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Er hat Actien.
ihr künftiger Gatte Vermögen hat," polterte Holm, „und
mit der Zeit", setzte er zu einem spöttischen Lächeln sich zwin-
gend, hinzu, „wird der Herr Postsckretär wohl auch in Ver-
gessenheit gcrathen."
„Bei Lina gewiß nicht," rief Martha ernst und be-
itimmt. „Und Wolfram, wie ich ihn kenne, würde gewiß
um unsere Tochter werben, auch wenn sic kein Vermögen ihm
zubrächte. Uebrigens," setzte sie in einen ruhigen Ton ein-
lenkend hinzu: „ Wolfram kann hinsichtlich seines guten Rufes
und seiner amtlichen Stellung getrost bei den geachtetsten
Familien der Stadt als Freier anklopfen, er wird gewiß
überall freundliche Aufnahme finden, wo nur irgend heiraths-
fähige Töchter sind. Auch ist er noch jung, kann zu einer
höheren, einträglicheren Stellung gelangen, und wie mir Sach-
verständige gesagt, würde es ihm gar nicht schwer werden,
eine gute Postmeisterstelle zu erhalten, sobald eine solche vacant
wird, und dazu bietet sich oft Gelegenheit."
„Aber Martha!" rief jetzt vorwurfsvoll Holm, auf
welchen der Titel „Postmeister" die gehoffte Wirkung nicht
verfehlte, „wenn Du gar so angelegentlich die Partei dieses
Herrn Wolfram nimmst, und so genau unterrichtet zu sein
scheinst, wie innig das Verhältniß deffelben zu unserer Tochter
geworden ist, warum erfahre ich dies Alles erst jetzt?"
„Ich habe erst vor wenigen Tagen von Lina das Ge-
ständniß ihrer Liebe zu Wolfram erhalten, und ihr verspro-
chen, es nicht eher zu verrathen, bis Wolfram selbst sich in
dieser Angelegenheit an uns wenden würde, was eben wahr-
scheinlich nächsten Sonntag geschehen sollte."
„Und wo steckt denn Lina?"
„Ich habe sie zu Pastor's geschickt, mir den Schnitt zu
einer Mantille zu holen und dort wird man sie nicht gleich
fvrtlassen," entgegnete Martha, und verließ von einer Magd
abgerufen, den Balkon, Holm aber strich sich wiederholt mit
der Hand über die Stirn und brummte grollend, indem er
sich nach seinem Zimmer begab: „Das ist eine ganz dumme
Geschichte, ja, wenn er Postmeister wäre, aber so nicht,
daraus wird nichts."
Lina, welche nach acht Uhr Abends wieder nach Hause
zurückgekehrt war, nachdem sie vier angstvolle Stunden in der
ihr befreundeten Familie des Pastors zugebracht hatte, dessen
Pfarrhaus vom Holm'schen Gute nur wenige Minuten ent-
fernt lag, hatte den Vater nicht wieder zu Gesicht bekommen.
Die Mutter aber theilte ihr mit, wie es dem Geliebten er-
gangen, tröstete sie aber auch, daß auf eine günstigere Sinnes-
änderung des Vaters noch zu hoffen sei. Sie war daher,
nachdem sie unter Thränen die Mutter umarmt und nochmals
gebeten, sich ihrer und ihres Wolframs anznnehmen, auf ihr
Stübchen gegangen und hatte dort in einem Briefe an den
Postsekretär unter den Betheuerungen der zärtlichsten Liebe
diesem geschrieben, was sie von der Mutter erfahren und ihn
auf das Innigste gebeten, den Muth nicht zu verlieren und
auf ihre Treue fest zu bauen, denn nur er habe ihr Herz und
keinem Andern als ihm würde sie als Braut zum Altäre folgen.
