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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
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bauten zu Groningen und zu Goslar, vielleicht auch zu Nimwegen, nicht mit voller
Sicherheit behaupten, daß die Baumeister die Absicht gehegt hätten, die Pfalz-
kirche zu Aachen nachzuahmen-1. Wenn es gewünscht wird, einen Zentralbau zu
schaffen, so liegt es am nächsten, diesen entweder rund oder im Acht-, bzw. Viel-
eck zu gestalten, und wenn ihm Emporen und Aufgänge und mit diesen ein
Glockenturm zugefügt werden soll, den Turm quadratisch oder rechteckig anzu-
legen und die Treppen entweder aus der Mauermasse auszusparen oder dem
Turme runde oder vielseitige Treppentürme beizufügen. Quadratische Türme
mit runden oder vielseitigen Treppentürmen begegnen uns daher nicht allein
in Aachen und anderen Zentralbauten, sondern auch an sehr vielen alten Ba-
siliken, so in Paderborn, Freckenhorst, Magdeburg (Marienkirche), Brenz in
Schwaben, Münstermalfeld, Münstereifel, Köln (Apostelnkirche), Maastricht und
Thorn in Holland, Celles und Hastiere a. d. Maas, ur-
sprünglich auch in Gernrode und wahrscheinlich in St.
Trond bei Lüttich. Treppenanlagen genannter Art ge-
hören zu den einfachsten Lösungen, die jeder nur einiger-
maßen erfahrene Baumeister, ohne äußere Anregung, ohne
Vorbild zu scharren imstande ist. Es können überhaupt
ähnliche Bauten entstehen, ohne daß im mindesten eine
Nachahmung oder Anlehnung beabsichtigt ist. Umge-
kehrt kann vom Auftraggeber die Nachahmung eines
älteren Bauwerkes, das seinen Beifall gefunden hat, ge-
wünscht werden, bei der Ausführung aber aus örtlichen
bzw. praktischen Gründen eine Abweichung, sogar eine
wesentliche Abweichung wünschenswert oder notwendig
werden. Dies zeigt sich auch bei einer anderen Bau-
gruppe in auffallender Weise. Viel mehr als die Aachener
Pfalzkirche hat im Mittelalter die Kirche des heiligen
Grabes zu Jerusalem den Wunsch "zu Nachahmungen
geweckt. In Erinnerung an diese Kirche entstanden
infolge der zahlreichen Pilgerfahrten und besonders
der Kreuzzüge in Italien, Frankreich und Deutschland viele sogenannte heilige
Grabeskirchen. Von genauer Nachbildung und cjemnach von Einheitlichkeit
kann aber im allgemeinen bei diesen Bauten kaum die Rede sein. Denn schon die
Grundform dieser Kirchen und Kapellen ist sehr verschieden. Es sind runde,
vier- oder mehrseitige Bauten, darunter mehrere, bei denen man kaum jene Ab-
sicht vermuten könnte, wenn sie nicht urkundlich bezeugt wäre. Die mittelalter-
lichen Baumeister ließen sich durch Vorbilder viel weniger beeinflussen, sie
arbeiteten viel selbständiger, als meistens angenommen wird. Praktische An-
forderungen, auf die beim Bau Rücksicht zu nehmen waren, örtliche Verhält-
nisse, persönliches Geschick und Neigung der Meister waren in der Regel maß-
gebend !
21 An den Westbauten zu Essen und Maria l. C. zu Köln begegnen uns einzelne Aachener
Mo'ive. Der erstere ist im großen und ganzen der eigenartigste Bau der friihromamschen
Baukunst und bei dem letzteren hat die Säulenstellung unter der Empore Würfelkapitäle und
die Treppentürme sind im unteren Geschoß quadratisch, darüber achtseitig gestaltet. (Die
ehemaligen obersten Geschosse gehörten wahrscheinlich nicht dem ursprünglichen Bau an.)
