Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Münchener Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0132

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ÄCAD. LESEH.

17.FEB.1912

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXIII. Jahrgang

1911/1912

Nr. 16. 16. Februar 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

MUNCHENER BRIEF

Die Frage der Nachfolgerschaft Hugo v. Tschudis
scheint ihrer Lösung bis heute nicht viel näher ge-
kommen zu sein. Zwar werden viele Namen genannt
und auch die außerbayerische Presse beschäftigt sich
recht eingehend mit der für uns so wichtigen An-
gelegenheit, indessen läßt sich bis jetzt nur feststellen,
daß die Mehrzahl der in Umlauf gesetzten Gerüchte
jedes realen Kernes entbehrt und man selbst über die
Kandidatur so im Vordergrund stehender Persönlich-
keiten wieDörnhöfferund Friedländer nicht dasMindeste
mit Bestimmtheit sagen kann. Es wäre zu wünschen,
daß die Sache einen ähnlich glücklichen Ausgang fände,
wie er sich bei Besetzung des kunsthistorischen Lehr-
stuhls an der Universität in der nun doch noch erfolgten
Annahme durch Heinrich Wölfflin ergeben hat, die für
München von großer Bedeutung ist und wenigstens
eine der Lücken ausfüllt, welche der Tod Traubes,
Furtwänglers und Krumbachers dem Ansehen der
philosophischen Fakultät geschlagen hat. Es wäre
ferner zu wünschen, daß man im Ministerium bald
zu einem Entschluß käme, denn ein länger dauerndes
Interregnum kann für die beiden Pinakotheken nur
von Schaden sein, zumal die unglaubliche Jagd nach
jedem einigermaßen bedeutenden Kunstwerk, das heute
auf dem Markt erscheint, ein stetes Auf-dem-Posten-sein
und rasches Zugreifen verlangt.

Die Sezession hat diesen Winter, im Gegensatz zu
den Gepflogenheiten der letzten Jahre, auf die Aus-
stellung größerer Kollektionen ihrer eigenen Mitglieder
verzichtet (mit Ausnahme einer Gedächtnisausstellung
für Hubert von Heyden im oberen Stock) und ihre
Räume der Wiener Schwester zur Verfügung gestellt,
die seit Mitte Dezember mit einer größeren Anzahl
von Gemälden, graphischen Arbeiten und etlichen
Plastiken dort eingezogen ist, um den stammesver-
wandten Münchnern ihr Streben und Können auf dem
Gebiete der Künste vorzuführen. Was bei flüchtigem
Durchschreiten der Säle sofort auffällt, ist, daß revo-
lutionäre Elemente, die fanatischen Neuerer, wie wir
sie in der Berliner und zum Teil auch der Münchener
Sezession antreffen, die um jeden Preis vom Her-
kömmlichen abweichen wollen und mit Vorliebe die
jüngsten Erzeugnisse des extremen Frankreich nach-
zuahmen oder zu überbieten trachten, hier vollkommen
fehlen. Die Mehrzahl der Wiener Sezessionisten be-
wegt sich in sehr gemäßigten Bahnen. Eine gewisse

Solidität, anerkennenswerter Fleiß, auch Hinneigen zu
poetischerer Auffassung mit manchmal deutlich erkenn-
baren Einflüssen des weicheren Slaventums lassen sich
bei vielen feststellen; eine überragende Persönlichkeit,
die auf weitere Kreise anregend und befruchtend wirken
könnte, sucht man jedoch vergebens. Zwei sym-
pathische Porträts, deren Stärke weniger in der Farbe
als in der lebenswahren Wiedergabe der Dargestellten
liegt, hat der auch als Bildhauer vertretene Rudolf Bacher
ausgestellt. Obwohl beide Arbeiten in ihrer Ent-
stehung elf Jahre auseinander liegen (1896—1907),
zeigen sie doch die gleiche Tendenz in der Behand-
lung der Person, und nur in Farbe und Lichtführung
unterscheidet sich das Porträt des Schriftstellers Kurz-
many (1907) von dem noch konventionelleren der
alten Dame. Einen sehr sorgfältig und solid arbeiten-
den Künstler, der offenbar dem Studium Leibischer
Bilder viel verdankt, lernt man in F. M. Zerlacher
kennen, von dessen vier Arbeiten ein Damenbildnis
im Besitz der Hörmann-Stiftung in Wien am höchsten
steht. Auch ein weiteres Frauenbildnis und eine lesende
Bäuerin, »Feierstunde«, weisen Qualitäten auf, zeigen
aber auch Mängel in der räumlichen Behandlung
der Köpfe und in der Farbe, die bei der Bäuerin
zu wenig Ton hat. Von Oswald Roux sind einige
ansprechende Bilder zu sehen (Alte Kutsche, Lungauer
Reiter usw.), die entfernte Verwandtschaft mit A. Hengeler
erkennen lassen und wie bei diesem in einer der im-
pressionistischen Malweise ziemlich entgegengesetzten
Technik gearbeitet sind. Eine Reihe effektvoller, aber
doch etwas kühl anmutender Landschaften, oft mehr
durch das Motiv als die künstlerische Behandlung
interessierend, hat Richard Harlfinger eingesandt, ein
schlichtes, wahres Porträt eines Bauernbuben aus dem
Besitz der Modernen Galerie in Wien Josef Engelhart.
Wenig erfreulich hingegen sind die sich unverdient
breitmachenden Arbeiten Rudolf Jettmars. Seine Riesen-
leinwande »Herkules erlegt die lernäische Hydra«
und »Kampf mit den Stymphaliden« sind durchaus
dilettantisch in der Komposition, unorganisch, hölzern,
kraftlos und zum Teil stark verzeichnet in den Akten.
Und zwar nicht verzeichnet aus einer künstlerischen
Notwendigkeit heraus, wie wir es bei Michelangelo,
Greco und vielen anderen alten und modernen Künst-
lern beobachten können, sondern ganz sinnlos ohne
Gefühl für Organismus und Lebensfähigkeit eines
Körpers. Von einem Monumentalstil, den diese Arbeiten
 
Annotationen