Fliegende Blätter (28.1858 (Nr. 653-678))

Master Vorwärts.

fflictne Herren! Alle Welt liest Humboldt's Kosmos —
wer aber hat sich bis jetzt die Mühe gegeben, die Forschungen
und Ideen dieses universellen Gelehrten nationalökonomisch
areszubcuten! ? Bereits sind 3 Bande erschienen und der vierte
steht in naher Aussicht, und noch ist nicht Eine der darin nic-
dergelegtcn Ideen in's praktische Leben übergegangen. Machen
wir den Anfang, meine Herrn! damit nicht länger die Wohl-
thatcn der Wissenschaft der Menschheit entzogen bleiben. Sehen
Sie! da lese ich gleich auf Seite 27,1: „Die Erdwärme nimmt
mit der Tiefe immer mehr zu, so daß fünf gcographsschc Meilen
unter der Oberfläche eine Granitschmelzende Glühhitze herrscht. —"
Was sind 5 geographische Meilen heut zu Tage, wo man
Tunnels von 10 Meilen Länge unternimmt! Meine Herrn!
bohren wir die Erde an, auf 4 — 5 Meilen Tiefe; leiten wir
die Granitschmelzendc Glühhitze herauf an die Oberfläche, wo
dann große Oefen, Nationalöscn, angelegt werden, die eine
ganze Gegend erwärmen, und von wo aus die Wärme in
Rohren nach allen Richtungen hin geführt wird. Welche Er-
sparniß von Brennmaterial! Welche Vereinfachung der Heiz-
apparate! Jedes Haus kann vom Nationalofen aus auf die
wohlfeilste Weise von der Welt geheizt werden; ja, waS noch
weit mehr ist: wir können ganze Gegenden des rauhen kalten
Nordens in den herrlichsten Süden verwandeln; wir können
dann die Berge des Schwarzwaldes, des Fichtelgebirges, des

Böhmerwaldes etc. abholzen und init Reben bepflanzen, die in
der Wärme der Muttererde hcranrcifen, — O, meine Herr»!
die einzige Idee des großen Humboldt, nationalökonomisch aus-
gebcutct, ist Millionen, ist Milliarden werth! Legen wir Hand
an's Werk, die Kosten der Herstellung dieser großartigen Heiz-
ung sind eine Bagatelle gegen die ungeheuren Vortheile, die
sie uns gewährt!

Wa'r's nicht besser, Herr Doktor!

Der Doktor Schluckmeier saß eben im Wcinhans und
mochte wohl etwas zu tief in's Glas geschaut habe», als er eilig
zu einem schwer Erkrankten gerufen wurde. Zwar ungern,
erhob er sich doch, sammelte sich ein wenig und ging zu dem
Patienten, einem Postillon, de» ganz plötzlich ein hitziges Fieber
überfallen hatte. Er verschrieb ihm Blutegel, ließ sie sogleich
aus der Apotheke holen und übernahm, da die Frau dcö
Kranken sich sehr ungeschickt anstellte, selbst das Geschäft ihm
dieselben a» die Beine anzulege». Aber trotz allen Bemühungen
und Fluchen, des Doktors wollte» die Blutegel nicht an-
beiße», so daß nach einer Viertelstunde endlich Schluckmeier die
Geduld verlor und aufhören wollte. Da trat plötzlich die Frau
des Postillons, die bisher gespannt bei der Operation zugeschauk