BEITRÄGE ZUR TOPOGRAPHIE DER TROAS
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Jahrhunderte vor dem trojanischen Krieg muss die Boden-
anschwemmung um die Skamandermündung und ihr Delta auf-
gehört haben. Denn die Wirkung der starken Strömung im
Hellespont auf das noch lockere Schwemmland des Skamander
ist etwa dieselbe, mit der ein reissender Strom die Geschiebe
seines Nebenflusses mitfortnimmt, die dieser an der Stelle sei-
ner Einmündung abzusetzen versucht h
Beim Karanlik-liman also wird das Meer tiefer, und vom
Ufer aus erstreckt sich eine niedrige Felsbank, mit der flachen
Oberfläche fast im Niveau des Wasserspiegels liegend, ins Meer
hinein. Bei ruhigem Wetter, oder wenn der Wind von Süden
kommt, können hier Boote am Felsen anlegen. Es ist aber für
Tage und Wochen unmöglich zu landen, wenn wie meist die
etesischen Winde gerade hier auf die Küste zukommen, und
die See über die Felsbank flutet. Gleichwohl darf man anneh-
men, dass dieser Landungsplatz, wie jetzt, so auch früher
schon gelegentlich benutzt wurde, wenn das Wetter es zuliess.
Aber man kann sich nicht entschliessen zu glauben, dass eine
Stadt wie Ilion in dem, was sie täglich von der See her be-
durfte, abhängig gewesen sei von einem so unsicheren Hafen-
platz, wie dies bei Karanlik-liman der Fall ist.
Wenige Minuten weiter östlich vom Karanlik-liman liegt
Tavolia. Die Bedeutung des Namens ist noch unaufgeklärt.
Τά βόλια soll heissen: «die runden Steine (Flusskiesel)» oder
«die runden Erdbällen». Auch die Form «Tamolia» kommt vor.
Vielleicht steckt ein verderbter antiker Name dahinter. Wir
betonen diese Stelle, weil hier die nächste und einzige wirklich
gute Gelegenheit zu einem Hafen gegeben ist, nämlich in einer
kleinen Bucht, die auf den meisten Karten gar nicht hervor-
tritt ; am besten ist sie auf dem grossen Blatt der englischen
Seekarte mit dem Hellespont wiedergegeben (darnach die
Vignette). Hier können Schiffe auch heute noch vor den Unbil-
den des Wetters geschützt aus-und einladen. Keine Stelle scheint
mir für die Identifizierung des Hafens von Ilion geeigneter als
diese. Und in der That finden sich hier auch wirklich Spuren
1 Vgl. Schliemann Ithaka, der Peloponnes tmd Troja 196 ; Dörpfeld Troja
und Ilion 614.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXVII.
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Jahrhunderte vor dem trojanischen Krieg muss die Boden-
anschwemmung um die Skamandermündung und ihr Delta auf-
gehört haben. Denn die Wirkung der starken Strömung im
Hellespont auf das noch lockere Schwemmland des Skamander
ist etwa dieselbe, mit der ein reissender Strom die Geschiebe
seines Nebenflusses mitfortnimmt, die dieser an der Stelle sei-
ner Einmündung abzusetzen versucht h
Beim Karanlik-liman also wird das Meer tiefer, und vom
Ufer aus erstreckt sich eine niedrige Felsbank, mit der flachen
Oberfläche fast im Niveau des Wasserspiegels liegend, ins Meer
hinein. Bei ruhigem Wetter, oder wenn der Wind von Süden
kommt, können hier Boote am Felsen anlegen. Es ist aber für
Tage und Wochen unmöglich zu landen, wenn wie meist die
etesischen Winde gerade hier auf die Küste zukommen, und
die See über die Felsbank flutet. Gleichwohl darf man anneh-
men, dass dieser Landungsplatz, wie jetzt, so auch früher
schon gelegentlich benutzt wurde, wenn das Wetter es zuliess.
Aber man kann sich nicht entschliessen zu glauben, dass eine
Stadt wie Ilion in dem, was sie täglich von der See her be-
durfte, abhängig gewesen sei von einem so unsicheren Hafen-
platz, wie dies bei Karanlik-liman der Fall ist.
Wenige Minuten weiter östlich vom Karanlik-liman liegt
Tavolia. Die Bedeutung des Namens ist noch unaufgeklärt.
Τά βόλια soll heissen: «die runden Steine (Flusskiesel)» oder
«die runden Erdbällen». Auch die Form «Tamolia» kommt vor.
Vielleicht steckt ein verderbter antiker Name dahinter. Wir
betonen diese Stelle, weil hier die nächste und einzige wirklich
gute Gelegenheit zu einem Hafen gegeben ist, nämlich in einer
kleinen Bucht, die auf den meisten Karten gar nicht hervor-
tritt ; am besten ist sie auf dem grossen Blatt der englischen
Seekarte mit dem Hellespont wiedergegeben (darnach die
Vignette). Hier können Schiffe auch heute noch vor den Unbil-
den des Wetters geschützt aus-und einladen. Keine Stelle scheint
mir für die Identifizierung des Hafens von Ilion geeigneter als
diese. Und in der That finden sich hier auch wirklich Spuren
1 Vgl. Schliemann Ithaka, der Peloponnes tmd Troja 196 ; Dörpfeld Troja
und Ilion 614.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXVII.
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