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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Heimann, Albert: Freund Schnütgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0129

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Nr. 11 12__________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.__________]J3

FREUND SCHNÜTGEN.

Wenn dieses Heft der „Zeitschrift für christliche Kunst" dem Begründer
dieser unter seiner persönlichen Oberleitung durch über 30 Jahre ohne
Unterbrechung erschienenen Blätter als Abschiedsgruß gewidmet sein
soll, dann darf über dem frommen Priester und dem begeisterten Kunstsammler
auch der Freund Schnütgen nicht vergessen werden.

Wer je dem Manne mit dem großen klaren Auge, dem aufgeschlagenen Herzen
und dem goldenen Gemüte einmal näher getreten ist und mit ihm einige Stunden
verplaudern durfte, wird sich derselben stets gern erinnert haben. Wem es aber,
wie mir, vergönnt war, mit Schnütgen während voller 35 Jahre freundschaftlich
zu verkehren und mit ihm über alle möglichen Fragen des Lebens Gedanken und
Ansichten auszutauschen, dem wird das Bild dieses Freundes leuchtend vor Augen
bleiben, und sein Entschwinden eine große Lücke zurücklassen.

Als ich anfangs der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zuerst in der
Familie meines Schwiegervaters mit dem damaligen Domvikar Schnütgen in nähere
Berührung kam, wohnte er in einer bescheidenen Domkurie, die räumlich zu dem
stattlichen und sehr starken Hausherrn in schlechtem Verhältnis stand. Schon
war der Grundstock zu der späteren großen Sammlung Schnütgen gelegt und von
den Wänden und aus den Ecken der bescheidenen, aber trauten Wohnung grüßten
die zusammengetragenen Schätze christlicher Kunst aller Jahrhunderte den Be-
suchern entgegen. Wie begeisterte sich der Sammler Schnütgen, wenn man ihn
nach dem Herkommen oder der Sonderheit dieses oder jenes Gegenstandes frug;
wie mußte man über sein Gedächtnis und seine Geistesgegenwart staunen, wenn
er, von der gestellten Frage ausgehend, von seinen Reisen erzählte, bei denen jede
Tagesstunde und manche nächtliche Fahrt genau eingeteilt war, und auf welchen
er die Bekanntschaft so vieler hochstehender Persönlichkeiten und geistig bedeuten-
der Männer gemacht hat. Und wenn er dann in der Erinnerung an die Vergangen-
heit schwelgte und mit einem schier fabelhaften Gedächtnis über Einzelheiten
berichtete, die sich an seine mannigfache Tätigkeit als Beurteiler und Sachver-
ständiger bei der Zeitbestimmung aufgefundener Kunstgegenstände knüpfte, oder
über die Wiederherstellung von Gotteshäusern und Kunstdenkmälern, bei der man
sich seinen Rat und seine Erfahrenheit erbat, oder über Erinnerungen an seine
Vaterstadt Steele und an seine Schul- und Studentenzeit erzählte, dann leuch-
teten seine Augen und unversiegt floß der Quell seiner Rede, vom Hundertsten
ms Tausendste überspringend, dahin. War es zu verwundern, daß sich eine große
Zahl von Männern aus allen Berufsständen zu ihm hingezogen fühlte, und daß
sein bescheidenes Haus Jahre hindurch derTrerfpunkt eines auserlesenen Freundes-
kreises gewesen ist? Da kannte er keinen Unterschied zwischen Katholik und
Andersgläubigen, wenn er auch stets sich in jeder Hinsicht und in allen Fragen
streng auf den katholischen Boden stellte und seine Glaubenslehre verteidigte.
Aber wer bei ihm eingeführt war und an wem er Gefallen hatte, der war ihm zu
jeder Stunde willkommen; wenn er abends beim Plaudern sich erhob, und auf den
mit lauter Stimme erfolgten Ruf „Therese" seine treue Nichte und Hausgenossin
eine Flasche seines geliebten „Ockenheimer" hereinbrachte, dann verflogen die
Stunden, und es kam vor, daß die Uhr den Gastgeber Schnütgen daran
 
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