Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Opperlin, Manfred: Neue Bauten und Denkmäler in Leipzig
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0236

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ACAO. LESEh.

3-JUI\l.19"2

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 29. 31. Mai 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

NEUE BAUTEN UND DENKMÄLER IN LEIPZIG

Das »Alte Theater« am Fleischerplatz mit seiner
hübschen zopfigen Säulenfront und dem klassizisti-
schen Lyrarelief im Giebel, im großen Ganzen zurück-
gehend auf einen Bau des Dresdener Architekten Fäsch
aus dem Jahre 1766, ist einer der wenigen noch auf-
recht stehenden Zeugen der literarischen Kultur Leip-
zigs im Ausgang des 18. Jahrhunderts. Leider ist dem
sympathischen Bau, in dem noch letzten Winter hin-
durch die zweite städtische Bühne ihren Sitz hatte,
baldige Beseitigung angedroht, da er, wie es heißt,
sehr baufällig und für die modernen Bühnenbedürfnisse
überall ungenügend und zu eng geworden sei. Nach
langen Debatten konnte nur so viel fürs Erste erkämpft
werden, daß der beschlossene Neubau des »Alten
Theaters« nicht an die Stelle des ehemaligen Hauses,
sondern nebenan auf den Töpferplatz kommen soll,
und daß die endgültige Entscheidung über das Schick-
sal des aufgegebenen Musentempels nochmals hinaus-
geschoben wurde. Wir haben also wieder etwas Hoff-
nung, den Bau dennoch zu retten. Es dürfte sich
ja auch, so sollte man meinen, eine reiche Stadt wie
Leipzig wohl den Luxus gestatten dürfen, ein solches
ebenso historisch bedeutsames wie in seiner Erschei-
nung anmutvolles Bauwerk, für das sich ja auch ohne
Zweifel irgend eine geeignete Verwendung finden
würde, als Altertumsdenkmal zu erhalten.

Von dem bescheidenen kleinen Gebäude aus dem
alten Leipzig gelangen wir mit ein paar hundert
Schritten hinüber zu dem riesenhaften Prachtbau der
modernen Großstadt- und Handelszentrale, dem neuen
Leipziger Hauptbahnhof. Von der prächtigen Anlage
ist nunmehr die eine (westliche) Hälfte fertig gestellt
worden und hat bereits seit 1. Mai den gesamten Ver-
kehr des ehemaligen Thüringer Bahnhofs in sich auf-
aufgenommen. Unter den nicht allzu dicht gesäten
Beispielen einer im eigentlichen und besten Sinn neu-
zeitlichen Architektur, die Leipzig besitzt, hebt sich
die Erscheinung des neuen Bahnhofs schon in seiner
jetzigen Teilausführung sehr eindrücklich hervor. Nach
dem Gesamtentwurf der Dresdener Architekten Lossow
und KJlhne, von dem eine reichliche Hälfte, wie ge-
gesagt, fertig dasteht, wird die der Stadt zugewendete,
beinahe 300 m lange Front wirkungsvoll abgeteilt
durch zwei, wie selbständige Querflügel vorgebaute
Risalite, die den allein etwas reicher ausgestatteten
Mitteltrakt der Fassade flankieren. Hohes Lob gebührt

der vornehm zurückhaltenden Art der Fassadenbehand-
lung im einzelnen, wo vor allem die großen wohl-
klingenden Verhältnisse und die kraftvolle, knappe
Geschlossenheit der Formen den Eindruck bestimmen.
Über einem durchweg ganz niedrig gehaltenen,
sockelartig schweren und schmucklosen Erdgeschoß
eine Ordnung enggestellter, schlanker Pilaster oder
Pfeilervorlagen, die ein kräftiges, aber schlichtes Ge-
bälk und die steile, niedrige Dachschräge bekrönt.
Dasselbe System etwas mächtiger durchgeführt und
durch eine Attika bereichert an der Stirnseite des Risa-
lits, unterbrochen nur in der Mittelpartie durch drei
flachrunde Ausbiegungen, die mit einer jonischen
Säulenstellung ausgezeichnet sind. Von glücklicher
Wirkung ist aber auch der hier diskret eingestreute
ornamentale Schmuck in kräftiger derber Spätrenaissance,
während die große Figurenreihe über den Pfeilern des
Risalits, in ihrem flauen, stillosen Realismus, ebenso
wie die höchst banal geformten preußischen Wappen-
schilde etwas aus dem Ton fallen. Aber sehr starke,
begeisternde Eindrücke bieten sodann die ausgeführten
Teile des Innenbaus. Vor allem die große Eingangs-
und Schalterhalle im Risalitflügel. Hoch, licht und weit-
räumig, mit einer oben umlaufenden dorischen Pilaster-
stellung, diean den drei inneren Seiten von weiten Bogen-
toren durchbrochen und von einer in flachem Bogen
geschwungenen Kassettendecke überwölbt wird. Ein
breiter Stufenanstieg gradaus führt in die imposante,
wieder von einem flachen Tonnengewölbe bedeckte
Querhalle, an der die einzelnen Bahnsteige unter
majestätisch weitgespannten Eisengewölben einmünden.
In Leipzig erklärt man schon jetzt, und vielleicht nicht
zu Unrecht, daß dieser Bahnhof nach seiner Vollen-
dung im Frühjahr 1913 —- wo das große Jubiläum
der Völkerschlacht bevorsteht — als der größte und
schönste der Welt werde gelten dürfen.

Aber noch ein anderes Monumentalwerk, das
gleichfalls im nächsten Jahr seinen Abschluß finden
soll, hat in diesen Tagen die erste Stufe der Vollen-
dung erreicht: an dem Bau des Völkerschlachtdenkmals,
zu dem vor 12 Jahren der Grundstein gelegt wurde,
ist jetzt unter feierlichen Zeremonien der oberste
Schlußstein eingefügt worden. Wenn auch von Ge-
rüsten umstellt, im Innern noch vielfach unfertig,
steht doch der gigantische Steinkoloß schon jetzt mit
höchst eindrucksvoller, hochragender Silhouette auf
der luftigen Höhe bei Stötteritz — wo der Inschrift
 
Annotationen