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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
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und vor allem der werdende Dom. Diesem Einfluß kann auch heute kein Fühlen-
der sich entziehen; der Dom mit seinem überall zutage tretenden Lobgesang auf
metaphysische Kunst, mit seinem aus jedem Winkel laut werdenden Kunstwollen,
Kölns Museen und Kirchen und Häuser und Plätze sind und bleiben eine Frei-
luftschule, die jeden schönheitsdurstigen Menschen in ihren Bann zieht. Diese
Faktoren bereiteten in Schnütgen das Erdreich, sie machten ihn aufnahmefähig
für seine Lebensarbeit; die Versteigerungen, der stark beschickte Kölner Kunst-
markt und der Verkehr mit Sammlern und Händlern trieben die Saat in die Halme;
eigene bewunderungswürdige Energie und Einsicht zeitigten die völlige Reife.
Man mußte Schnütgen erzählen hören, wie ihm in den ersten Jahren seiner
Sammeltätigkeit — es war das noch vor 1870 — Händler und Private hunderterlei
„Kuriosa" ms Haus schleppten, die für keinen anderen Sterblichen brauchbar
erschienen, deren Wert und Bestimmung er weit ausschauend erkannte und die
er infolgedessen — hinter den Verkäufern schelmisch und überlegen herlächelnd —
für lächerlich niedrige Preise erwerben konnte. Objekte waren darunter, die für
sich heute ein kleines Vermögen darstellen und zu den größten Seltenheiten ge-
hören. So erzählte er gern, wie er einmal auf einer Versteigerung ein Bronzekäst-
chen des 12. Jahrhunderts erstand, dessen Alter und Zweckbestimmung den
anderen Käufern unerkannt blieben. Als er es um einige Groschen ersteigert
hatte, fragte ihn ein Fachgenosse, der einen großen Ruf hatte, was das denn eigent-
lich für ein sonderbar Objekt sei. „Eine Mausefalle," war die prompte Antwort.
In Wirklichkeit stellt das für Reliquien bestimmte Kästchen das Modell einer
Kirche des 11. Jahrhunderts im Aufbau etwa von St. Pantaleon dar. Auch seine
einzigartige Stoffsammlung brachte Schnütgen zusammen, bevor das Gros der
Kunsthistoriker und Archäologen den mittelalterlichen Geweben Interesse abzu-
gewinnen
verstanden
hatte. Als
seine
Sammlung
auf diesem
Gebiete be-
reits eine
bewunde-
rungswür-
digeAbrun-
dung und
Vollstän-
digkeit er-
reicht hat-
te, gab er
sie in einer
Sonderaus-
stellung der
Öffentlich-
keit be-
kannt, und Abb. 19. Blid< in den S°tis*en Raum.
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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
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und vor allem der werdende Dom. Diesem Einfluß kann auch heute kein Fühlen-
der sich entziehen; der Dom mit seinem überall zutage tretenden Lobgesang auf
metaphysische Kunst, mit seinem aus jedem Winkel laut werdenden Kunstwollen,
Kölns Museen und Kirchen und Häuser und Plätze sind und bleiben eine Frei-
luftschule, die jeden schönheitsdurstigen Menschen in ihren Bann zieht. Diese
Faktoren bereiteten in Schnütgen das Erdreich, sie machten ihn aufnahmefähig
für seine Lebensarbeit; die Versteigerungen, der stark beschickte Kölner Kunst-
markt und der Verkehr mit Sammlern und Händlern trieben die Saat in die Halme;
eigene bewunderungswürdige Energie und Einsicht zeitigten die völlige Reife.
Man mußte Schnütgen erzählen hören, wie ihm in den ersten Jahren seiner
Sammeltätigkeit — es war das noch vor 1870 — Händler und Private hunderterlei
„Kuriosa" ms Haus schleppten, die für keinen anderen Sterblichen brauchbar
erschienen, deren Wert und Bestimmung er weit ausschauend erkannte und die
er infolgedessen — hinter den Verkäufern schelmisch und überlegen herlächelnd —
für lächerlich niedrige Preise erwerben konnte. Objekte waren darunter, die für
sich heute ein kleines Vermögen darstellen und zu den größten Seltenheiten ge-
hören. So erzählte er gern, wie er einmal auf einer Versteigerung ein Bronzekäst-
chen des 12. Jahrhunderts erstand, dessen Alter und Zweckbestimmung den
anderen Käufern unerkannt blieben. Als er es um einige Groschen ersteigert
hatte, fragte ihn ein Fachgenosse, der einen großen Ruf hatte, was das denn eigent-
lich für ein sonderbar Objekt sei. „Eine Mausefalle," war die prompte Antwort.
In Wirklichkeit stellt das für Reliquien bestimmte Kästchen das Modell einer
Kirche des 11. Jahrhunderts im Aufbau etwa von St. Pantaleon dar. Auch seine
einzigartige Stoffsammlung brachte Schnütgen zusammen, bevor das Gros der
Kunsthistoriker und Archäologen den mittelalterlichen Geweben Interesse abzu-
gewinnen
verstanden
hatte. Als
seine
Sammlung
auf diesem
Gebiete be-
reits eine
bewunde-
rungswür-
digeAbrun-
dung und
Vollstän-
digkeit er-
reicht hat-
te, gab er
sie in einer
Sonderaus-
stellung der
Öffentlich-
keit be-
kannt, und Abb. 19. Blid< in den S°tis*en Raum.