Dieses Schreiben der Geliebten war ein Sonnenblick
in finsterer Kcrkernacht für den durch Holms Erklärung aus
all' seinen Himmeln gestürzten Postsekretär, der als der Brief
Lina'S an ihn gelangte, einsam in seinem Zimmer saß und
unter banger Sehnsucht nach der Geliebten voll stummen
Schmerzes und bitteren Grolls über die erlittene Demüthigung
vergebens Pläne brütete, wie er dem Vater entgegen arbeiten
könne, uni sich Linas Besitz zu sichern, und diese nicht einer
unglücklichen Ehe Preis zu geben, da gewiß bald ein von
dem Vater begünstigter Werber um deren Hand erscheinen
würde.
„Ja, ich baue auf deine Treue! Du theures holdes We-
sen!" rief Wolfram begeistert, und drückte den Brief zärtlich
an seine Lippen, dann aber bewahrte er ihn sorgfältig im ge-
heimen Fache seines Schrcibpultes auf, und begab sich, als
die Stunde des Dienstes ihn rief, auf die Post, um unter
dringenden Arbeiten auf kurze Zeit den bittcrn Kummer zu
vergessen, der das bangende und sehnende Herz des jungen
hübschen Mannes erfüllte, dessen sonst so heiterer offener und
ehrlicher Blick heut von stiller Schwcrmuth umflort war.
Im Hause des Friedensrichters aber war es seit jenem
Nachmittage immer stiller geworden, und Holm, gewöhnt,
beim Kaffee, beim Mittagessen und Abcndbrod mit den Sei-
nigen vertraulich zu plaudern, fand seine Frau ernster und
verschlossener als je; Lina, die sonst von früh bis Abends
fröhlich gesungen und gelacht, vermied mit dem Vater zu-
sammen zu treffen, • der trotz des Beistandes der Mutter und
deren Fürsprache, bei seinem Ausspruche stehen geblieben war,
daß er seiner Tochter ferneren Umgang mit dem Postsckretär
streng entgegen sei.
Und doch sprach es in seinem Innern zu dessen Gunsten
mehr als je; er zweifelte gar nicht, daß der solide Postsekrc-
Er hat Actien.
ihr künftiger Gatte Vermögen hat," polterte Holm, „und
mit der Zeit", setzte er zu einem spöttischen Lächeln sich zwin-
gend, hinzu, „wird der Herr Postsckretär wohl auch in Ver-
gessenheit gcrathen."
„Bei Lina gewiß nicht," rief Martha ernst und be-
itimmt. „Und Wolfram, wie ich ihn kenne, würde gewiß
um unsere Tochter werben, auch wenn sic kein Vermögen ihm
zubrächte. Uebrigens," setzte sie in einen ruhigen Ton ein-
lenkend hinzu: „ Wolfram kann hinsichtlich seines guten Rufes
und seiner amtlichen Stellung getrost bei den geachtetsten
Familien der Stadt als Freier anklopfen, er wird gewiß
überall freundliche Aufnahme finden, wo nur irgend heiraths-
fähige Töchter sind. Auch ist er noch jung, kann zu einer
höheren, einträglicheren Stellung gelangen, und wie mir Sach-
verständige gesagt, würde es ihm gar nicht schwer werden,
eine gute Postmeisterstelle zu erhalten, sobald eine solche vacant
wird, und dazu bietet sich oft Gelegenheit."
„Aber Martha!" rief jetzt vorwurfsvoll Holm, auf
welchen der Titel „Postmeister" die gehoffte Wirkung nicht
verfehlte, „wenn Du gar so angelegentlich die Partei dieses
Herrn Wolfram nimmst, und so genau unterrichtet zu sein
scheinst, wie innig das Verhältniß deffelben zu unserer Tochter
geworden ist, warum erfahre ich dies Alles erst jetzt?"
„Ich habe erst vor wenigen Tagen von Lina das Ge-
ständniß ihrer Liebe zu Wolfram erhalten, und ihr verspro-
chen, es nicht eher zu verrathen, bis Wolfram selbst sich in
dieser Angelegenheit an uns wenden würde, was eben wahr-
scheinlich nächsten Sonntag geschehen sollte."
