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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Geiger, Moritz: Phänomenologische Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0036

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PHÄNOMENOLOGISCHE ÄSTHETIK. 29

Moritz Geiger:
Phänomenologische Ästhetik.

Die Kongreßleitung hat es nicht allzugut mit mir gemeint, als sie
mit dem Wunsche an mich herantrat, ich möge einen Vortrag über
»Phänomenologische Ästhetik«übernehmen. Phänomenologische Ästhetik
— das ist Ästhetik, die nach einer bestimmten Methode betrieben
wird — eben nach der phänomenologischen; und so wird es meine
Aufgabe sein, über Eigenart und Bedeutung dieser Methode zu reden,
ohne zeigen zu können, wie diese Methode zu konkreten Ergebnissen
führt, ohne durch ihre Anwendung erweisen zu können, daß sie kein
bloß theoretisches Gespinst ist.

Freilich, so ganz unbekannt ist die phänomenologische Methode
heute nicht mehr. Sie hat bei der Durchführung mehr als einer ästhe-
tischen Untersuchung die Feuerprobe bestanden, und auch unter den
Kongreßankündigungen finden sich Hinweise auf ihre Verwendung.
Ja, so wenig ist sie heute mehr unbekannt, daß derjenige, der zu ihr
gelangen will, sich durch einen Berg von Mißverständnissen hindurch-
arbeiten muß. Bald hält man die phänomenologische Methode für eine
Methode, die nichts zu tun hat, als Begriffe zu spalten, die Bedeutung
von Worten festzulegen, weshalb sie sich nur im Logischen bewege
und niemals an die Dinge selbst herankomme — Einwände, wie sie
ihr z. B. Wundt gemacht hat. Dann wieder glaubt man im Gegenteil,
sie solle genialischer Intuition zum Hintergrund dienen, die sich
die Begründung ihrer Behauptungen ersparen will — wie ihr zuweilen
von neukantischer Seite vorgeworfen wurde. Positivistische Gedanken-
gänge berufen sich ebenso auf sie wie verstiegene Metaphysik. Bei
solchem Chaos entgegengesetzter Anschauungen mag es vielleicht
doch gar nicht so unratsam sein, den Reigen ideen- und ergebnisreicher
Vorträge durch einen zu unterbrechen, der nichts sein will als ein
trockener methodischer Versuch, nichts als eine Auseinandersetzung
über die phänomenologische Methode in der Ästhetik.

viele Versuche und Ansätze vor, das gesamte Weltgeschehen von dem besonderen
Durchblick durch die Wirklichkeit her, von der eigentümlichen perspektivischen An-
sicht aus zu erklären, die der Ausgang von der physikalischen Natur gewährt.
Aber auch wenn der Zwang der Tatsachen den umgekehrten Versuch nahelegen
wird, auch einmal von der perspektivischen Ansicht und den Kategorien der leben-
digen Natur auszugehen, die im Seelischen ihre deutlichste Ausprägung zu erfahren
scheinen, wird dies nur unter Anwendung der exaktesten Forschungsmittel geschehen
können, ganz ebenso wie bei jenen großen Mathematikern der Vergangenheit, deren
vergessene, ihrer Zeit vielleicht um Jahrhunderte vorauseilende Versuche man damit
fortsetzen wird. (Einige weitere, ebenfalls ganz vorläufige Hinweise in der II. Beilage
meines Referates in dem Bericht über den VII. Kongreß f. experim. Psychologie in
Marburg 1921. Jena 1922.)
 
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