14
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 2
so erwogen, daß er auch den Beschauer zu ergreifen vermag für den Hergang
und die Fortsetzung. Daher ist auch die Wahl der Ortlichkeit, in der die Hand-
lung sich vollzieht, von großer Bedeutung. Der Maler von Führich zeigt in vielen
seiner Bilder ein außerordentliches Geschick, durch die Wahl eines Momentes
unser Interesse anzuregen. So sehen wir bei einem derselben die Jünger auf dem
Wege nach Emaus in ihrer Trauer und Bedrängnis. Der Heiland geht ihnen
nach, und in seiner ganzen Hal-
tung leuchtet die Liebe, mit der
er ihnen folgt; wir meinen schon
die Gespräche zu hören, wie er
ihnen gleich darauf die Heilige
Schrift erklärt. Ein solcher Mo-
ment bietet viel mehr als die
Darstellung des Gespräches.
Eduard von Gebhardt malt bei
der Hochzeit zu Kanaan die Be-
grüßung und Gratulation des
Brautpaares, das mit vielem
Gefolge und zahlreichen Musi-
kanten in den Festsaal zieht, in
dem der Küfermeister eine voll-
ständige Nebenfigur ist. So er-
scheint die Hauptsache zurück-
gedrängt zugunsten eines genre-
haften Vorwurfs, da es dem
Maler in erster Linie darauf
ankam, die hohe Bedeutung der
Ehe zu betonen, zugleich eine
gute Gelegenheit zu haben für
die Anbringung der charakte-
ristischen Figuren.
Diese beiden Beispiele habe
ich nur herausgezogen, um an-
zudeuten, wie verschieden die
momentane Darstellung aufge-
faßt und dargestellt werden kann.
Eine bestimmte Zahl der Per-
sonen, ihre Beziehungen unter-
einander sind weitere Anregungen zu skizzenhaften Entwürfen, wie das Einpassen
derselben in das gegebene Format und die allgemeine Silhouette. — Die Wahl der
Gewandung ist oft ein Streitpunkt bei religiösen Bildern. Weil die Hl. Schrift in
diesen äußerlichen Fragen auf alle Hinweise verzichtet, glaubt auch jedes Volk und
jede Zeit das große erhabene Wirken des göttlichen Heilandes nach Maßgabe
seines Empfindens, seiner eigenen Verhältnisse und Gepflogenheiten sinnbildlich
wiedergeben zu dürfen. Wir malen in erster Linie zum Verständnis im eigenen
Volke. Die Charaktere, die uns in der Hl. Schrift vorgestellt werden, setzen wir
in Verbindung mit uns selbst, vergleichen sie mit unseren Mitmenschen und als
Abb 2.
Eine Gewandstudie.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 2
so erwogen, daß er auch den Beschauer zu ergreifen vermag für den Hergang
und die Fortsetzung. Daher ist auch die Wahl der Ortlichkeit, in der die Hand-
lung sich vollzieht, von großer Bedeutung. Der Maler von Führich zeigt in vielen
seiner Bilder ein außerordentliches Geschick, durch die Wahl eines Momentes
unser Interesse anzuregen. So sehen wir bei einem derselben die Jünger auf dem
Wege nach Emaus in ihrer Trauer und Bedrängnis. Der Heiland geht ihnen
nach, und in seiner ganzen Hal-
tung leuchtet die Liebe, mit der
er ihnen folgt; wir meinen schon
die Gespräche zu hören, wie er
ihnen gleich darauf die Heilige
Schrift erklärt. Ein solcher Mo-
ment bietet viel mehr als die
Darstellung des Gespräches.
Eduard von Gebhardt malt bei
der Hochzeit zu Kanaan die Be-
grüßung und Gratulation des
Brautpaares, das mit vielem
Gefolge und zahlreichen Musi-
kanten in den Festsaal zieht, in
dem der Küfermeister eine voll-
ständige Nebenfigur ist. So er-
scheint die Hauptsache zurück-
gedrängt zugunsten eines genre-
haften Vorwurfs, da es dem
Maler in erster Linie darauf
ankam, die hohe Bedeutung der
Ehe zu betonen, zugleich eine
gute Gelegenheit zu haben für
die Anbringung der charakte-
ristischen Figuren.
Diese beiden Beispiele habe
ich nur herausgezogen, um an-
zudeuten, wie verschieden die
momentane Darstellung aufge-
faßt und dargestellt werden kann.
Eine bestimmte Zahl der Per-
sonen, ihre Beziehungen unter-
einander sind weitere Anregungen zu skizzenhaften Entwürfen, wie das Einpassen
derselben in das gegebene Format und die allgemeine Silhouette. — Die Wahl der
Gewandung ist oft ein Streitpunkt bei religiösen Bildern. Weil die Hl. Schrift in
diesen äußerlichen Fragen auf alle Hinweise verzichtet, glaubt auch jedes Volk und
jede Zeit das große erhabene Wirken des göttlichen Heilandes nach Maßgabe
seines Empfindens, seiner eigenen Verhältnisse und Gepflogenheiten sinnbildlich
wiedergeben zu dürfen. Wir malen in erster Linie zum Verständnis im eigenen
Volke. Die Charaktere, die uns in der Hl. Schrift vorgestellt werden, setzen wir
in Verbindung mit uns selbst, vergleichen sie mit unseren Mitmenschen und als
Abb 2.
Eine Gewandstudie.