschaffen, das in seinem
ganzen Rhythmus von einer milden, frommen Seelenwelle beherrscht worden wäre,
die aus dem Innern, dem Innerlichen emporgestiegen. Der herrschende Rhythmus
der antiken Menschen ist immer körperlich, physisch. Die Empfindung der Seele,
auch die religiöse, kann sich damit verbinden, sogar wie organisch verbinden.
Dennoch — der Rhythmus bleibt wesentlich körperlich. Wir können das an Dutzend
Beispielen der ersten christlichen Jahrhunderte ersehen, in denen der neue, weit-
abgewandte Geist des Christentums sich in der Kunst ausprägen wollte und mußte
und doch so lange den Bann jenes physischen Rhythmus nicht zu sprengen wußte.
Die äußerste, in Wirklichkeit auch gezogene Konsequenz war die volle Entkörper-
lichung des Naturmenschen und die Schaffung eines neuen unkörperlichen Rhythmus
aus dem Geist und Durchfühlen einer objektiven, höheren, jenseitigen Welt heraus.
Wer sich an die „byzantinischen" Heihgenpaare und -reihen erinnert, deren Füße
keinen Körper mehr zu tragen haben, deren Körper eine ruhevolle Ordnung paralleler
Gewandfalten sind, deren gleichförmige Arm- und Händehaltung von einer hinter
ihnen webenden sakralen Musik diktiert erscheint, der weiß, was hier gemeint ist.
Nur in den Köpfen glüht und leuchtet noch ein persönlicheres Leben, aber auch
dieses wie aus fremden, ewigen Tiefen heraufgeholt. Freilich, als das Christentum
im VI. Jahrh. in diesem Typus sich in einer folgerichtigen Verinnerlichungs-
bewegung zum erstenmal künstlerisch vollendet hatte, da erhielten diese Heihgen-
köjjfe allmählich einen gleichmäßig fromm kindlichen Ausdruck, der fraglos ein
wichtiges Element für das Entstehen des mild-frommen Heiligent^ps bilde', den
wir verfolgen. Alles körperliche Leben fehlte nach wie vor, ja selbst der objektive
heilige Rhythmus, der sich ursjjrünghch dann niedergeschlagen, wurde] nicht
selten zu einem dekorativen Liniensystem. Es drückte sich nichts Seelisches mehr
dann aus.
Allein dieser entleibte und vennnerlichte heilige Typus kam in der Christenheit
niemals zur ausschließlichen Herrschaft. Der antike Kunstgeist, wie er in tausend
Werken noch allenthalben sichtbar war, übte, wenn auch in noch so geschwächter
Weise, seine Gewalt fort. Wenigstens insoweit, daß er ein persönliches Lebens-
gefühl in der christlichen Kunst erhalten half. Dazu bedarf es in irgendeinem
Maße und in irgendeiner Weise des Körpers. Die christliche Seele mußte sich
seiner bedienen, um den neuen seelischen Lebensrhythmus zum Ausdruck zu
bringen, der in ihr sang. Die Bewegung, die von der Welt weg nach innen und in die
ewige jenseitige Welt ging, die den Körper verachtete, ihn künstlerisch vernichtete,
war doch nicht zum vollen, dauernden, unwidersprochenen Siege gelangt. Neben
ihr und zum Teil aus ihr entfaltete sich eine andere Bewegung, die eben zu einem
neuen Lebensgefühl drängte. Das alte antike wurde in seiner geistig-seelischen
Bestimmtheit allerdings von beiden überwunden. Es war zu naturverwurzelt,
frommen Seelenrhythmus sanft und lieblich bewegten, sonst in ihrem körperlichen
Sein, insbesondere in der Greifbarmachung der Körperformen wenig betonten
heiligen Gestalten ins Auge faßt, wird man gleich ins Mittelalter heruntergeführt.
