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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 15.1891

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Allgemeine Kunst-Chronik. XV. Band Nr. 1
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Allgemeine Kunst-Chronik.

19

eines Schwankes. Das Stück ist sehr munter und eignete
sich deshalb zur Aufführung am Sylvesterabend,
In der Privatanstalt des Irrenarztes Thorne (Herr
Devrient) hat die Schwester desselben, Flora (Frau
Hohenfels) ein Maskenfest arrangirt. In dem Augen-
blick, wo dasselbe beginnen soll, erscheint unerwartet
ein Jugendfreund des Doktors, Sir Robert Wills, welcher
mehrere Jahre fern von seiner Heimat auf Reisen ver-
bracht hatte. Die Umstände verstatten nur eine ganz
flüchtige Begrüßung der Jugendfreunde und verhindern
eine Vorstellung des Hereingeschneiten bei der jungen
Dame des Hauses, welche noch mit den letzten Anord-
nungen zum Feste beschäftigt ist. Der Gast wird von
dem Freunde überredet, an der Maskerade theilzu-
nehmen und sich in das Gewand eines Königs zu
stecken. In der Gewissheit, unter lauter Irren hier zu
sein, halten sich der Freund des Doktors und dessen
Schwester bei ihrer Begegnung auch für Pensionäre der
Anstalt, und da sie im Gespräche schnell das wärmste
Interesse für einander gewinnen, so ist auch das innigste
Mitleid ein gegenseitiges. Die Aufklärung führt natürlich
schnell zu der glücklichsten Lösung, da der Bruder die
Schwester sich doch noch am liebsten vom Freunde ent-
führen lässt. Gespielt wurde das Stück vortrefflich, das
Quartett Hohenfels, Hartmann, Devrient, Römpler
fand die verdiente Anerkennung. E. Bürde.
*
Mit dem Deutschen Volkstheater mag man
bezüglich der Auswahl, Inszenirung und Darstellung von
Stücken oft genug Grund haben, unzufrieden zu sein —
für die Schauspieldichter aber, deren Stücke dort zur
Aufführung gelangen, und für die Schauspieler, welche
man dort in sogenannten guten Rollen auftreten lässt,
ist es das gelobte Land. Lauter Beifall und vielmalige
Hervorrufe sind denselben gesichert. Es hat sich dies
auch bei den letzten Neuheiten: „Am Tage des Ge-
richts" von Rosegger und „In eiserner Zeit"
von Spielhagen gezeigt. Die beiden Dichter sind wol
klug genug, einen großen Theil des Erfolges auf
Rechnung ihres dichterischen Ruhmes und wenig davon
auf Rechnung des geleisteten Dramas zu buchen. Und
daian thun sie wol. Die beiden Dichter haben mit dem
äußerlichen Bühnenerfolge ihren literarischen Ruhm nicht
vergrößert. Rosegger hat wenigstens in einem Zwischen-
akte, der Gefängnisszene, den Beweis erbracht, dass er
dramatisch zu schaffen und zu wirken vermag, wenn
auch das Drama als Ganzes und insbesondere die Ge-
richtsszene des letzten Aktes nicht gelobt werden kann.
Seinem Drama kam auch eine bessere Inszenirung zu
statten, sowie die vortreffliche Darstellung der Haupt-
person durch Martinelli und der beiden Spitzbuben
im Gefängnis durch die Herren Greißnegger und
Langkammer.
Spielhagen hat seinen hübschen Roman „Noblesse
oblige" arg verstümmelt als fünfaktiges Drama „In
eiserner Zeit" auf die Bühne gebracht. Dasselbe wird
trotz des lärmenden äußeren Erfolges selbst am Volks-
theater sich nicht lebensfähig erweisen. Nicht für die
Bühne gedacht, noch gemacht, hat es nur literarischen,
keinen dramatischen Wert. Regie und Darstellung ließen
außerdem nahezu Alles zu wünschen übrig. Der wieder-

holte Anblick des gefeierten Romandichters musste bei
der ersten Aufführung entschädigen. Was soll bei den
nächsten Aufführungen statt dessen geboten werden? —
*
Im Carltheater übt die Posse mit Gesang „Der
Gimpel" sehr starke Anziehungskraft. Man wird schon
nach dem Titel und Charakter des Stückes nicht Weis-
heit und Tiefsinn erwarten. Wer aber gerne lacht, wird
vollauf zufrieden sein. Die hie und da zerstreuten
witzigen Einfälle, vor Allem aber die Komiker Blasel,
Knaack, Rakowitsch, Wittels und in hervor-
ragender Weise Frau Schwarz durch ihr pikantes
Spiel und den bewunderungswürdigen Vortrag ihrer
Couplets sorgen von Anfang bis zu Ende für ausgiebige
Heiterkeit. m.
Theater-Nachricht.
Paris. Das mit Spannung erwartete vieraktige
Stück Alfons Daudet's „L'Obstacle" wurde am 28. De-
zember im „Gymnase" trefflich dargestellt und gut auf-
genommen. Die optimistische Weltanschauung, die sich
dem Pessimismus eines Ibsen gerade gegenüberstellt,
stimmte von Anfang an günstig für den Dichter und
sein Werk. Die Exposition im ersten Aufzuge gibt sich
sehr klar: der junge Didier von Alcin ist mit Madeleine
von Rymondes verlobt; aber der Vormund der letzteren
erklärt seiner Mutter, die Ehe könne nicht vollzogen
werden, weil Didier's Vater im Wahnsinn gestorben sei.
Der zweite, sehr rührende Aufzug zeigt uns Didier, den
eine Verwandte von dem eingetretenen Bruche benach-
richtigt, wie er seine Verlobte, die in einem Kloster
Zuflucht genommen, bestürmt, ihm den wahren Grund
des Bruches zu sagen. Sie weigert sich, aber der Vor-
mund enthüllt ihm Alles. Im dritten Aufzuge rückt das
Stück kaum von der Stelle. Im vierten Aufzuge will die
Mutter, um jene Enthüllung nicht auf den Geist ihres
Sohnes wirken zu lassen, ihn glauben machen, er sei der
Sohn eines anderen Mannes. Aber Didier glaubt ihr
nicht, und Madeleine, die inzwischen mündig geworden,
erklärt ihrem Verlobten jetzt, dass sie ihm treu bleiben
und sein Weib werden wolle.

Anakreontisches,
Übertragen von Georg Ebers.
An das sorglose Leben.
Kann weder Gyges' Reichthum nützen,
Der über Sardes streng gebeut,
Noch möcht' ich vieles Geld besitzen,
Ich gönn's dem Herrscher, den es freut.
Mich reizt es, meinen Bart zu zieren
Mit duft'ger Spezereien Glanz,
Und auf dem Lockenhaupt zu führen
Von frischen Rosen einen Kranz.
Der heut'ge Tag liegt mir am Herzen,
Wer weiß auch, was das Morgen bringt;
 
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