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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Hasak, Max: Mittelalterliche Hilfslinien beim Entwerfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0062

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Nr. 5/6

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

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sicherlich auf das Auge beruhigender, als wenn das Auge blitzartige Zickzacklinien
durchlaufen muß. Hierzu treten die Bögen über den Öffnungen oder den Flächen.
Auch diese haben ihre ganz bestimmten Richtungslinien. Man sieht von selbst,
ob ein Bogen flacher oder steiler ist. Dies gibt die Verbindungslinie der Kämpfer-
punkte mit dem Scheitel an. — Des Rundbogens Richtungslinie steigt unter 45°
an, es ist die Seite eines rechtwinklig-gleichschenkligen Dreiecks. Der Spitz-
bogen der Frühgotik, dessen Mittelpunkte die Standlinie in drei gleiche Teile
teilen, l'arc en tierspoint, der Bogen im Drittelpunkt, umschreibt ein Dreieck,
dessen Grundlinie vier Teile und die Höhe zweieinhalb Teil beträgt, das ist das
sogenannte ägyptische Dreieck, das den Querschnitt der Pyramiden bilden soll.
Der Spitzbogen der Hochschiffswände des Kölner Domes, d.h. der der Hochgotik,
umschreibt ein gleichseitiges Dreieck. Schließlich steigt der Spitzbogen so hoch,
daß seine Höhe gleich der Breite ist; dann läßt sich natürlich ein Quadrat um ihn

Abb. 3.

Frühgotisch. Dom zu Köln.

Abb. 4.

Dom von Mailand. Querschnitt mit den Hilfslinien

nach Stornalocho.

beschreiben. Beginnen wir mit einem romanischen Querschnitt, nämlich mit dem
der Liebfrauenkirche zu Magdeburg (Abb. 1). Derselbe ist zu frühgotischer Zeit
überwölbt worden. Vorher hatte er wagerechte Holzdecken. Sein Mittelschiff ist
doppelt so breit als seine Seitenschiffe. Dann ergeben die Richtungslinien unter
45° die Höhen des Mittelschiffes wie der Seitenschiffe. Und die Rundbögen
gegen das Kreuzschiff ordnen sich ebenfalls in diese Richtungslinien ein. Das
Fleisch um dieses Knochengerüst, also Mauern, Säulen und Bögen, werden nun
rechts und links von den Senkrechten usw. gleichmäßig angetragen. Die Rich-
tungslinien setzen unten auf den Sockeln an. Abb. 2 zeigt den Querschnitt des
Straßburger Münsters ganz ebenso entstanden auf Grund der Richtungslinien
des frühgotischen Spitzbogens, also nach dem „ägyptischen Dreieck". Denn
Dreiecke entstehen natürlich, wenn man auch die Richtungslinien der anderen
Seite einzeichnet. Aber die Dreiecke an und für sich haben mit der Schönheit
nichts zu tun, nur die gleiche Richtung der Bögen und der Offnungen darunter
bewirkt die Ruhe im ganzen Raum, da diese Richtungslinien in jedem Joch vor-
handen sind, also sich in Ebenen einordnen. Das Antragen des Fleisches hat
hier in Straßburg wie am Kölner Dom (Abb. 3) so stattgefunden, daß die Stärke
 
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