„Und wo steckt denn Lina?"
„Ich habe sie zu Pastor's geschickt, mir den Schnitt zu
einer Mantille zu holen und dort wird man sie nicht gleich
fvrtlassen," entgegnete Martha, und verließ von einer Magd
abgerufen, den Balkon, Holm aber strich sich wiederholt mit
der Hand über die Stirn und brummte grollend, indem er
sich nach seinem Zimmer begab: „Das ist eine ganz dumme
Geschichte, ja, wenn er Postmeister wäre, aber so nicht,
daraus wird nichts."
Lina, welche nach acht Uhr Abends wieder nach Hause
zurückgekehrt war, nachdem sie vier angstvolle Stunden in der
ihr befreundeten Familie des Pastors zugebracht hatte, dessen
Pfarrhaus vom Holm'schen Gute nur wenige Minuten ent-
fernt lag, hatte den Vater nicht wieder zu Gesicht bekommen.
Die Mutter aber theilte ihr mit, wie es dem Geliebten er-
gangen, tröstete sie aber auch, daß auf eine günstigere Sinnes-
änderung des Vaters noch zu hoffen sei. Sie war daher,
nachdem sie unter Thränen die Mutter umarmt und nochmals
gebeten, sich ihrer und ihres Wolframs anznnehmen, auf ihr
Stübchen gegangen und hatte dort in einem Briefe an den
Postsekretär unter den Betheuerungen der zärtlichsten Liebe
diesem geschrieben, was sie von der Mutter erfahren und ihn
auf das Innigste gebeten, den Muth nicht zu verlieren und
auf ihre Treue fest zu bauen, denn nur er habe ihr Herz und
keinem Andern als ihm würde sie als Braut zum Altäre folgen.
Dieses Schreiben der Geliebten war ein Sonnenblick
in finsterer Kcrkernacht für den durch Holms Erklärung aus
all' seinen Himmeln gestürzten Postsekretär, der als der Brief
Lina'S an ihn gelangte, einsam in seinem Zimmer saß und
unter banger Sehnsucht nach der Geliebten voll stummen
Schmerzes und bitteren Grolls über die erlittene Demüthigung
vergebens Pläne brütete, wie er dem Vater entgegen arbeiten
könne, uni sich Linas Besitz zu sichern, und diese nicht einer
unglücklichen Ehe Preis zu geben, da gewiß bald ein von
dem Vater begünstigter Werber um deren Hand erscheinen
würde.
„Ja, ich baue auf deine Treue! Du theures holdes We-
sen!" rief Wolfram begeistert, und drückte den Brief zärtlich
an seine Lippen, dann aber bewahrte er ihn sorgfältig im ge-
heimen Fache seines Schrcibpultes auf, und begab sich, als
die Stunde des Dienstes ihn rief, auf die Post, um unter
dringenden Arbeiten auf kurze Zeit den bittcrn Kummer zu
vergessen, der das bangende und sehnende Herz des jungen
hübschen Mannes erfüllte, dessen sonst so heiterer offener und
ehrlicher Blick heut von stiller Schwcrmuth umflort war.
Im Hause des Friedensrichters aber war es seit jenem
Nachmittage immer stiller geworden, und Holm, gewöhnt,
beim Kaffee, beim Mittagessen und Abcndbrod mit den Sei-
nigen vertraulich zu plaudern, fand seine Frau ernster und
verschlossener als je; Lina, die sonst von früh bis Abends
fröhlich gesungen und gelacht, vermied mit dem Vater zu-
sammen zu treffen, • der trotz des Beistandes der Mutter und
deren Fürsprache, bei seinem Ausspruche stehen geblieben war,
daß er seiner Tochter ferneren Umgang mit dem Postsckretär
streng entgegen sei.
Und doch sprach es in seinem Innern zu dessen Gunsten
mehr als je; er zweifelte gar nicht, daß der solide Postsekrc-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Er hat Actien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1158, S. 91
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg