86
Klassisch - modern.
Lächelnd hüpft er dahin der frackumgürtete Stutzer,
Herrlich dünkt ihm die Welt, herrlicher dünkt er sich selbst.
Jonisch steigen empor die vatermörd'rischcn Säulen,
Fallen am Ohre so leicht, griechisch sich wölbend herab.
Uebcr der Brust sich spannt die schneeig geglättete Weste,
An der battistenen Wehr wiegt sich die Nadel von Gold.
Um die Hüfte des Jünglings — die fingerumspanncte Taille,
Venus Gürtel gleich, schmiegt sich die schneidernde Kunst.
Und das schlanke Gebein; die rehlausartigen Waden
Enget der Hose Geblüm', schwellend in eckiger Form.
Auf der dunkelen Nacht der wichögebürsteten Stiefel
Flimmert's wie Sternenschei», spiegelt olympischer Glanz.
Mit herkulischer Kraft in glayebehandschuhten Fingern
Dreht er das Stäbchen von Rohr, wie die Acsthetik gebeut.
Hoch vom Haupt nickt der Claque, der federngeschienetc Helm ihm,
Schmeichelt ein Kompliment, zierlich zertheilt er die Lust.
Zwischen der Nase Gesält und den duukelbebuschetcn Brauen
Sitzt des Zwickers Krystall, starrend aus Menschen und Vieh.
Weithin duften von Oel die zephyrgekräusclten Haare,
Wie ein Blumengcfild, knospend und blühend im Lenz.
Wonnig tänzelt er fort zur ochsenäugigen Mina,
Schmilzt — wie im Sonnenschein Butter — in Liebe dahin.
!
Die höchste Spitze.
Ihr wißt Alle, daß ich voriges Pfingstfest ein kleines
I Parthiechen auf den Ringberg, vierzehn Stunden von hier,
i machte, — nun, mein lustiger Johann war auch dabei und
i wir Beide freuten uns schon tüchtig aus die schöne Aussicht und
das herrliche Bier, sic könne» 'S in München im Hofbräuhause
nicht besser machen. — Unter den vielen Fremden, welche in
Jpsenheim, der Station, bei welcher bekanntlich der Ringberg
liegt, ausstiegc», fiel mir besonders ein Engländer auf, welcher,
wie alle anderen Engländer, sehr sonderbar gekleidet war; sein
höchstes Vergnügen schien darin zu bestehen, stets die Höhen
des Weges aufzusuchen; über jeden Steinhaufen klomm er mit
unsäglicher Mühe und kaum sah er einen Meilenstein, als er
auch auf denselben stieg, sein Perspectiv herauszog und sich
ringsumher die Gegend anschaute.
Mylord war nun ein Stein des Acrgerniffes für meinen
lustigen Johann; tausend lustige Schwänke über des Britten
langen Rock, steife Halsbinde und lange dürre Beine ver-
kürzten mir den Weg auf den Berg; einmal lachte mein Pos-
senreißer so laut auf, daß der Engländer sich umdrchte und
jenen mit dem Perspectiv betrachtete; — dann kam er Johann
näher und schien ihn borcn zu wollen; ich legte mich aberin's
Mittel und erklärte Mylord, daß mein Diener über etwas an-
deres gelacht hätte, und wenn er denselben zu boren beabsich-
tige, er mich in ihm beleidigte, wobei ich ihm die Griffe zweier
Terzerole zeigte, welche ich, — des schönen Echo's halber, —
mit auf den Berg genommen hatte.
Bei Anblick derselben erheiterte sich Mylords düstres An-
gesicht und er entgcgncte mir in gebrochenem Deutsch, daß er,
weit entfernt, mich beleidigen zu wollen, blos einen Grund ge-
sucht hätte, eine Unterhaltung mit mir anzuknüpfen.
Ich ging gern darauf ein und er erzählte mir von sei-
nen vielen Reise», die er gemacht, und besonders von den vielen
Berge», die er schon erstiegen hätte. Auch hierin schien er |
einen großen Werth darauf zu legen, die höchsten Gipfel der- !
selben ausgesucht zu haben.
„Gewiß," frug ich meinen Engländer, als er eine kleine
Pause machte, „wollen Sie auch den höchsten Gipfel des Ring-
berges besteigen?"— „Unbedingt, Sir," erwiederte der Britte.
„Das dürfte ihm schwer werden," murmelte Johann für sich.
„Ond uarum?" frug Mylord, der es gehört hatte. — „Das
werden Mylord schon sehen, wenn wir oben sind," cntgcgnete
Johann. „Well, ich ucrdcn besteigen die Gipfel von das Berg,
das »erden Ihr sehen; — ich netten sogleich einhundert Pfund!"
rief Mylord stolz und schien nun zu erwarten, daß ich auf die
Wette eingchen sollte. Ich sah Johann an und da dieser ver-
stohlen lachte und mir zunickte, nahm ich sic an und nachdem
wir gegenseitig unsre Namen angegeben und unsre Zahlungs-
fähigkeit nachgcwiesen hatten, verbanden wir uns durch Hand-
schlag zum Worthalten.
Der Engländer fuhr dann fort, mir seine Reisen zu er-
zählen und so gelangten wir endlich auf den Gipfel des Ber-
ges. Wie Ihr alle wißt, steht auf demselben ein Gasthaus,
so daß man also den höchsten Gipfel desselben, wörtlich ge-
Klassisch - modern.
