Fliegende Blätter (27.1857 (Nr. 627-652))

Der Jnnerstadtschneeschauselungsverpachtungscontract.

VIII. Sitzung vom 20. Mai 1857. Die Commission beschließt, das herrliche Wetter zur Untersuchung zu benützen.
Sie kehrt zurück und erklärt die Gassen für trocken und es sei Verleumdung gewesen, wenn man von Unterlassung des Schnee-
schaufelns gesprochen habe. Es liege gar kein Schnee.

Der Herr Bürgermeister spricht hierauf von Verleumdung im Allgemeinen und von dem guten Religions-Unterricht in
den Stadtschulen ins Besondere und schließt unter nicht endenwollendem Gejubel mit dem schönen Spruche: „Jeder kehre vor

seiner eigenen Thüre!"

Leipziger Messe.

(Zwei Kaufleute stehen zusammen.)

Erster. „Kollega, Sie schlagen mit der Seide in jedem
Jahre mehr auf."

Zweiter. „Ja, Herr Schlauwind, das macht, die Seiden-
würmer sind in diesem Jahre nicht gut gerathen."

(Kaufmann Schlauwind bei einem Bandhändler.)

„Kollega, was, die seidenen Bänder sind auch theurer
geworden, mein Gott, ich habe wohl gehört, daß die Seiden-
würmer nicht gut gerathen sind, aber die Bandwürmer auch —
das ist doch nicht möglich."

Der lange Tag.

Fritze. „Ach Jott, Polti! wie gcht's, Freundchen? Hab'
Dir lang nich mehr jesehen!"

Polte. „So jing' es jut, aber heut jeht cs niche; ick
Hab' man einen jottsjämmerlichen Katzenjammer; aberscht's kann
nich anders sin, Hab' ich doch vorgestern zwce Tage hinter-
einander jesoffen."

Fritze. „Ei gucke, ist's mich fast nich anders jejangen;
bin ick man och jestcrn erst heut früh 6 Uhr aus der Schnaps-
bude gewackelt."

Yü. Sitzung vom 1. April 1857. Herr Gemeinderath I)r. I. I. G. Wartabisscrl dringt zum Erstaunen seiner hochlöb-
lichen Herren Kollegen selbst auf eine Commission zur Untersuchung des Sach-, Schnee- und Morastverhaltes. Es wird be-
schlossen, eine solche Commission zu wählen und alle Sachverständigen werden aufgefordert, sich als Candidaten zu melden und
des Dankes ihrer Mitbürger vergewissert zu sein. — Die Commission tritt zusammen und berathschlagt über den Tag der Untersuchung.