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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

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Michel, Wilhelm: Schwankungen und Entscheidungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0391

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»ZECHER
IN DER
MORGEN-
DÄMMERUNG«

SCHWANKUNGEN UND ENTSCHEIDUNGEN.

VON WILHELM MICHEL.

Ein gebrechliches Floß, vom sicheren Lande
abgestoßen, um ferne, undeutlich geahnte
Küsten zu gewinnen — unter diesem Bilde
kann man die Vorstöße der jüngsten Malerei
betrachten. Versuche, die wie alles menschliche
Mühen einen Kern enthalten, deren Bild aber
verwirrt und getrübt wird durch Lärm und
wüstes Fahnenschwingen einer wilden Turba
von Mitläufern. Schwüle, Brodem, Gähren,
Aufzucken starker Visionen, Antlitze, bleich
von Zweifeln, andere glühend und erhitzt von
täglichen Bastillestürmen, Kreischen, Pauken
und Tam-Tam, ein Höllenbreughel, darüber
ein Spruchband mit dem großen Umwertungs-

spruch der Macbethschen Zauberfrauen. —
Unzulänglichkeiten und Erhabenheiten in dicht-
geballten Knäueln dringen in den Kunst-
salons auf Laien und Kenner ein. Und der
Kritiker gar fällt von einer Versuchung des
Antonius in die andere. Er muß das Schifflein
seines Urteils mit verdoppelter Anstrengung
durch eine aufgewühlte und von gespenstischen
Ungeheuern bevölkerte See dahinsteuern, nicht
unähnlich Jan Toorops mühseligem „passeur
d'eau". Soll er auf diese Larven und Lemuren
eingehen? Horchen, was in diesem Lärmen
sich zum Wort gestalten will? Wort und Wille
der Zeit sind so tief dahinter versteckt.

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