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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Witte, Fritz: Alexander Schnütgen: Ein Abschiedswort
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0160

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144

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 11 12

ALEXANDER SCHNÜTGEN.

Ein Abschiedswcrt, gesprochen von Dr. Witte.

Hochverehrte Trauerversammlung! Kalter Frosthauch schauert die letzten
gilbenden Blätter von den Baumkronen der Heimatberge — die letzten
Opfer, die des jungen Winters rauhe Hand noch fordert. Es ist, als ob der
Todesengel durch die Berge und Täler ziehe und seine letzten Opfer heische.
Novemberstimmung — wie kalte Frostschauer schleicht es in diesen bitter ernsten
Tagen über 70 Millionen Seelen und wie e.ne einzige große Allerseelenstimmung
lastet dumpf der letzten Wochen schauriges Werden auf unseren Gemütern. An
hunderttausend Häusern und Hütten hing ein Engel in den verflossenen vier
Jahren den schwarzen Flor und mit tiefer Wehmut schauen wir Überlebenden
jetzt am Morgen in unseren Tageszeitungen nach den schwarz umrandeten, mit
dem eisernen Kreuze gezeichneten Todesnachrichten von denen, die der Krieg
als letzte Opfer zu seinen Hekatomben gelegt wissen will. — Meine verehrte
Trauerversammlung! Auch Schnütgen ist in gewissem Sinne ein Opfer dieses
Krieges geworden. Wer ihn gekannt hat, wer immer weiß, wie groß seine Vater-
landsliebe war, wie sehr er mit allen Fasern seines Herzens mit dem Alten ver-
bunden, wie königs- und kaiserfreund und -treu er war, wer von ihm selbst einmal

gehört hat, wie tiefverwurzelt in

seinem Herzen der Glaube an
eine Unbezwingbarkeit deutscher
Kraft saß, der wird auch wissen,
daß Schnütgen von den Ereig-
nissen der hinter uns liegenden
Wochen am Lebensnerv gefaßt
werden mußte. Mit dem Alten
sank seine eigene persönliche Welt
zum großen Teil in Schutt und
Asche. —Wenn der Sturm durch
die Wälder fegt, dann faßt er zu-
erst und am stärksten die Eichen,
deren Kronen durch Schönheit
und Reichtum sich auszeichnen.
Schnütgen war eine solche stolze
Eiche lmWalde deutschen Geistes-
lebens. Mit ihm ist der letzte hin-
weggegangen aus der Schule jener
groß veranlagten Männer, die
abseits von jedem systematischen
Fachbildungsgange ihren Weg sich
selber bahnten und in uneinge-
schränkter Fülle ihre Individuali-
tät auswirken ließen. An keinem
der heute aufgerichteten Schlag-
bäume der Fachwissenschaft war

Abb. 34.

Keldi, um 1280.
 
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