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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 9/10
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Falke, Otto von: Der Bernstein im Kunstgewerbe: Ergänzung zu Prof. Dr. Groths Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0060
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Mnstkin im

Ergänzung zu Prof. Dr. Groth's Vortrag von Ov. Gttv von Kalke.

m

N dem oben veröffentlichten Vortrage über
die Beschaffenheit und Gewinnung des Bern-
steins hat Professor Groth darauf hinge-
wiesen, daß derselbe schon seit den: frühesten
Alterthum einen der gesuchtesten Artikel in: Handelsverkehr
zwischen den Aulturvölkern des Mittelmeergebietes und dein
Norden gebildet hat. Mag die Werthschätzung dieses Stoffes
zur Zeit auch nicht mehr eine so überschwängliche sein wie
in: Alterthum, so muß man doch zugeben, daß derselbe
in der That zur kunst-
gewerblichen Verarbeit-
ung in hohem Grade
geeignet ist.

Der Bernstein ver-
bindet mit seinen äußeren
Vorzügen — der schönen,
von blassen: Gelb zun:
tiefen Braui: variirenden
Farbe, dem Hellen Glanze
und der Transparenz —
eins starke Politurfähig-
keit, eine angenehm an-
zufühlende (Oberfläche
und einen pärtegrad, der
ihn einerseits dauerhaft
n:acht, andererseits aber
gering genug ist, um
zur Verarbeitung durch
Drechseln, Schneiden und
Feilen geradezu heraus-
zufordern.

Zm Alterthum und
wahrscheinlich noch in:

Mittelalter mochte es den
Werth des Bernsteins
bedeutend erhöhen, daß
n:an ihm, wie auch der
Mehrzahl der Edelsteine,
heilkräftige Eigenschaften
zuschrieb. Noch heute ist in: Orient, der den: Bernstein eine
ähnliche Vorliebe wie das Alterthun: entgegenbringt, der
Glaube an feine offizinclle Wirkung nicht gänzlich erloschen.

Wenn man allein nach den erhaltenen Resten von
Bernsteinarbeiten des Alterthums schließen will, ergibt sich,
daß weitaus das meiste des importirten Materials zu
Schmuckgegenständen verwendet worden ist. Durchbohrte
Bernsteinperlen, theils rund gedrechselt und aus freier pand
geschnitten, theils abgeflacht und kantig, haben ebensowohl
die Ausgrabungen Schliemann's auf den Trümmerstätten
von Mykenae und Tiryns, wie zahllose Gräberfunde der
sogenannten prähistorischen Zeit auf keltischem, germanischen:
und romanischem Boden in überreicher Menge zu Tage
gefördert. (S. d. Abbildungen auf 5. s0s und s02.) Für
die Geschichte des Pandels von hoher Wichtigkeit, können

diese Funde aber doch ein wirklich künstlerisches Znteresse
nicht beanspruchen. Sie zeigen nur die ganz allgemeine
reiche Verwendung des schönen Materials in der zu Hals-
ketten und Armbändern geeignetsten perlenform, ganz in
derselben Art, wie es auch heute noch von der ländlichen
Bevölkerung Norddeutschlands vielfach getragen wird. Eine
künstlerische Verzierung ist den: Schmuck damals nicht zu Theil
geworden. Litterarische Quellen aber beweisen zur Genüge,
daß sich der Luxus der römischen Raiserzeit auch eine künst-
lerische Verwendung des kostbaren Mi-
nerals nicht entgehen ließ. Plinius führte
den Bernstein neben den viel um-
strittenen Murrhinischen Gefäßen und
Bergkrystall auf. Er war in der Aaiser-
zeit ein Modeartikel geworden — pro-
ximum locum in deliciis, feminarum
adhuc tantum, succina obtinent, sagt
Plinius —, und man fertigte aus dem-
selben Trinkgefäße, Statuetten und Alein-
geräth aller Art. Erhalten hat sich da-
von sehr wenig, da derartige Geräthe,
trotz der Unverwüstlichkeit des Stoffes
an sich in hohen: Grade zerbrechlich
sind. Von unbeschädigt erhaltenen Gegen-
ständen kenne ich nur eine kleine Lampe
in der Sammlung Eampana im Louvre
zu Paris. Dieselbe Samnrlung und das
British Museum in London besitzen
ferner eine Anzahl antiker Bruchstücke
von Gefäßen und Statuetten von zum
Theil vorzüglicher Ausführung.

Für eine ähnliche Verarbeitung
größerer Bernsteinstücke im Norden
sprechen einige Götzenfiguren, die aus
dem Grunde des Aurischen Paffs bei
Schwarzort ausgebaggert worden find.
Gegenwärtig befinden sie sich als Ge-
schenk der Firma Stantien & Becker
in: Provinzialmuseum zu Aönigsberg.
Da die Figuren durchbohrt sind, ist anzunehmen, daß
dieselben als Amulets getragen wurden.

Für das Mittelalter sind wir auf ziemlich dürftige
Angaben aus Schatzinventaren von Airchen und Fürsten
angewiesen, die Viktor Gay im Olossaire arobeolo^chue
zusammengcstellt hat. Darin finden sich vom Jahr-
hundert an, außer Rosenkränzen aus Bernsteinperlen, als
hohe Kostbarkeiten Figuren von peiligen erwähnt, zun:
Theil ganz und gar aus Bernstein geschnitzt, zun: Theil
mit goldener oder silberner Fassung. Auch eine Madonnen-
figur zählt das Znventar des perzogs von Berry zun:
Jahre \^\6 auf, an der nur die Fleischtheile, das Antlitz,
die pände und das Ehristuskind in Bernstein gearbeitet
waren, päufiger ist die Verzierung von Dolch- und Messer-
griffen n:it geschnitzten Bernsteinplatten, eine Anwendung,

kstnnpeu aus klarem Bernstein,

in vergoldetem Silber gefaßt. )in Relief die allegorischen Figuren
der Tugenden, um J6^0. Hoch 20 cm.

A. Aunstgewerbe-Museum Berlin.
 
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