Lächelnd hüpft er dahin der frackumgürtete Stutzer,
Herrlich dünkt ihm die Welt, herrlicher dünkt er sich selbst.
Jonisch steigen empor die vatermörd'rischcn Säulen,
Fallen am Ohre so leicht, griechisch sich wölbend herab.
Uebcr der Brust sich spannt die schneeig geglättete Weste,
An der battistenen Wehr wiegt sich die Nadel von Gold.
Um die Hüfte des Jünglings — die fingerumspanncte Taille,
Venus Gürtel gleich, schmiegt sich die schneidernde Kunst.
Und das schlanke Gebein; die rehlausartigen Waden
Enget der Hose Geblüm', schwellend in eckiger Form.
Auf der dunkelen Nacht der wichögebürsteten Stiefel
Flimmert's wie Sternenschei», spiegelt olympischer Glanz.
Mit herkulischer Kraft in glayebehandschuhten Fingern
Dreht er das Stäbchen von Rohr, wie die Acsthetik gebeut.
Hoch vom Haupt nickt der Claque, der federngeschienetc Helm ihm,
Schmeichelt ein Kompliment, zierlich zertheilt er die Lust.
Zwischen der Nase Gesält und den duukelbebuschetcn Brauen
Sitzt des Zwickers Krystall, starrend aus Menschen und Vieh.
Weithin duften von Oel die zephyrgekräusclten Haare,
Wie ein Blumengcfild, knospend und blühend im Lenz.
Wonnig tänzelt er fort zur ochsenäugigen Mina,
Schmilzt — wie im Sonnenschein Butter — in Liebe dahin.
!
Die höchste Spitze.
Ihr wißt Alle, daß ich voriges Pfingstfest ein kleines
I Parthiechen auf den Ringberg, vierzehn Stunden von hier,
i machte, — nun, mein lustiger Johann war auch dabei und
i wir Beide freuten uns schon tüchtig aus die schöne Aussicht und
das herrliche Bier, sic könne» 'S in München im Hofbräuhause
nicht besser machen. — Unter den vielen Fremden, welche in
Jpsenheim, der Station, bei welcher bekanntlich der Ringberg
liegt, ausstiegc», fiel mir besonders ein Engländer auf, welcher,
wie alle anderen Engländer, sehr sonderbar gekleidet war; sein
höchstes Vergnügen schien darin zu bestehen, stets die Höhen
des Weges aufzusuchen; über jeden Steinhaufen klomm er mit
unsäglicher Mühe und kaum sah er einen Meilenstein, als er
auch auf denselben stieg, sein Perspectiv herauszog und sich
ringsumher die Gegend anschaute.
Mylord war nun ein Stein des Acrgerniffes für meinen
lustigen Johann; tausend lustige Schwänke über des Britten
langen Rock, steife Halsbinde und lange dürre Beine ver-
kürzten mir den Weg auf den Berg; einmal lachte mein Pos-
senreißer so laut auf, daß der Engländer sich umdrchte und
jenen mit dem Perspectiv betrachtete; — dann kam er Johann
näher und schien ihn borcn zu wollen; ich legte mich aberin's
Mittel und erklärte Mylord, daß mein Diener über etwas an-
deres gelacht hätte, und wenn er denselben zu boren beabsich-
tige, er mich in ihm beleidigte, wobei ich ihm die Griffe zweier
Terzerole zeigte, welche ich, — des schönen Echo's halber, —
mit auf den Berg genommen hatte.
Bei Anblick derselben erheiterte sich Mylords düstres An-
gesicht und er entgcgncte mir in gebrochenem Deutsch, daß er,
weit entfernt, mich beleidigen zu wollen, blos einen Grund ge-
sucht hätte, eine Unterhaltung mit mir anzuknüpfen.
Ich ging gern darauf ein und er erzählte mir von sei-
nen vielen Reise», die er gemacht, und besonders von den vielen
Berge», die er schon erstiegen hätte. Auch hierin schien er |
einen großen Werth darauf zu legen, die höchsten Gipfel der- !
selben ausgesucht zu haben.
„Gewiß," frug ich meinen Engländer, als er eine kleine
Pause machte, „wollen Sie auch den höchsten Gipfel des Ring-
berges besteigen?"— „Unbedingt, Sir," erwiederte der Britte.
„Das dürfte ihm schwer werden," murmelte Johann für sich.
„Ond uarum?" frug Mylord, der es gehört hatte. — „Das
werden Mylord schon sehen, wenn wir oben sind," cntgcgnete
Johann. „Well, ich ucrdcn besteigen die Gipfel von das Berg,
das »erden Ihr sehen; — ich netten sogleich einhundert Pfund!"
rief Mylord stolz und schien nun zu erwarten, daß ich auf die
Wette eingchen sollte. Ich sah Johann an und da dieser ver-
stohlen lachte und mir zunickte, nahm ich sic an und nachdem
wir gegenseitig unsre Namen angegeben und unsre Zahlungs-
fähigkeit nachgcwiesen hatten, verbanden wir uns durch Hand-
schlag zum Worthalten.
Der Engländer fuhr dann fort, mir seine Reisen zu er-
zählen und so gelangten wir endlich auf den Gipfel des Ber-
ges. Wie Ihr alle wißt, steht auf demselben ein Gasthaus,
so daß man also den höchsten Gipfel desselben, wörtlich ge-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Klassisch-modern"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Stutzer <Motiv>
Vatermörder <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 637, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg