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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Nüttgens, Heinrich: Das geistige Schaffen des Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0027

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Nr. 2

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

17

Niederschlag desjenigen, was vorhergegangen ist. Sie ist in der Regel rasch aus-
geführt und gestattet nunmehr auch dem leiblichen farbenempfindenden Auge
ein Urteil, bildet zugleich die Grundlage für die abschließende Verständigung,
wenn es einer solchen noch bedürfen sollte.

Aus dem Überblicke über die Vorarbeiten aber ergibt sich, daß der Künstler
bereits eine Menge geistiger Arbeit geleistet hat in freudiger Begeisterung, weil
in der Voraussetzung, daß sie nicht vergebens aufgeboten sei, also der endgültige
Auftrag nicht ausbleibe. — Sollte ihm trotzdem diese Enttäuschung zuteil werden,
so dürfte Entschädigung unter keinen Umständen unterbleiben, auch nicht bei
Konkurrenzen. Und sollte bei ihnen erst nach erfolgter Tätigkeit eine Absage
erfolgen, wie wiederholt geschehen auf kirchlichem wie auf profanem Gebiet,
so läge darin nicht nur eine Rücksichtslosigkeit, sondern ein Unrecht.

Nunmehr wird die Fortsetzung und der Ab-
schluß der Vorstudien zu behandeln sein, inso-
weit sie namentlich auch die geistige Tätigkeit
beanspruchen und auch die Zeichnung des
Kartons in Bildgröße umfassen.

Ausdruck und Bewegung der Figuren fallen
hier vor allem ins Gewicht, an Geist und Auge
und Hand des Künstlers die größten Anforde-
rungen stellend. Und da muß zunächst ganz
besonders betont werden, daß der Künstler die
einzelnen Bewegungen so empfindet, als hätte er
sie selber auszuführen. — Als Musterbild gerade
in dieser Hinsicht, also der für das Gesten- und
Mienenspiel aufgebotenen Bemühungen und
Veranstaltungen darf mein verehrter Lehrer von
Gebhardt gepriesen werden. In zwei gegenüber-
gestellten großen Spiegeln versuchte er zuerst
eingehend die Bewegungen an sich selbst. Ge-
lang es ihm dann nicht recht, den erstrebten
Akt in das Modell hineinzutragen, so versuchte er ihn nochmals an sich selber,
und wenn auch dieser Versuch ihn nicht befriedigte, so zog er mich als einen
früheren „Meisterschüler" heran, um ihn selber in den betreffenden Stellungen
zu skizzieren und auf Grund dieser Skizze sein Modell in die gewünschte
Lage zu bringen. Auch hat wohl jeder seiner Schüler ihm hierbei aushilfs-
weise Modell gestanden. Dieses ganze große Aufgebot von Geschick und
Arbeit und Mühe verdient die höchste Anerkennung, als die Quelle des
Lebens, weil der Wechsel in den Gestaltungen, die Bewunderung heraus-
fordern, als die Ausgeburten seines Temperamentes, mag dieses auch manchen
zu lebhaft sein; er gibt sich eben, wie er ist. — Die nun folgenden Gewand-
studien erfordern eine sehr geschickte Legung, damit die Faltenlinien die Be-
wegung verstärken, deren Fluß im harmonischen Spiel Ausdruck findet. Und
sehr anstrengend ist die Arbeit, die der Künstler hierbei zu leisten hat, weil die
Ausführung der Falten und kleinen Brüche in kurzer Zeit zu bewerkstelligen ist.
Da nämlich auch ein geübtes Modell in höchstens zwei Stunden eine absolut
ruhige Haltung der Glieder zu leisten vermag, so ist nicht nur rastloses, sondern

Abb. 4.

Kopfstudie.
 
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