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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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An Schnütgens Grab
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0158

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142

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr

12

AN SCHNQTGENS GRAB.

Schwerfällig und bedächtig krochen die letzten Nachzügler satter Regen-
wolken über die saarländischen Berge; müde legten sie sich in die fast
blattlosen Baumkronen der Buchenwälder auf den Höhen. Talergroße
Schneeflocken waren am Abend vorher niedergegangen, und regenschwanger
lastete am Morgen grauer Dunst auf der sonst so schönen Landschaft.

In endlosen Zügen flutete die deutsche Armee durch die Heimattäler zurück;
wie von Tränen schwer hingen fast regungslos die bunten Fahnen aus den Dach-
luken nieder, und die bunten Papiergirlanden baumelten verregnet an den Ehren-
pforten, die man den heimziehenden Truppen errichtet hatte. Die ganze Natur
schien niedergeschlagen und zu trauern.

In diese allgemeine Allerseelenstimmung paßte die Beisetzung Alexander
Schnütgens hinein.

Welch' ein Gegensatz: Dort war die Leiche aufgebahrt in dem vom Toten
errichteten Schwesternhause, umgeben von einer dezenten, aber vornehmen
Trauerdekoration; schlichte Schwestern und biedere Landleute im Sonntagsstaat
legten ihre letzten Gebetsgrüße am Sarge nieder. Und das in einem Erdenwinkel
weitab vom Betriebe der Welt, inmitten stiller, rauher Berge. Und doch : auf zwei
Kissen neben dem Sarge funkelten Kreuze und Sterne höchster Orden, durch
deren Verleihung die Fürsten des Reiches den Toten einmal ehren zu müssen
glaubten. Riesenkränze mit seltenen Blumen und riesigen Seidenschleifen leuch-
teten aus dem Schwarz der Trauer-
dekoration hervor; rote Prälaten-
gewänder flammten auf am Fußende
des Sarges. Die große Metropole
am Rhein hatte ihre Vertreter ge-
sandt, und ihr Führer sprach herz-
liche und erhabene Worte von Trauer
und Verehrung und von Dank der
halben Million Bewohner Kölns;
von der Trauer über den Verlust
eines der besten und bedeutendsten
Bürger, von der Verehrung weitester
Kreise auch über den Tod hinaus,
von dem Dank der Gesamtheit für
das Große, das der Tote für Stadt
und Volk und Kirche in seinem
Leben geleistet. Er, der Tote selbst,
er wollte an seinem Grabe den Pomp
nicht sehen, der die Gräber der
Großen zu umgeben pflegt; wo sei-
ner Väter Wiege stand, in den rauhen
saarländischen Bergen wollte er
sein Grab, wo ein langer, harter Win-
ter herbe Worte spricht und harte
herbe Leute zieht, wo aber auch ein SAnütgens Grabkapelle in Listepiohl i. Westf.
 
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