Nr. 5/6
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
55
Während das von dem gelehrten Forscher J. Hachet seit Jahren vorbereitete
große Werk über die Basilika noch immer nicht zustande gekommen und jetzt
vielleicht für immer unmöglich gemacht ist, hat der gelehrte Franziskanerpater
Professor Dr. Raymund Dreiling, der fast drei Jahre in St. Quentin lag, ihr wäh-
rend des Krieges eine in schon zweiter erweiterter Auflage vorliegende Darstel-
lung, die erste kunsthistorische Würdigung gewidmet".
Als im Frühjahr 1917 bei der Rücknahme der deutschen Front auf die Sieg-
friedstellung St. Quentin von der französischen Bevölkerung geräumt werden
mußte, sind nicht nur aus der Stadt die wertvollsten Stücke der Museen und
der Bibliothek unter sachverständiger Leitung auf Veranlassung des Armee-
oberkommandos abgeführt worden, sondern es mußten auch aus der Kathedrale
die wertvollen Ausstattungsstücke in Sicherheit gebracht werden. Noch während
die Beschießung im Gange war, ist unter Leitung deutscher Kunsthistoriker bis
in den Mai hinein mit der Herausnahme der kostbaren frühgotischen und Re-
naissance-Glasmalereien aus dem Bau fortgefahren worden, die jetzt sicher ge-
borgen in Maubeuge ruhen, während die in St. Quentin zurückgebliebenen Reste
längst zerrissen und zerfetzt sind. Unterdessen aber hatte schon die Zerstörung
des Baues begonnen'. Die französische Artillerie von Süden, die englische von
Norden haben seit Beginn der Beschießung die hochgelegene Kathedrale von
St. Quentin zum Zielpunkt genommen. Schon im Juni waren der Westbau und
die Südfront vielfach getroffen. Am 15. August ist dann im Laufe des verstärkten
Bombardements das Dach der Kathedrale in Flammen aufgegangen, der Dach-
stuhl ist ausgebrannt. Es schien, als ob zunächst das Innere noch gerettet werden
könnte. Noch hielten die Gewölbe, noch standen, wie bei der Kathedrale von
Reims, nach dem Brande die Giebel der Kreuzarme aufrecht. Aber die „Große
Verfallene", ,,la Giande Dela-
bree", wie die Franzosen sie
nannten, erwies auch hier, wie
ungesund, wie sehr durch man-
gelnde Baupflege geschwächt
1 Raymund Dreiling:
Die Basilika von St. Quentin, ihre
Geschichte und ihr Charakter,
St. Quentin 1916. — Die franzö-
sischen Forschungen faßt der kleine,
von J.Hachet herausgegebene Füh-
rer „LaBasilique de St.Quentin, sa
descnption, son histoire, St.Quentin
1909" am besten zusammen.
1 Über die Einzelheiten der
Zerstörung vgl. R. Dreiling,
Geschichte der Basilika von St.
Quentin im Weltkrieg und in der
Forschung, Im Felde 1917. —
(P. C 1 e m e n), Die Zerstörung
der Kathedrale von St. Quentin,
im amtlichen Auftrage zusammen-
gestellt, Berlin 1917 (beide auch in
französischen Ausgaben vorliegend).
Abb. 3. St. Quentin, Das Innere der Basilika im Januar 1918.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
55
Während das von dem gelehrten Forscher J. Hachet seit Jahren vorbereitete
große Werk über die Basilika noch immer nicht zustande gekommen und jetzt
vielleicht für immer unmöglich gemacht ist, hat der gelehrte Franziskanerpater
Professor Dr. Raymund Dreiling, der fast drei Jahre in St. Quentin lag, ihr wäh-
rend des Krieges eine in schon zweiter erweiterter Auflage vorliegende Darstel-
lung, die erste kunsthistorische Würdigung gewidmet".
Als im Frühjahr 1917 bei der Rücknahme der deutschen Front auf die Sieg-
friedstellung St. Quentin von der französischen Bevölkerung geräumt werden
mußte, sind nicht nur aus der Stadt die wertvollsten Stücke der Museen und
der Bibliothek unter sachverständiger Leitung auf Veranlassung des Armee-
oberkommandos abgeführt worden, sondern es mußten auch aus der Kathedrale
die wertvollen Ausstattungsstücke in Sicherheit gebracht werden. Noch während
die Beschießung im Gange war, ist unter Leitung deutscher Kunsthistoriker bis
in den Mai hinein mit der Herausnahme der kostbaren frühgotischen und Re-
naissance-Glasmalereien aus dem Bau fortgefahren worden, die jetzt sicher ge-
borgen in Maubeuge ruhen, während die in St. Quentin zurückgebliebenen Reste
längst zerrissen und zerfetzt sind. Unterdessen aber hatte schon die Zerstörung
des Baues begonnen'. Die französische Artillerie von Süden, die englische von
Norden haben seit Beginn der Beschießung die hochgelegene Kathedrale von
St. Quentin zum Zielpunkt genommen. Schon im Juni waren der Westbau und
die Südfront vielfach getroffen. Am 15. August ist dann im Laufe des verstärkten
Bombardements das Dach der Kathedrale in Flammen aufgegangen, der Dach-
stuhl ist ausgebrannt. Es schien, als ob zunächst das Innere noch gerettet werden
könnte. Noch hielten die Gewölbe, noch standen, wie bei der Kathedrale von
Reims, nach dem Brande die Giebel der Kreuzarme aufrecht. Aber die „Große
Verfallene", ,,la Giande Dela-
bree", wie die Franzosen sie
nannten, erwies auch hier, wie
ungesund, wie sehr durch man-
gelnde Baupflege geschwächt
1 Raymund Dreiling:
Die Basilika von St. Quentin, ihre
Geschichte und ihr Charakter,
St. Quentin 1916. — Die franzö-
sischen Forschungen faßt der kleine,
von J.Hachet herausgegebene Füh-
rer „LaBasilique de St.Quentin, sa
descnption, son histoire, St.Quentin
1909" am besten zusammen.
1 Über die Einzelheiten der
Zerstörung vgl. R. Dreiling,
Geschichte der Basilika von St.
Quentin im Weltkrieg und in der
Forschung, Im Felde 1917. —
(P. C 1 e m e n), Die Zerstörung
der Kathedrale von St. Quentin,
im amtlichen Auftrage zusammen-
gestellt, Berlin 1917 (beide auch in
französischen Ausgaben vorliegend).
Abb. 3. St. Quentin, Das Innere der Basilika im Januar 1918.