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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Gartendenkmalpflege in Niedersachsen — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 13.1994

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Meyer, Margita Marion: Stadtentwicklung und Gartendenkmalpflege am Beispiel des Düsternbrooker Gebietes in Kiel: die Berücksichtigung landschaftsplanerischer Instrumente für gartendenkmalpflegerische Belange
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https://doi.org/10.11588/diglit.51144#0033
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Gelände einer Bauernstelle mit drei Koppeln gegründet (Abb. 3);
sie war rund drei Hektar groß und bestand bis 1827. Im Jahr
1788 wurde auf dem Gebiet des Düvelsbeker Gehölzes die Forst-
baumschule angelegt, eine militärische Einrichtung, in der däni-
sche Feldjäger in Forstkunde, im Landvermessen und in anderen
naturkundlichen Fächern unterrichtet wurden (Abb. 4). Sie wurde
1833 nach Kopenhagen verlegt.
Die zweite Entwicklungphase setzte Anfang des 19. Jahrhun-
derts mit der langsamen und anfangs ungeplanten Bebauung des
Gebietes ein. Damals entstanden einzelne Gartenhäuser, Villen,
landesherrliche Ausflugsziele und bürgerliche Erholungseinrich-
tungen. Ein kleiner klassizistischer Tempel, der sogenannte
Marientempel, von Axel Bundsen 1808 erbaut, und eine herr-
schaftliche Gastwirtschaft, „Sanssouci" genannt, waren die
ersten Bauten im Düsternbrooker Gebiet. Es folgte 1822 die
ebenfalls von Bundsen errichtete Düsternbrooker Seebadeanstalt,
die (leider) Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen wurde, weil
sie der Marineakademie weichen mußte. Die erste privat betrie-
bene Gaststätte und beliebtes Ausflugsziel der Kieler war das
sogenannte „Bellevue", das an der Stelle erbaut wurde, wo


3 Die Königlich Dänische Forstbaumschule im Düvelsbek bei Kiel, 1786 von
C. C. L. Hirschfeld auf der Marienhöhe gegründet.

4 Königliche Forstbaumschule im Düvelsbek bei Kiel um 1800. Ausschnitt
aus einer Karte von 1811, aufgemessen von W. Beck, gezeichnet durch den
Forsteleven F. Kahl.


sehe Entwicklung Kiels zu steuern, fand 1869/70 in dem von
Stadtbaumeister Martens aufgestellten Stadterweiterungsplan sei-
nen Niederschlag. Er folgte dem damals bereits berühmten
Modell des Ringstraßensystems, wie es in Wien und Paris reali-
siert worden war. Dieser Plan hatte jedoch auf das Bearbeitungs-
gebiet keine Auswirkungen. Auch der 1890-92 ausgearbeitete
sogenannte Schweizerplan hatte auf die Bebauung des Düstern-
brooker Gebietes wenig Einfluß, brachte allerdings viel Kritik ein,
da er topographische und landschaftsästhetische Momente voll-
kommen außer acht ließ. 1896 wurde der Geheime Baurat Stüb-
ben aus Köln beauftragt, einen einheitlichen Bebauungsplan für
Kiel zu entwerfen, den er 1901 als Stadterweiterungsplan vor-
legte. Dieser entsprach den Prinzipien der repräsentativen bürger-
lichen Großstadtarchitektur, die die sozialen und grünhygieni-
schen Möglichkeiten der Stadtplanung weitgehend außer acht
ließen. Erst in der Weimarer Republik wurde durch den Techni-
schen Stadtbaurat Willy Hahn bis 1930 ein neuer Stadtentwick-
lungsplan aufgestellt, der den sozialen, grünhygienischen und
den „lebendigen Bedürfnissen der städtischen Gemeinschaft"

Hirschfelds Fruchtbaumschule und sein Wohnhaus gelegen hatten
(Abb. 5). Außerdem besaßen hier zwei bekannte Kieler Bürger
Gartenhäuser: Professor Hegewisch ließ ab 1827 sein „Klein
Elmeloo" dort errichten, wo heute die Kunsthalle steht, und der
Kaufmann Brauer legte ab 1826 einen Garten an, der heute der
Alte Botanische Universitätsgarten Kiels ist. 1837 wurde der
Schloßgarten, der schon lange kein Residenzgarten mehr war,
durch den hannöverschen Garteninspektor Christian Schaumburg
in einen englischen Naturgarten verwandelt (Abb. 6). Die Garten-
neuplanung wurde durch Herzog Karl von Schleswig-Holstein-
Sonderburg-Glücksburg veranlaßt, der zu dieser Zeit im Kieler
Schloß wohnte. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Vil-
lenbebauung, insbesondere am Schwanenweg, am Niemannsweg
und entlang des Düsternbrooker Weges, der bereits seit Anfang
des 19. Jahrhunderts bis zur Krusenkoppel als Allee ausgeführt
war, zu.
In dieser zweiten Periode der Entwicklung wurde das Düstern-
brooker Gebiet durch klassizistische Villen, Gartenhäuser und
Hotels geprägt. Gar ein Tivoli mit Lustgarten am Hohenberg
wurde 1845 eröffnet, das jedoch bereits 1870 abbrannte. Obwohl
die Felder der Brunswiker Bauern nach und nach bebaut wurden,
stellte dieses Gebiet doch bis zum Ende der dänischen Herrschaft
(1864) eine bürgerliche Erholungslandschaft dar. Die bäuerlich
und landesherrlich geprägte Kulturlandschaft verwandelte sich in
dieser Zeit in eine landschafts- und gartenästhetisch gestaltete
bürgerliche Erholungs- und Villenlandschaft, deren Gestaltung
durch eine Fülle von Kupferstichen, Lithographien und Zeichnun-
gen überliefert ist. (Abb. 7).
Die dritte Periode, die das Gebiet radikal veränderte, begann
1869 mit der Eingemeindung des Fleckens Brunswik nach Kiel.
Ein erster Versuch der Kieler Stadtverwaltung, die gesamte städti-


5 Blick auf Bellevue im Düsternbrook bei Kiel um 1860. Noch steht das ehe-
malige Hirschfeldsche Wohnhaus. Kreidelithographie von F. E. Wolperding.

eine räumliche Form gab. Genossenschaftssiedlungen, Garten-
städte und Volksparke entstanden zu dieser Zeit in Kiel. Das
Düsternbrooker Gebiet blieb bürgerliches Villenviertel; einschnei-
dend verändert wurde es weniger durch die geschilderten Stadt-
bebauungspläne als durch die Tatsache, daß das Schloß ab 1886
Residenz des Prinzen Heinrich, Enkel des Deutschen Kaisers Wil-
helm I. und Bruder des späteren Kaisers Wilhelm II., wurde. Er
war Großadmiral der deutschen Flotte, und Kiel wurde Reichsma-
rinehafen. Die Marineeinrichtungen zerstörten nun nach und
nach den Charakter der bürgerlichen Erholungslandschaft: Die
Kunsthalle am Kieler Schloß wurde geschlossen, ebenso die See-
badeanstalt. Der Aufstieg des industriellen Kiels war mit seinem
Niedergang als bürgerliche Stadt verbunden - eine Entwicklung,
die bis heute das mangelhafte Stadtbild Kiels trotz seiner land-

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