Soll aus hundert ein Beispiel genannt werden, das im Kopfe aller ist, so sei an das
Lochnersche Dreikönigsbild erinnert. Freilich, hier müssen wir noch mehr die be-
sondere Seelentiefe und den warmen Seelenglanz der deutschen Abwandlung
dieses Typus in Abzug bringen. Der Typ selber aber ist älter.
über die Schwelle des Christentums zurück geht freilich diese Art von Menschen-
gestaltung nicht. Die Antike hat kein Menschengebilde geschaffen, das in seinem
ganzen Rhythmus von einer milden, frommen Seelenwelle beherrscht worden wäre,
die aus dem Innern, dem Innerlichen emporgestiegen. Der herrschende Rhythmus
der antiken Menschen ist immer körperlich, physisch. Die Empfindung der Seele,
auch die religiöse, kann sich damit verbinden, sogar wie organisch verbinden.
Dennoch — der Rhythmus bleibt wesentlich körperlich. Wir können das an Dutzend
Beispielen der ersten christlichen Jahrhunderte ersehen, in denen der neue, weit-
abgewandte Geist des Christentums sich in der Kunst ausprägen wollte und mußte
und doch so lange den Bann jenes physischen Rhythmus nicht zu sprengen wußte.
Die äußerste, in Wirklichkeit auch gezogene Konsequenz war die volle Entkörper-
lichung des Naturmenschen und die Schaffung eines neuen unkörperlichen Rhythmus
aus dem Geist und Durchfühlen einer objektiven, höheren, jenseitigen Welt heraus.
Wer sich an die „byzantinischen" Heihgenpaare und -reihen erinnert, deren Füße
keinen Körper mehr zu tragen haben, deren Körper eine ruhevolle Ordnung paralleler
Gewandfalten sind, deren gleichförmige Arm- und Händehaltung von einer hinter
ihnen webenden sakralen Musik diktiert erscheint, der weiß, was hier gemeint ist.
Nur in den Köpfen glüht und leuchtet noch ein persönlicheres Leben, aber auch
dieses wie aus fremden, ewigen Tiefen heraufgeholt. Freilich, als das Christentum
im VI. Jahrh. in diesem Typus sich in einer folgerichtigen Verinnerlichungs-
bewegung zum erstenmal künstlerisch vollendet hatte, da erhielten diese Heihgen-
köjjfe allmählich einen gleichmäßig fromm kindlichen Ausdruck, der fraglos ein
wichtiges Element für das Entstehen des mild-frommen Heiligent^ps bilde', den
wir verfolgen. Alles körperliche Leben fehlte nach wie vor, ja selbst der objektive
heilige Rhythmus, der sich ursjjrünghch dann niedergeschlagen, wurde] nicht
selten zu einem dekorativen Liniensystem. Es drückte sich nichts Seelisches mehr
dann aus.
Allein dieser entleibte und vennnerlichte heilige Typus kam in der Christenheit
niemals zur ausschließlichen Herrschaft. Der antike Kunstgeist, wie er in tausend
Werken noch allenthalben sichtbar war, übte, wenn auch in noch so geschwächter
Weise, seine Gewalt fort. Wenigstens insoweit, daß er ein persönliches Lebens-
gefühl in der christlichen Kunst erhalten half. Dazu bedarf es in irgendeinem
Maße und in irgendeiner Weise des Körpers. Die christliche Seele mußte sich
seiner bedienen, um den neuen seelischen Lebensrhythmus zum Ausdruck zu
bringen, der in ihr sang. Die Bewegung, die von der Welt weg nach innen und in die
ewige jenseitige Welt ging, die den Körper verachtete, ihn künstlerisch vernichtete,
war doch nicht zum vollen, dauernden, unwidersprochenen Siege gelangt. Neben
ihr und zum Teil aus ihr entfaltete sich eine andere Bewegung, die eben zu einem
neuen Lebensgefühl drängte. Das alte antike wurde in seiner geistig-seelischen
Bestimmtheit allerdings von beiden überwunden. Es war zu naturverwurzelt,