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Die Gartenkunst — 8.1906

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Rothe, Richard: Die deutsche Gartenkunst aus weiter Perspektive
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Pudor, Heinrich: Zur Ästhetik des Waldes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0141

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180

DIE GARTENKUNST

VIII, 1

privatem Gebiete für die Gartenkunst immer neue Felder
der Betätigung sich öffneten. Sie, das ist die Garten-
kunst, trat heraus aus dem Rahmen königlicher und fürst-
licher Domänen und den Besitzungen der Feudalen Aristo-
kratie, um nun auch in die Dienste des Volkes zu treten,
aber ihre Ausübenden versäumten die richtige Fühlung
mit dem Volke zu nehmen und das Volk aufzuklären über
das Wesen ihrer Schöpfungen. Nur so ist es denkbar,
dafs nach einem Jahrhundort herrlichster, nationaler Ent-
faltung diese deutsche Gartenkunst unverstanden, wie ihre
Art heute noch bei der grofsen Masse derer, die aufser-
halb derselben stehen, ist, von der Kritik in der Weise
angegriffen werden konnte, wie es die Gegenwart zeigt.
Man sollte sich nun aber doch in Fachkreisen einmal auf
sich selbst besinnen. Da, wo der deutsche Landschafts-
gärtner bisher wirklich grol'szügig schaffte, war er aus
sich selbst heraus grunddeutsch. Ihrer Ei.^enartigkeit
wegen achtete und bewunderte die Welt seine Werke.
Mit dem Einimpfen des Kosmopolitismus in das Wesen
seiner Kunst kann er derselben zu weiter nichts ver-
helfen, als zu dem nichtssagenden Ausdrucke einer hüb-
schen Allerweltspuppe. So sehr wie ich dem deutschen
Handelsgärtner als Geschäftsmann den länderumspannen-
den weiten Blick wünsche und mich freue, wenn seine
Produkte auf dem Weltmärkte Beachtung finden, ebenso
sehr würde ich bedauern, wollte der deutsche Garten-
künstler anders als aus seinem ureigenen deutschen
Fühlen heraus zu arbeiten beginnen. Wenn ihm in
jüngster Zeit immer wieder und wieder die Lektüre der
Bücher seiner aufserhalb seines Berufes stehenden Kritiker
empfohlen worden ist, so wird ihm dieselbe ja keines-
wegs schaden, besonders, solange er darüber das Lesen
solcher Werke, die ihn mit der angeborenen, unveräußer-
lichen Denkweise und dem Fühlen seines Volksstammes
bekannt machen, nicht versäumt. Als eines der vor-
nehmsten dieser Art darf ich wohl „Hans Meyer, Das
deutsche Volkstum" nennen. Er wird dann in seinen
Bestrebungen aus seiner Zeit, für seine Zeit und kom-
mende Geschlechter neues zu schaffen, mit seinen Werken
im heimatlichen Boden wurzeln und die Nachwelt wird
nicht nötig haben, irre an ihm zu werden. Diejenigen
aber, deren jugendlicher Ehrgeiz heute nach Unsterblich-
keit ringt, dürften damit ihre weiten dornigen Pfade ins
nebelhaft Ungewisse etwas verkürzen.

Für die grofse Allgemeinheit derer, die in der prak-
tischen Betätigung auf dem Gebiete der Gartengestaltung
in allererster Linie die Erwerbsquelle erblicken, ist es im
eigenen Interesse dringend geboten, das Publikum an
der Hand des Vorhandenen über das Wesen und
die Art der Auffassung, welche ihren Schöp-
fungen zugrunde liegt, mehr, denn es bisher
geschehen, aufzuklären und zwar gemeinver-
ständlich, frei von aller Phantasterei. Die ge-
bildeten, urteilsfähigen Klassen werden durch die Tages-
presse und die belletristischen Journale am ehesten er-
reicht. Dafs auf diesem Wege auch auf die allgemeinere
und schnellere Aufnahme neuer, wirklich empfehlenswerter
Bäume, Sträucher und Stauden hingearbeitet werden mufs,

ist nicht zu übersehen. Der deutsche Landschaftsgärtner
mufs vorerst einmal wieder heraus aus der Atmosphäre
unfruchtbarer Polemik und Papier- und Pinselkunst ins
frische frohe Schaffen auf realem Boden. In seinen Ver-
sammlungen mufs zum wenigsten zwei Drittel der Zeit
ausführbaren Vorschlägen und praktischen Beispielen über
Erweiterung seines Arbeitsfeldes und Besserung seiner
Erwerbsmöglichkeiten, sowie Hebung seines Standes ge-
widmet sein. Die Schriftleitung des Fachorgans mufs
unumschränkte Freiheit haben, Abhandlungen, in denen
leeres Stroh gedroschen wird, die Aufnahme zu versagen.
Wir interessieren uns weit mehr für Tatsächliches und für
die Wirklichkeit, als für Ideen der Phantasie, wie sie die
Zeichenstifte uns auf Papier vorführen, die aber jeder
praktisch ausgebildete Fachmann als unausführbar er-
kennt. Sobald der das ganze Vaterland beherrschende
Geist der Solidarität im Bestreben, die deutsche Garten-
kunst innerhalb praktisch ausführbarer Möglichkeiten weiter
auszubauen, wieder die Oberhand gewinnt, steht es um
den deutschen Garten und Park nicht schlecht. Dafs der
deutsche Landschaftsgärtner den gröfsten Aufgaben auch
auf praktischen Gebieten gewachsen war, beweist die Ver-
gangenheit. Ich selbst bin stolz, unter seiner Führung
und in seiner Schule aufgewachsen zu sein, und
habe inmitten der lebhaftesten Tätigkeit in meiner
neuen Heimat erstrecht das überzeugende Gefühl
gewonnen, dafs or auch für die Zukunft, an
führender Stelle, allen Eventualitäten gewachsen
sein wird.

Zur Ästhetik des Waldes.

Von

Dr. Heinrich Pudor.

Zur Ästhetik des Waldes? Man könnte meinen, die
Natur habe ihre eigene Ästhetik und ein Ästhetisieren des
Waldes sei zum mindesten überflüssig. So richtig indessen
das erstere ist, so wenig überflüssig ist das letztere.
Ihre eigene Ästhetik hat sicherlich die Natur in ihrem
ursprünglichen, von Menschenhand unberührten Wesen.
Aber wo finden wir denn diese ursprüngliche Natur heute
noch in Europa' In Deutschland gibt es noch ein paar
kleine Striche solcher Natur in Westpreufsen, Pommern
und Posen.*) Sonst allerorten ist das, was wir Natur
nennen, Menschenwerk. Pflanzen, Boden, Luft und Wasser,
alles ist durch die Tätigkeit des Menschen verändert, nicht
immer im günstigen Sinne. Und die Gründe, die den
Menschen zur fortdauernden Veränderung der Natur ver-
anlassen, sind am seltensten ästhetischer Art, sondern
meist wirtschaftlicher Art. Ein Ästhetisieren der Natur,
nämlich sozusagen der Kulturnatur, ist also durchaus nicht
überflüssig. Ästhetik ist die Lehre vom Schönen. Je
häutiger die Gründe zur Veränderung der ursprünglichen

*) Beispielsweise befindet sich in der Rübenhagener Heide
im Kreise Regenwalde in Pommern noch ein urwüchsiger
Fichtenbestand von beträchtlicher Ausdehnung. Einen ähn-
lichen gibt es noch in der Lüneburger Heide.
 
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