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Die Gartenkunst — 8.1906

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18

DIE GARTENKUNST

VIII, 1

Mit Frist bis zum 1. Juli 1906 ist ein Wettbewerb für
die Ausgestaltung der Umgebung des Ulmer Münsters

ausgeschrieben worden.

Der Münsterplatz soll in einer dem praktischen Bedürfnis
und den Forderungen des Schönheitssinnes entsprechenden
Weise ausgestaltet werden. Verlangt wird die Ausarbeitung
gärtnerischer und architektonischer Vorschläge, die, soweit er-
forderlich, durch perspektivische Zeichnungen zu erläutern sind.

.Die ausgesetzten Preise betragen 2000, 1500 und 1000 Mk.
Preisrichter sind u a. die Herren Th. Fischer-Stuttgart, Prof.
Hocheder-München und Geh. Oberbaurat 1 lofmann-Darmstadt.
Unterlagen versendet gegen Einzahlung von 3 Mk. das Münster-
bauamt.

Wir hätten gern gesehen, wenn eine gartenkünstlerische
Autorität in das Preisgericht berufen worden wäre und es
wäre dies auch nur im Interesse der Sache zu begrüfsen gewesen.

Trotzdem dürfen wir wohl erwarten, dal's auch Herren,
welche Gartenkunst berufsmässig ausüben, sich an dem Wett-
bewerb beteiligen werden.

Wir werden auf die Angelegenheit demnächst noch zurück-
kommen.

Im Verein zur Beförderung des Gartenbaus in den
preufsischen Staaten zu Berlin wurde am 30. November
von Fräulein A. G. deLeeuw eine Sammlung farbiger Zeich-
nungen vorgeführt.

Jede dieser Zeichnungen stellte einen Kontrast dar
zwischen irgend welcher unnatürlichen Gartenbehandlung und
einer natürlicheren Behandlung desselben Motivs.

Z. B. neben der falschen Grazie von zwischen Kugel-
akazien gepflanzten und heraufgezogenen Scheingirlanden sah
man echte, vom lebendigen Material selbst angegebene Grazie.
Neben dem Profil einer landläufigen Blumentorte aus roten
Geranien, blauen Lobelien und weifsen Chamomillen mit einer
Dracaena in der Mitte, — blühende Stauden in der vollen
Grazie ihres natürlichen Wuchses. Neben steifer Figürchen-
legerei innerhalb einer Einfassung — fein abschattierte Blumen-
gruppierungen am Gehölz entlang. Neben einem Bild des
Darmstädter „Koten Gartens" einen roten, gelben und blauen
Garten, wo rote resp. gelbe und blaue Blumen zwischen dem
dazu gehörigen Grün die volle Schönheit des natürlichen
Pflanzenwuchses zur Schau tragen. Neben einem Stück
„Siegesallee", wie sie ist, einen gemalten Vorschlag um die-
selbe durch Änderung der zwischen den Statuen liegenden
Gartenanlagen, weniger monoton zu machen.

Im Anschlufs an diese Zeichnungen hielt Frl. de L. einen
Vortrag, in dem sie den hohen Wert des lebendigen Materials
in der Gartenkunst betonte.

An der Hand der Geschichte der Gartenkunst legte sie
dar, wie das Prinzip, in Harmonie mit der Natur zu arbeiten,
sich mühsam loszuringen hat aus der Vormundschaft der mit
totem Material arbeitenden Architektur. Der italienische, franzö-
sische, alt-holländische Stil arbeiteten alle nach den Grund-
sätzen der Architektur. Innerhalb ihres Kahmens sollte die
Menschenhand die Pflanzen in willkürliche Formen zwingen;
ein höheres gartenkünstlerisches Ideal kannte man damals
nicht. Das kam erst mit dem englischen Parkstil, hier in
Deutschland Landschaftsgärtnerei genannt. Dessen Aufschwung
vor etwa hundert Jahren war für die Gartenkunst ein eben
so grofses Ereignis, wie in der Naturwissenschaft die Anfänge
der Evolutionslehre durch Lamarch und de (Jandolle ; Le Notre
verhält sich zu William Kent wie Linne zu Darwin.

