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Der tobte Konsul.

Es ist ja ein wehes Gefühl für jeden Menschen, wenn
er einen Freund — ja selbst nur einen Bekannten, gesund und
in voller Manneskraft verlassen hat und ihn nun Plötzlich kalt
und starr auf der Bahre wiederfindet. Und nicht allein um den
Geschiedenen trauern wir, nein uns selber beschleicht ei» unge-
wisses Etwas — ein Bewußtsein unserer eigenen Schwäche und
Hilflosigkeit, dem düsteren geheimnißvollen Schicksal gegenüber, |
denn wer von Allen kann sagen, wann seine eigene Stunde
schlägt, und ob der Tod nicht schon an seiner eigenen Thür
den Finger zum Anpochen gehoben hat.

„Wo befindet sich den» die Frau Konsul?" flüsterte Se-
nator Bertram dem Verivaltcr zu, als dieser die Treppe er-
stiege» und die Hand auf die nächste Thürklinkc gelegt hatte, !
aber noch nicht öffnete, bis auch die Letzten der Herren herauf
sein würden.

Der Verwalter deutete nur schweigend auf das Zimmer
der Frau Konsul, über dem Gang drüben - die Herren hatten
sämmtlich ihre Hüte abgenommen, und Senator Bertram zog
sein Taschentuch heraus.

„Bitte, meine Herren, treten Sie ein!" sagte der Ver-
walter leise, drückte vorsichtig auf die Klinke, um so wenig Ge-
räusch als möglich zu machen — und stieß dann die Thür auf.

Das erste, worauf der Blick der zuerst Eintretenden fiel,
war eine lange gedeckte Tafel, aber wie zu Stein standen sie

erstarrt, als mit einem laut donnernden „Hurrah! da Hab' ich
sie!" niemand Anderer, als der Todtc, Konsul E. F. Blickers-
dorf, hinter dem Tische vorstürztc und sich ausschüttcn wollte
vor Lachen, als er die stieren Blicke der auf ihm haftenden
Freunde bemerkte.

„Blickersdorf!" schrie Senator Bertram in unbegrenztem
Erstaunen, und sein Blick flog durch das Zimmer, wo er in
voller Toilette nicht allein die lächelnde Frau Konsul, son-

dern noch einen ganzen Damenflor entdeckte — aber zugleich!
auch, wie sein Auge über den Tisch hinschweifte, eine volle
Batterie von dort aufgcstellten Weinflaschen, die nur der Gäste
harrten. „Oh, Sic alter Halunke!" wandte er sich da in
komischem Zorn an den Verwalter, dessen Gesicht aber jetzt i»
Zuckungen gcrathen sein mußte, denn die Augen verschwanden
fast, und wie ein Wetterleuchten blitzte und zerrte es nach allen !
Seiten zugleich hin.

„Nein aber Blickersdorf! alter Schwede! Junge, alter
Freund!" schrie cs von allen Seiten zugleich und die Herren
warfen sich auf ihn und preßten ihn stürmisch an die Brust,
„spielst Du denn Komödie?"

Jetzt folgte eine solche Scene des Tumults, daß weder
eine ordentliche Frage noch Antwort möglich wurde. Alles
drängte durcheinander, umarmte sich, schüttelte sich die Hände
nnd die Leute thatcn wirklich genau so, als ob ihr alter Freund,
der Konsul, eben einer thatsächlichcn Lebensgefahr entgangen
und vom Tode erstanden wäre.

Endlich aber, und wohl erst nach einer Viertelstunde, legte
sich der Tumult, und Blickcrsdorf — während die Gäste an der
Tafel Platz nahmen und Senator Bertram vor allen Dingen
ein großes Glas Wein leerte, tvobci er dem Verwalter wieder
einen komisch drohenden Blick zuwarf — mußte jetzt erzählen,
was ihn zu dem tolle» Einfall getrieben, und die Sache war
allerdings einfach genug. Er hatte, wie er unter
einem laut ausbrcchcnden Hurrah der Hamburger
Herren erzählte — sein Gut hier verpachtet und
stand im Begriff, wieder nach Hamburg zu ziehen.
Seiuc Sachen waren schon gepackt und die Ab*
reise auf morgen bestimmt gewesen. Vorher aber
wollte er unter jeder Bedingung hier noch einen
richtigen Abschiedsschmaus halten, wozu er nottp
wendig seine Hamburger Freunde brauchte. Daß
die aber nicht in dieser Jahreszeit und bei de»'
Wetter zu einem Diner in solche» abgelegene»
Winkel der Welt kamen, wußte er gut genug
ausgenommen cs konnte etwas ausgefunden we^
den, dem sic sich nicht gut entziehen durften, und
sein Verwalter, Herr Jochet, sei da auf den aus^
gezeichneten Gedanken gefallen, seine Todesnaclp
richt einrücken zu lassen und die bestimmten Her'
re» zum Bcgräbniß zu bitten. Senator Bcrtrai»
drohte ihm wieder mit der Faust hinüber.

Das war nun vollständig gelungen, aber
dafür auch unumgänglich uöthig geworden, daß
er nun hier fort und wieder nach Hamburg zog'
„Denn." setzte er trocken hinzu, „wenn ich jetzt hier wirklich
stürbe, so glaubte es mir kein Mensch mehr, und ich müßk
mich allein und einsam hinaustragen und cinscharren lassen."

Und der Jubel, der nun ausbrach! — Das Wetter nn»
freilich entsetzlich geworden. Der gefrorene Regen peitschte gcge»
die Fenster, als ob er die Scheiben hinein schmettern wolle,
aber was kümmerte das die fröhlichen Menschen, von dc»c»
durch die cigenthümlichc Einladung jeder Zwang gciioumic»
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der todte Consul"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Beckmann, Conrad
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Konsul
Trauer <Motiv>
Freundeskreis
Geschirr <Hausrat>
Herr <Motiv>
Zylinder <Kopfbedeckung>
Stuhl <Motiv>
Dame <Motiv>
Freude <Motiv>
Tisch <Motiv>
Weinflasche
Überraschung <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 56.1872, Nr. 1388, S. 58

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