Abb. 8.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
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bauten zu Groningen und zu Goslar, vielleicht auch zu Nimwegen, nicht mit voller
Sicherheit behaupten, daß die Baumeister die Absicht gehegt hätten, die Pfalz-
kirche zu Aachen nachzuahmen-1. Wenn es gewünscht wird, einen Zentralbau zu
schaffen, so liegt es am nächsten, diesen entweder rund oder im Acht-, bzw. Viel-
eck zu gestalten, und wenn ihm Emporen und Aufgänge und mit diesen ein
Glockenturm zugefügt werden soll, den Turm quadratisch oder rechteckig anzu-
legen und die Treppen entweder aus der Mauermasse auszusparen oder dem
Turme runde oder vielseitige Treppentürme beizufügen. Quadratische Türme
mit runden oder vielseitigen Treppentürmen begegnen uns daher nicht allein
in Aachen und anderen Zentralbauten, sondern auch an sehr vielen alten Ba-
siliken, so in Paderborn, Freckenhorst, Magdeburg (Marienkirche), Brenz in
Schwaben, Münstermalfeld, Münstereifel, Köln (Apostelnkirche), Maastricht und
Thorn in Holland, Celles und Hastiere a. d. Maas, ur-
sprünglich auch in Gernrode und wahrscheinlich in St.
Trond bei Lüttich. Treppenanlagen genannter Art ge-
hören zu den einfachsten Lösungen, die jeder nur einiger-
maßen erfahrene Baumeister, ohne äußere Anregung, ohne
Vorbild zu scharren imstande ist. Es können überhaupt
ähnliche Bauten entstehen, ohne daß im mindesten eine
Nachahmung oder Anlehnung beabsichtigt ist. Umge-
kehrt kann vom Auftraggeber die Nachahmung eines
älteren Bauwerkes, das seinen Beifall gefunden hat, ge-
wünscht werden, bei der Ausführung aber aus örtlichen
bzw. praktischen Gründen eine Abweichung, sogar eine
wesentliche Abweichung wünschenswert oder notwendig
werden. Dies zeigt sich auch bei einer anderen Bau-
gruppe in auffallender Weise. Viel mehr als die Aachener
Pfalzkirche hat im Mittelalter die Kirche des heiligen
Grabes zu Jerusalem den Wunsch "zu Nachahmungen
geweckt. In Erinnerung an diese Kirche entstanden
infolge der zahlreichen Pilgerfahrten und besonders
der Kreuzzüge in Italien, Frankreich und Deutschland viele sogenannte heilige
Grabeskirchen. Von genauer Nachbildung und cjemnach von Einheitlichkeit
kann aber im allgemeinen bei diesen Bauten kaum die Rede sein. Denn schon die
Grundform dieser Kirchen und Kapellen ist sehr verschieden. Es sind runde,
vier- oder mehrseitige Bauten, darunter mehrere, bei denen man kaum jene Ab-
sicht vermuten könnte, wenn sie nicht urkundlich bezeugt wäre. Die mittelalter-
lichen Baumeister ließen sich durch Vorbilder viel weniger beeinflussen, sie
arbeiteten viel selbständiger, als meistens angenommen wird. Praktische An-
forderungen, auf die beim Bau Rücksicht zu nehmen waren, örtliche Verhält-
nisse, persönliches Geschick und Neigung der Meister waren in der Regel maß-
gebend !
21 An den Westbauten zu Essen und Maria l. C. zu Köln begegnen uns einzelne Aachener
Mo'ive. Der erstere ist im großen und ganzen der eigenartigste Bau der friihromamschen
Baukunst und bei dem letzteren hat die Säulenstellung unter der Empore Würfelkapitäle und
die Treppentürme sind im unteren Geschoß quadratisch, darüber achtseitig gestaltet. (Die
ehemaligen obersten Geschosse gehörten wahrscheinlich nicht dem ursprünglichen Bau an.)
Abb. 8.