Leider ist man nun im Laufe des neunzehnten .Jahrhunderts
teilweise wieder von dieser grofsartigen Errungenschaft, von
dem Bestreben in Harmonie mit der Natur zu arbeiten, abge-

wichen. Veranlassung dazu war hauptsächlich der Aufschwung
der Blumenkultur in den fünfziger Jahren. Aus irgend welcher
BequemJichkeitsursache unterliefs man es, diesen neuen Blumen-
schatz gleich nach dem Prinzip der Landschaftsgärtnerei an-
zuordnen. Man legte sich daraus nach geometrischen Mustern
allerhand Figürchen, Mosaiken, Teppichbeete, Arabesken, —
sehr unfolgerichtig, mitten in schön gruppierten Landschafts-
gärten und nannte diese sonderbare Kombination mit einer
gewissen Entschuldigungsphrase den „gemischten Stil".

Durch die Ergebnisse der neuesten Mode, wie sie sich
für Deutschland hauptsächlich in der Darmstädter Ausstellung
offenbart hat, scheint nun dieser „gemischte Stil" gesprengt
zu werden. Aber der Erfolg ist leider nach der unnatürlichen,
statt nach der natürlichen Seite.

Daher rief Frl. de L. die deutschen Gärtner auf, aus der
Fülle ihres schönen Materials selbst eine edlere „Mode" da-
neben zu stellen. Der öffentliche Geschmack, so behauptete
sie zum Schlufs, ist ein knetbares Ding, eine Entwickelung
selbständiger Gartenkunst ist nur dann möglich, wenn man
sich, statt an zweifelhafte Beispiele, an den Charakter des natür-
lichen Materials hält.

Bücherschau.

Victor Zobel: „Über Gärten und Gartengestaltung."

Verlag von Georg D. W. Oallwey-München.

Wieder eine Stimme aus dem Darmstädter Lager moderner
Kunstbestrebungen! Diesmal ist es kein Künstler, der uns
seine Gedanken über das umzuformende Gebiet der Kunstaus-
übung mitteilt, sondern ein „Kunstverständiger", den sein
Interesse an der Sache und für die neue Kunstrichtung
veranlal'st hat, eine Anzahl alter und neuer Schriften über
Gartenkunst zu studieren und die so gewonnene Erkenntnis
uns mitzuteilen.

Der Verfasser sagt in seinem Vorwort, es liege der Arbeit
in der Hauptsache ein Vortrag zugrunde, zu dessen Aus-
arbeitung die Darmstädter Gartenbauausstellung dieses Sommers
den Anlafs gegeben habe.

Man mufs es den Darmstädter „Modernen" zugestehen,
dal's sie ihre künstlerischen Ansichten und Taten publizistisch
vorzüglich zu verwerten verstehen, und als praktische Leute
eingesehen haben, dafs das grofse Publikum für längere auf
ernstem kunsthistorischen und ästhetischen Studium auf-
hauende mal'svolle Schriften keine Zeit und kein Interesse
mehr hat. — Je schärfer und rücksichtsloser im Verdammen
früherer und noch herrschender Kunstanschauungen, um so
besser! — In ganzen 86 Kleinfolioseiten gibt uns das Schrift-
chen in acht Kapiteln und fünf Unterabteilungen die Kunst-
geschichte des Gartens, sein Wesen, die Lehren, welche
wir aus beiden ziehen und die neuen Wege, welche be-
schritten werden sollen. In der Beweisführung derselbe Ge-
dankengang, den wir aus den verschiedenen mündlichen und
schriftlichen Äul'serungen unserer „Übermodernen" über die
Gartenkunst kennen. — „Die landschaftliche Garten-
kunst ist überall verfehlt, ja ist überhaupt keine
Kunst." Sie gibt vor nachzuahmen, vermag aber nichts
Eigenes zu schaffen. Sie hat jede Fühlung mit der Architektur
und wahrer Kunst verloren. Darum weg mit den „Garten-
fachleuten" und „Künstler heran!" So klang es aus den
während der Darmstädter Gartenbau-Ausstellung gehaltenen
Vorträgen, so klingt es durch dieses Büchlein!

Eine Probe in dieser Hinsicht: „Das ganze hilflose
Gartenelend liegt vor unseren Augen, wenn wir den üblichen
 
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