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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 27.1895

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Otto, Friedrich: Goethe in Nassau
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IV. 1774, Sindlingen
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V. 1774, Ems
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https://doi.org/10.11588/diglit.70471#0072

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„Zu Singliugen (sic) auf der goldenen Hochzeit, da ich den Geburtstag Ihrer
lieben Max11) herbeitanzte, hab ich Ihrer viel gedacht. 0 Mama! es waren
viel Lichter da12), und Schweyzers Willemine18) kriegte mich am Arm und fragte:
warum zündt man so viel Lichter an? Das war eine Frage einen ganzen
Sternhimmel zu beschämen, geschweige denn eine Ilumination. Ich hab mich
nach Ihnen umgesehen, hab Ihrer Max den Arm gegeben wenig Augenblicke.“
V. 1774, Ems.
Die Emser Reisen14) des Jahres 1774 knüpfen sich an den Besuch
Lavaters bei Goethe an. Beide hatten ein lebhaftes Interesse, auch ohne sich
gesehen zu haben, zueinander gefasst. Goethe hatte im Jahre 1772 Lavaters
Schrift „Aussichten in die Ewigkeit“ in den Frankfurter gelehrten Anzeigen
besprochen, zwar ohne sich zu nennen, doch war es nicht unbekannt geblieben,
wer der Verfasser der Rezension sei; Lavater hoffte von seiner Bekanntschaft
grosse Vorteile für sich; auch hatten ihn mehrere Aufsätze von Goethe sehr
angesprochen, wie der über* deutsche Baukunst, das Schreiben des Pastors zu **
an den Pastor zu **. Daraufhin war im Jahre 1773 ein Briefwechsel zwischen
beiden eingetreten, der zur persönlichen Bekanntschaft führte, als der Schweizer
Theologe im Juni des Jahres 1774 seine Rheinreise machte und unter anderm
das Bad zu Ems besuchte. Gross war die Spannung beider, sich von Ange-
sicht zu Angesicht zu sehen. Endlich am Abend des 23. Juni traf Lavater in
Frankfurt ein und nahm bei Goethes Eltern Wohnung. Sie hatten beide eine
ganz andere Vorstellung voneinander gehabt, als sich jetzt darbot, aber die
gegenseitige Zuneigung stieg bei dem persönlichen Verkehr, wenn auch der
ernstere Geistliche den übersprudelnden Humor des jüngeren Freundes bis-
weilen beruhigen musste. Da aber Lavater vielfach von anderen Personen in
Anspruch genommen wurde und deshalb Goethe ihn nicht so geniessen konnte,
wie er wünschte, so beschloss er ihn auf seiner Weiterreise nach Ems zu
begleiten. Am 29. Juni fuhren also beide in einem besonderen Wagen ab und
verlebten die Zeit in ernsten und heiteren Gesprächen zu ihrer hohen Zufrieden-
heit. Nur einen Tag verweilte Goethe zu Ems, da Geschäfte ihn nach Hause
riefen; auf dieser Rückreise war es, wo er, im Wagen sitzend, „Erwin und
Elmire“ fast zu Ende brachte.
In Frankfurt stellte sich bald ein anderer Gast ein, ganz verschieden von
dem ersten und ebenso so vielgenannt im deutschen Reich; es war Basedow,
der sich gleichfalls nach Ems zur Kur begeben wollte; er hoffte zugleich För-
n) Ihr Geburtstag war den 31. Mai. — 12) Dazu bemerkt v. Loeper, S. 43: Die Einfach-
heit der damaligen Zeit zeigt sich in Goethes Abneigung gegen die ihm als unzulässiger Luxus
erscheinende helle Beleuchtung der Zimmer. So hebt er hier die vielen Lichter hervor, so
die vielen Lichter am Spieltisch in dem Liede an Lilli „Warum ziehst du mich unwidersteh-
lich“ und in den Briefen aus der Schweiz (erste Abteilung zu Anfang des vorletzten Briefes).
— 13) Schwester von Schweizer. — 14) Hauptquelle ist wieder „Dichtung und Wahrheit“; die
Chronologie lässt sich aus den erhaltenen Briefen feststellen. Vgl. vornehmlich v. Loeper,
Briefe Goethes an Sophie von La Roche u. s. w. 1879 H. Düntzer, Freundesbilder aus
Goethes Leben 1853, I. Lavater, S. 1 ff.
 
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