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Der galante Träumer.

habe ich Sie auf dem Balle gesehen, bald aus dem Spazier-
gange, bald bi» ich mit Ihnen Schlitten gefahren; kurz, im-
mer war halt Fräulein Marie um mich!"

Tante: „Nun, Herr Referendär, das finde ich fiir meine
Nichte Marie recht schmeichelhaft, denn wovon es Einem bei
Nacht träumt, an das hat man den Tag vorher über am
Liebsten gedacht!"

Herr: „Das schon; aber wissen Sic, ich Hab' halt ge-
stern auch ziemlich viel Doppel-Bier im Mohrenköpste getrun-
| ken und da träumt mir allemal so dummes Zeug!"

Schnett besonnen.

Marie war im Begriffe mit ihrer Buscnfreundin Anna
auf den Ball zu gehen; beide hatten nagelneue Ballkleider an
und herrliche Jungfernkränze auf ihren mit der höchsten Sorg-
falt und Kunst gescheitelten und geflochtenen Haaren; und
sicher, die schönsten Eroberungen zu machen, schritten sic muthig
zum Hause hinaus, als eben der freundliche Briefträger so
hastig eintreten wollte, daß er beinahe der schönen Marie aus
die jungfräulichen Hühneraugen getreten wäre.

Doch ein routinirter Briefträger ist nicht verlegen; sich
millionenmal entschuldigend, zog er schnell einen Brief heraus,
überreichte ihn der höchst reizenden und verführerischen Fräu-
! lein Mamsell Marie, wie er sich schalkhaft auszudrücken be-
liebte, und sich zwanzigmal verbeugend, entfernte er lächelnd
sich rasch, ziemlich laut vor sich hinsummend: Du, du, du
lieg'st mir im Herzen! re. wobei er nicht unterlassen konnte, !
sich einige Male nach den Fräulein Mamsells umzublicken und
ihnen höchsteigenhändig einige unschuldige und ungefährliche ;
Küsse zuzuwerfen. Marie betrachtete den Brief und ihn
schwarzgesiegelt findend, brach sie in die Worte aus:

„O, meine gute Tante ist gewiß gestorben!"

„Ja, war sie krank?" fragte ziemlich naiv die herzige
Busenfreundin Anna, und als Maria cntgcgnetc:

„Schon seit siebe» Wochen!" und im Begriffe war dabei
den Brief zu öffnen, riß ihn Anna ihr schnell aus der Hand
mit den vorwurfsvollen Worten:

„Was fällt Dir ein! Ist sic wirklich gestorben, so könn-
test ja Du, und in Folge dessen auch ich, nicht auf den Ball
gehen, und das wäre Jammerschade, schon wegen unserer neuen
Kleider, die man doch sehen muß!"

„Ja, was thun?" meinte Marie.

„Das ist doch ganz einfach! Dort ist ein Briefkasten, da
werfen wir den fatalen Brief hinein und dann bekommst Du
ihn erst morgen."

Mit diesen Worten zog Anna ihre Freundin mit sich,
und als sic am Briefkasten angelangt waren, warfen sie schnell
den ominösen Brief hinein.

Getrosten Muthes gingen die holden Zärtlichen auf den
Ball und tanzten die ganze Nacht flott durch.

Andern Tages stand Marie mit verweinten Augen in ihrem
Ziimpcr, den Brief mit der Todesnachricht der Tante in der
Hand, Anna aber streckte neugierig den Kopf zur Thürc herein
mit der Frage: „Ist sie wirklich des Todes verstorben?"

Der böhmische Kutscher.

Ein Herr sandte seinen böhmischen Kutscher mit einem
bequemen, aber für die zu passircndc» Berge schweren Rcisc-
wagen, um seine auf Besuch erwartete Schwiegermutter von der
eine starke Tagereise entfernten Dampfschiffstation abholen zu
lassen. Statt der Schwiegermutter kam nur ein Brief, mit
dem der Kutscher die etwas beschwerliche Fahrt zurück machte.
Als nach seiner Ankunft der Herr ihm sagte, daß die Schwieger-
mutter den Brief geschickt habe, weil sie nicht kommen konnte,
meinte der Kutscher: „Wann mer hätte 'wußt, daß kummte

nur Brief, hätt' mer können a leichte Wag'» nehmen."
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schnell besonnen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Trauer <Motiv>
Nachricht
Brief <Motiv>
Briefkasten
Karikatur
Tod
Junge Frau <Motiv>
Ballkleid
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 628, S. 14

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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