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Die Gartenkunst — 8.1906

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Salisch, Heinrich von: Geradlinige Wege in Garten und Park
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Schneider, Camillo: Landschaftliche Gartengestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0194

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VIII, 9

DIB GARTENKUNST

181

wendung kommenden natürlichen Gegenstände hinaus-
geht und deren ganze Natur durch künstliches Beschneiden
abändert, wo os nicht durchaus notwendig ist. Wie weit
diese Unregelmäfsigkeit in der Umgebung zu reichen habe,
hängt vom Charakter des Gebäudes und der Lage ab.
Bei einem bescheidenen, ländlichen Wohnhause ist selten
mehr nötig, als dals die Wege an das Haus sich rcgol-
mälsig anschliel'sen und einige Blumengruppen im Rasen
vor dem Hause eine regelmäßige Lage zum Gebäude er-
halten; bei greiseren, palastartigen Gebäuden wird, da es
in der Regel auch Bedürfnis ist, diese Regelmäßigkeit
sich weiter aussprechen in der Anlage regelmäßiger
Plätze und auch wohl regelmäßiger Pflanzungen um das
Gebäude; jedoch darf es stets nur auf solche Ausdehnung
geschehen, daß die Aussichten dadurch nicht beengt oder
gestört werden. Demnach hat man sich mit möglichst
beschränkter Ausdehnung der regelmäßigen Anordnung
zu begnügen, zumal es sehr wohl möglich ist, durch
außerordentliche Sauberkeit, Zierlichkeit und Reichtum
auch in den angrenzenden, unregelmäßigen Abschnitten,
wie es die neueren Pleasuregrounds zeigen, die ordnende
Hand und Kunst offen darzulegen, ohne die Natur zugleich
zu verzerren."

Es will mir manchmal scheinen, als ob den werten
Herren, die jetzt so eifrig über Gartenkunst schreiben, die
vorstehenden und viele ähnlich lautende Kundgebungen
der gärtnerischen Altmeister unbekannt sein müßten; sie
würden sonst es nicht für nötig halten, so ungestüm die
Rückkehr zu überwundenen Stilformen oder die Erfindung
ganz neuer Richtungen für die Gartenkunst zu verlangen.

Den vorstehenden Ausführungen füge ich eine Nach-
schrift hinzu: der Herr Schriftleiter der Gartenkunst hatte
die Freundlichkeit, nach Empfang meinos Manuskriptes
mir seinen am 22. August v. J. in Darmstadt gehaltenen
Vortrag zu senden („Die rückständige Gartenkunst", Berlin
bei Borntraeger), darin fand ich meine Gedanken bereits
fast vollzählig und einige sogar mit überraschend ähnlichen
Wendungen vor, und ich erwog schon, mein Manuskript
als überholt zurück zu erbitten; ich habe davon aber doch
Abstand genommen, denn es mag doch wohl die Loser
interessieren, nachdem so viele Maler, Architekten und
auch einige Gartonkünstler zu Worte gekommen, dem
Gedankengang eines Forstmannes zu folgen, der sich
allerdings schon seit 32 Jahren landschaftsgärtnerisch
betätigt hat.

Lau (1 seil afüich e G arten gestaltn ug.

Es ist sehr bemerkenswert, daß in Architekten- und
anderen Künstlerkreisen, die sich jetzt so gern und teil-
weise auch mit so wohltuendem, innigem Verständnis der Ge-
staltung von Hausgärten annehmen, die Stimmen immer
zahlreicher werden, welche einer „landschaftlichen" Anlage
jede künstlerische Daseinsberechtigung absprechen. Eine
verständige Begründung für diese ihre Ansicht habe ich
noch nirgends gelesen. Wenn die Herren anführen, daß
die große Masse der heute bestehenden sog. landschaft-

lichen Anlagen ankünstlerisch sind, so haben sie freilich
recht. Aber damit ist im Prinzip nichts bewiesen, und
wir, die wir warm für landschaftliche Gestaltung ein-
treten, wo sie uns am Platze erscheint, müssen uns immer
wieder fragen, ob denn dieser vernichtende Urteilsspruch
vieler Künstler nicht darin seine Ursache hat, daß sie
noch nicht mit dem Wesen landschaftlicher Gartengestaltung-
vertraut geworden sind.

Wie dem auch sein mag, ich will versuchen, einige
wesentliche Züge der Landschaftsgärtnerei heute und in
einigen späteren Artikeln so zu skizzieren, wie ich sie
sehe. Ich will dadurch Fachleute anregen, die Lücken
meiner Darstellung, die ja fragmentarisch genug bleiben
muß, in ihrer Weise zu. ergänzen, ich möchte vor allem
aber auch Künstler, wie Schultz e-Naumb nrg, Olbrich,
Behrens u. a, dadurch auffordern, uns an dieser Stelle
einmal ihre Auffassung der Sachlage — wie sie auch sei
— zu verdeutlichen. Ich bin weit entfernt davon zu
glauben, daß in den Kreisen ernststrebender Fachleute
schon ein sicheres Bewußtsein herrsche dessen, was wir
anstreben müssen. Im Gegenteil! Die meisten von uns
fühlen wohl nur, daß etwas getan werden muß, vermögen
aber über das „Wie" kaum bewußte Rechenschaft zu
geben. Um so förderlicher wird, ich vermute, uns allen
eine gründliche Aussprache sein. — —

— — Daß bei der Landschaftsgärtnerei, soll sio
künstlerische Wege wandeln, von einem Nachahmen der
Natur nicht die Rede ist, wurde so oft ausgesprochen, daß
es uns wundert, wie dieser Einwand immer und immer
wieder erhoben werden kann. Ist die Natur doch eben
eine ganz unnachahmbare, für uns eigentlich gar nicht als
künstlerisch darstellbare Einheit zu fassende Größe. Sie
liegt vor uns in ihrer Unendlichkeit, in ihrem täglichen
Wechsel — und doch im Grunde die Ewige, Unveränder-
liche, vor der die Menschengenerationen kommen und
gehen. Was wir voll genießen, mit ruhigem Behagen ins
Auge fassen und auf uns einwirken lassen können, sind
immer nur feinste, allerfeinste Züge in ihrem ausdrucks-
reichen Antlitz. Nach solchen wendet der Landschafts-
gärtnor seine Blicke. Sein Auge schweift über die köst-
lichen Waldwieson, die wie kleine stille Klosterhöfe
zwischen dunklen Tannenmauern liegen oder von Buchon-
hallen umschlossen werden. Ein Bächlein tritt aus dem
Dunkel und läuft leise durchs blumige Grün, um bald
wieder zu verschwinden. Oder der Landschaftsgärtner
wandert durch weite Auen längs des Tieflandsflusses, den
steife Erlen, zitternde Pappeln und schmiegsame Weiden
säumen, während rechts und links auf oft überschwemmtem
gras- und krautreichem Grunde sich bald einzeln, bald
gesellig vereint Rüstern, Feldahorne, Eichen und wohl
auch Linden gestaltenreich massig emporheben. Eine
kurze Strecke ist er gegangen, und wie viele ausgezeich-
nete Motive sind an ihm vorbeigezogen, selbst wenn er
nur die Hauptlinien im Landschaftsbilde aufmerksam be-
trachtete.

Und nicht minder reich an Schönheiten ist ein Kiefern-
wald in der Heidelandschaft. Nicht minder ein Birken-
wäldchen im Sandboden oder ein sonniger Steinhang mit
 
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