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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr
Hätten Schnütgen stärkere und impulsivere Künstler zur Seite und zur Ver-
fügung gestanden, so wären die Früchte seiner Tätigkeit auf diesem Gebiete ganz
andere gewesen. So kam er niemals ganz aus der Stilakrobatik heraus und vergaß
der weit idealeren und dankbareren Aufgabe des geistlichen Kunstförderers, an
dem Aufbau einer eigenen Kunstsprache mitzuarbeiten. Und doch, wir tun uns
so sehr leicht, über derartige Bestrebungen zu Gericht zu sitzen, und denken nicht
daran, wie viele, wie unendlich viele Früchte sie doch uns gerade reifend in den
Schoß geworfen haben. Hier, dessen bin ich gewiß, hier stehen hundert Kunst-
handwerker neben mir und
danken dem Verstorbenen für
das, was er in konsequenter Ar-
beit uns erworben hat: ein
Wiederaufleben mittelalterlicher
solider Handarbeit, einer ganzen
Reihe aufs höchste zu bewerten-
der Techniken der Webe- und
der Goldschmiedekunst, die uns
heute geläufig geworden sind
und uns befähigen, unser Kunst-
empfinden in die jeweils pas-
sende Formensprache zu kleiden.
Mit der Geschichte der neu er-
blühenden kirchlichen Kunst-
zweige, speziell der Rheinlande
und Westfalens, ist Alexander
Schnütgens Name unlöslich ver-
bunden.
Nicht nur als Sammler,
auch als Kunstschriftsteller hat
Schnütgen sich einen Namen
gemacht, der bis tief ins Aus-
land einen guten Klang hatte.
Auch als Schriftsteller war er
in der Hauptsache ein Sammler.
Mit seinen klaren offenen Augen
erkannte er den Wert und die
Bedeutung vielfach von ihm wie-
derentdeckter Gegenstände und
mit einer selten knappen und plastisch greifbaren Beschreibung bot er sie
in seinen zahlreichen Aufsätzen der Öffentlichkeit dar. Er suchte ihren kunst-
historischen, entwicklungsgeschichthchen Zusammenhängen nachzugehen, be-
sprach sie nach der archäologischen und liturgischen Seite und holte dann mit
oft verblüffender Treffsicherheit auch aus ihnen das heraus, was er für ein Ge-
sunden neuzeitlichen Kunstschaffens für vorbildlich und wertvoll hielt. Eine
seltene Kombinationsgabe ließ ihn in manchen zweifelhaften Fällen auch die
Zweckbestimmung nach dieser Richtung hin vielfach zweifelhafter Objekte finden.
Alten Techniken ging er nach mit unerbittlicher Zähigkeit, bis er in das Wesen
Abb. 14.
Bronzekruzifixus des XII. Jahrb.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr
Hätten Schnütgen stärkere und impulsivere Künstler zur Seite und zur Ver-
fügung gestanden, so wären die Früchte seiner Tätigkeit auf diesem Gebiete ganz
andere gewesen. So kam er niemals ganz aus der Stilakrobatik heraus und vergaß
der weit idealeren und dankbareren Aufgabe des geistlichen Kunstförderers, an
dem Aufbau einer eigenen Kunstsprache mitzuarbeiten. Und doch, wir tun uns
so sehr leicht, über derartige Bestrebungen zu Gericht zu sitzen, und denken nicht
daran, wie viele, wie unendlich viele Früchte sie doch uns gerade reifend in den
Schoß geworfen haben. Hier, dessen bin ich gewiß, hier stehen hundert Kunst-
handwerker neben mir und
danken dem Verstorbenen für
das, was er in konsequenter Ar-
beit uns erworben hat: ein
Wiederaufleben mittelalterlicher
solider Handarbeit, einer ganzen
Reihe aufs höchste zu bewerten-
der Techniken der Webe- und
der Goldschmiedekunst, die uns
heute geläufig geworden sind
und uns befähigen, unser Kunst-
empfinden in die jeweils pas-
sende Formensprache zu kleiden.
Mit der Geschichte der neu er-
blühenden kirchlichen Kunst-
zweige, speziell der Rheinlande
und Westfalens, ist Alexander
Schnütgens Name unlöslich ver-
bunden.
Nicht nur als Sammler,
auch als Kunstschriftsteller hat
Schnütgen sich einen Namen
gemacht, der bis tief ins Aus-
land einen guten Klang hatte.
Auch als Schriftsteller war er
in der Hauptsache ein Sammler.
Mit seinen klaren offenen Augen
erkannte er den Wert und die
Bedeutung vielfach von ihm wie-
derentdeckter Gegenstände und
mit einer selten knappen und plastisch greifbaren Beschreibung bot er sie
in seinen zahlreichen Aufsätzen der Öffentlichkeit dar. Er suchte ihren kunst-
historischen, entwicklungsgeschichthchen Zusammenhängen nachzugehen, be-
sprach sie nach der archäologischen und liturgischen Seite und holte dann mit
oft verblüffender Treffsicherheit auch aus ihnen das heraus, was er für ein Ge-
sunden neuzeitlichen Kunstschaffens für vorbildlich und wertvoll hielt. Eine
seltene Kombinationsgabe ließ ihn in manchen zweifelhaften Fällen auch die
Zweckbestimmung nach dieser Richtung hin vielfach zweifelhafter Objekte finden.
Alten Techniken ging er nach mit unerbittlicher Zähigkeit, bis er in das Wesen
Abb. 14.
Bronzekruzifixus des XII. Jahrb.