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Die Gartenkunst — 8.1906

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Schulze, Otto: Wie ich mir den kleinen Garten denke
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0031

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Mi, 2

DIE GARTENKUNST

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Hausgärten.

Wie ich mir den kleinen Garten denke.

Von

O. Schulze, Direktor der Kunstgewerbeschule in Elberfeld.

Dieses im letzten Jahrzehnt immer auf der Tages-
ordnung über Kulturfragen gewesene Thema, mit dem
sich Berufene und Unberufene bis zur offenen Kampfweise
beschäftigen, ist seit der letzten „Gartenbauausstellung in
Darmstadt" wieder besonders heftig umstritten worden.
Das zeugt von dem hohen Werte, den man der Bedeutung
des Gartens, sei seine Abmessung grol's oder kloin, in
seiner Beziehung zum Hause und zur Wohnstätte, zur
Kultur im allgemeinen und zur Kunst im besondern zumil'st.

An sich ist damit nichts Neues gesagt, denn das, was
damit umschrieben wird, geht auf die graueste Vorzeit
zurück, auf jene Menschen, die nach langem Umher-
streifen und Wandern zu jener Gefühlswallung angesichts
eines besonders einladenden Landflockons gelangton, die
das umschlol's, was mit Worten umschrieben heilst: „Hier
ist es gut sein, lafst uns Hütten bauen."

Und diese Hütten unterschieden sich dadurch wesent-
lich von ihren unsteten Stiefgeschwistern auf Abbruch,
die mit den Jahreszeiten auf andere Jagd- und Weide-
gründo wanderten und dann beliebig in die Natur hin-
eingebaut wurden, darin, dafssie, wo ihre Stützen und Träger
in der Erde wurzelten, gleich ein Stück Natur an sich
rissen, es umhegten, einfriedigten und bebauten und
pflegten. Das Hausleben an sich forderte ein geschütztes
Stück Land gerade bei denen, die Ackerbau trieben, um
es sowohl gegen wilde Tiere als gegen die eigenen Herden
abschliefsen. So denke ich mir auch, dal's der erste
Garten aus dem umzäunten Ackergelände, angeschmiegt
an die erste Hütte, hervorgegangen ist. Die erste Scholle,
die dem Menschen so im eigentlichen Sinne ans Herz wuchs,
wurde zum Garten, wenn auch nicht in der Umschreibung,
die heute einen so hohen Prozentsatz unserer Wünsche
nach irdischem Gut einschliefst. Damals hat offenbar
der sogenannte Nutzgarten übergewogen, denn der Mensch
dürfte nur die Gewächse hereingeholt haben, die ihm und
seinen Tieren als Nahrung dienen konnten. Mag sein
erstes Schmuckverlangen noch so grol's gewesen sein, der
damalige, im Kampfe mit der Natur und ihren Geschöpfen
liegende Mensch hatte noch kein für Blumen empfäng-
liches Auge. Trophäen, d. h. die Waffen und Zierden
erbeuteter und überwundener Tiere, Krallen, Zähne, Federn,
Knochen, Haarbüschel und andere Teile waren Schmuck
der damaligen Menschen, der Triumph des Siegers über
den Unterlegenen.

Viel, viel später hat sich das innere Auge des Menschen
gebildet, hat Licht und Farbe empfunden und das erkannt,
was über die Notdurft und Nöte des Lebens hinausragt.

So hat er die ersten Blumen, die durch Farbe, Geruch und
Form des Menschen Wohlgefallen erregten, von Wiese
und Wald in die Nähe seiner Hauswändo herangeholt
um sich mit ihnen zu schmücken und sein Leben nach
der Arbeit zu schönen.

Alle diese Vorgänge wiederholen sich noch heute,
draufsen auf dem Lande, in der Nähe der Grofsstädte
und innerhalb dieser selbst, vor und hinter ihren
Häuserblöcken. Und wo der von der Armut gestreifte
kleine Mann in einer Garten- oder Laubenkolonie seine
25 Puls Geviert Boden erhält, da baut er Gemüse an
für die Bedürfnisse seines Haushalts und darüber hin-
aus senkt er einige Körner der Sonnenblume, Kürbisse
und vom Mais in die Erde, um sich, weil ihm das feine
Empfinden für liebliche Schönheit abgeht, an ihrem etwas
aufdringlichen Gebahren im Wachsen, Blühen und Frucht-
tragen zu erfreuen. Einer verwandten Erscheinung be-
gegnen wir in jeglichem Schmuckverlangen der kleinen
Leute, auch der Kleinste will etwas scheinen, sich von
seiner Nachbarschaft abheben. Und wo der erste modische
Rock und Hut ins Dorf zieht, da wird der Volkstracht
das Messer an die Naht gelegt, trotz allem Geschrei nach
Erhaltung der für unsere moderne Zeit, die immer
mehr von sozialen Forderungen durchsetzt wird, so selt-
samen Kostüme, die ihren Trägern keineswegs mehr die
Freude bereiten, die die haben, die sie darin sehen möchten.

Ahnlich geht es mit dem Garten und, setzen wir hinzu,
mit dem kleinen Garten, weil er uns ausschliel'slich
beschäftigt. Man hat lange nach dem Bauerngarten, dann
nach dem Biedermeiergarten geschrien, also nach solchen
Gartenbildern, die nicht nach der Schablone der etwas
berufsmäfsig und technisch verknöcherten Landschafts-
gärtnerei, der reduzierten Parkanlage und ihrer dem Boden
entrissenen Waldwildnis an menschliche Wohnstätten ge-
hängt werden. Der kleine Garten vor 5U und 100 Jahren,
der still zwischen den Häuserblöcken der alten Teile unserer
Städte träumt und nach unseren Begriffen an der Hand
moderner Grund- und Bodenwerte vielmehr schon ein
grofser Garten ist, birgt recht stattliche alte Bäume, die
sich immer noch strecken und dehnen, ohne gegen Nach-
barhäuser zu stofsen. Die Mehrzahl der kleinen Gärten von
heute ist aus ihren Verstecken hervorgeholt worden, an
die Häuserflucht der Strafse gestellt. Die baupolizeilichen
Forderungen haben zugunsten des Hofes seinem Dasein
eine andere Wendung und Bestimmung gegeben. Der
Vordergarten ist eigentlich mehr oder weniger seinem
rechtmäfsigen Besitzer oder Nutzniefser entzogen und zu
einem Bestandteil des ideellen öffentlichen Besitzes ge-
worden. Wer will bauen an den Stral'sen, der mufs die
Leute reden lassen. Heute ist der Vorgarten noch nicht
unter Polizeiaufsicht gestellt, doch die Zeit dürfte nicht

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