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'Dia fl er Vorwärts :c.

Keine Rose ohne Dornen.

Contraste besteht. Und diese» ästhetischen Grundsatz hat man
hier aufs Glücklichste realisirt. Ist das nicht Fortschritt? Es
wird Dir nicht entgangen sein, daß man es hier liebt und
wohlweislich so angeordnet hat, daß man vor die erhabensten
Prachtgebäude die elendesten Laternenpfähle, oder in die Nähe
der prächtigsten Paläste elende Planken und Zaune hinsetzt.
Wie klug und weise ist es doch angeordnct, daß man wahre
Saharas anlegt oder unterhält, um bei dem Eintritte in die
kühlen Räume der Museen oder die schattigen Bicrwirthschaften
um so angenehmer von Schalten und Kühle überrascht zu wer-
den. Man kann mit Recht München die Stadt der Schön-
heit — par consequent die Stadt der Contraste nennen. Du
siehst hier die prachtvollsten Denkmäler der Kunst neben einem
Stück Mittelalter reinsten Masters von 1406.

Aber, meine liebe Nichte, das ist nur eine der Licht-
seiten dieses Institutes. Es befördert auf die zcikgemäßcste
Weise den Associationsgeist und Gemeinsinn, denn die übrigen
Bewohner der Stadt haben sich aus reinem Mitleid dahin
vereinigt, eine Aktien-Gesellschaft zu gründen, um die Anwoh-
ner des Dultplatzes in den Stand zu setzen, während der
Dauer dieser Dult die Stadt verlassen und eine» Landaufent-
halt nehmen zu können. Ist dieser Gemeinsinn nicht ein Fort-
schritt? Ist er nicht etwas geradezu Unerhörtes in Deutschland?

Weiter werden, wie ich aus sicherer — in der Regel gut
. unterrichteter Quelle — vernehme, die hohen Behörden wäh-
rend der Abwesenheit der Bewohner in die verlassenen Woh-
nungen derselben die verstocktesten Verbrecher einquartiren, um
dieselben durch die Dultfreudcn zum Gcständniß zu bringen.
Ist diese Abkürzung der Untersuchungshaft in unserem Straf-
Verfahren kein Fortschritt? Ich sage Dir, liebe Nichte, wer
verdammt ist, einen Sturm der Assen und Hunde auf Saida,
oder eine Blech- oder sogenannte schwarze Rcttigmusik im Knorr-
garten nur drei Abende anzuhören, der gesteht nicht nur alle
Verbrechen, die er jemals begangen, sondern sogar, wenn man
' es haben will, eine Menge solcher, die er nicht verübt hat."

Keine Rose ohne Dorne».

(Schluß.)

Das war zu arg! Grimmann nahm den Stock und
prügelte den, bei dem er den Zettel gefunden, und der wahr-
scheinlich der Unschuldige war, so lange durch, bis er nicht mehr
konnte, schloß dann grimmig die Stunde und stürmte hinaus.
„Zwei Tage aus dem Leben eines Unglücklichen!" jammerte
er leise vor sich hin, als er auf der Straße war, „so betitelt
könnte ich ein Drama schreiben, das freilich bei den Zuschauern
nur Lachen erregen würde. O Fluch des Lächerlichen, der auf
mir ruht! Kaum, daß ich ein süßes, liebes Gcheimniß habe,
was mir das alte Herz einmal wieder erfrischt und aufthaut,
daß es sich zu dummen Streichen Hinreißen läßt, wie so
oft damals in der seligen Studentenzeit, wo sich kein Mensch
darum kümmerte —- bumö! hat auch eine alte Schachtel und

eine ganze Klasse von Schulbuben es ausgewittert und macht
sich darüber lustig! Und wie werden sie klatschen nicht nur
über mich, das ließe sich noch ertragen, aber nein, da wird
weiter nachgespürt, da kommt auch mein Herzenskindchcn Johanna
mit in's Gerede — mein Gott! das ertrag' ich nicht, wie
kann ich Tölpel sie davor retten?— kein Mittel— hm! hm!"
Herr Grimmann ging langsamer und sein Gesicht ward ein
wenig freundlicher, es schien ein großer Gedanke in ihm auf-
zusteigen und ein Entschluß zu reifen. Endlich hob er den ^
Kopf und sagte resolut und laut: „Ja, es ist meine Pflicht!"
und damit stieg er bei seinem Hause, wo er gerade angekom-
men war, mit großen Schritten vorbei und als ob er sich blind-
lings in die Gefahr stürzen wolle, ohne umzusehen in's Nach-
barhaus hinein. — Aber da blieb er wie Lot's Salzsäule jtehen,
denn er überraschte einen schon etwas ältlichen Herrn in Rcise-
kleidern auf der Hausflur, der gerade seine junge Herzensrose,
die hübsche Johayna, in den Armen hielt und ihr einen herz-
haften Kuß gab. Johanna crröthete, als sie ihren Nachbar
erkannte und dieser wollte sich schon eiligst mit den in bitterem
Tone gesprochenen Worten: „Verzeihung, ich will nicht stören"
zurückziehen, als das junge Mädchen noch gerade zur rechten
Zeit sagte: „Ach lieber Herr Nachbar, da kann ich ja gleich

meinen Dank sagen für die schönen Rosen, mit denen doch ge-
wiß Sic mich so hübsch überrascht haben. Es ist recht Schade,
daß ich sie der Tante lassen muß, den» mein lieber Vater hier
will mich noch heute Abend mit nach Hause nehmen." — Bei
dem Worte „Vater" seufzte Grimmann von Herzensgrund auf
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Keine Rose ohne Dornen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schüler <Motiv>
Lehrer <Motiv>
Schmerz <Motiv>
Karikatur
Strafe
Klassenzimmer <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Prügel

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 633, S. 54
 
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