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Zeit, in der wir uns versetzt sehen, ein gewisser Teichmüller aus Braunschweig* * * * 79)
sich durch seine Kunstfertigkeit auf der Maultrommel ausgezeichnet; er selbst
oder ein Schüler von ihm mag es gewesen sein, den Goethe hier zu hören bekam.
7. Verkehr mit Kurgästen. Besuche auswärtiger Freunde.
Wir werden hier zuerst den Verkehr mit Kurgästen zur Sprache bringen,
die nicht aus Frankfurt waren, dann den mit Frankfurtern, und zwar zunächst
vom Jahre 1814, darauf von 1815, sofern nicht eine Verbindung der beiden
Jahre zweckmässig erscheint.
Den lebhaftesten Verkehr unterhält Goethe während seines Aufenthalts
zu Wiesbaden im Sommer 1814 mit seinem nur wenige Jahre jüngeren Freunde
K. Fr. Zelter (1758—-1832), dessen Einfluss und thätige Vorbereitung für die
Reise schon oben hervorgehoben wurde, auch dass er bis zum 31. August aus-
hielt; am 1. September sahen sich beide für kurze Zeit in Winkel wieder. Da
Zelter auch im „Bären“ wohnte, so war der Verkehr um so weniger gehindert
oder erschwert, und so finden wir denn beide fast täglich zusammen, manch-
mal mehr als einmal an demselben Tage, und zu allen Stunden, auf dem Zimmer,
auf Spaziergängen oder Ausflügen; wir glauben nicht nötig zu haben die einzelnen
Tage aufzuzählen, an denen sie zusammen erscheinen. Von den Ausflügen am
3. August und am 15.—17. August wird unten die Rede sein unter dem Ab-
schnitt „Unterbrechungen oder Störungen.“ Auch zu kleinen Dienstleistungen
war Zelter bereit, wie er z. B. die Rezension des Werkes der Frau v. Staci
über Deutschland am 11. und 12. August vorlas und am 28. eine allzuauf-
regende Feier von Goethes Geburtstag, welcher dieser doch nicht ganz entging,
zu verhüten suchte. „Ich habe alle Hände voll gehabt zu verhindern“, schreibt
er am 30. an den Staatsrat Schultz80), „dass vorgestern an seinem Geburtstage
nicht Aufruhr in Wiesbaden wurde, indem ich sagte, er gehe von dannen, wie
er denn auch in Biebrich beim Herzog von Nassau zur Tafel war.“
Sie kannten sich schon lange Zeit; das Verhältnis hatte sich aber seit dem
freiwilligen Tod von Zelters Stiefsohn 1812 zur innigsten Freundschaft gesteigert.
Damals gebrauchte Goethe in der Anrede zuerst das vertrauliche Du: „Du
hast Dich auf dem schwarzen Probiersteine des Todes als ein echtes geläutertes
Gold aufgestrichen; wie herrlich ist ein Charakter, wenn er so von Geist und
Seele durchdrungen ist“, und Zelter durfte seit diesem Briefe denken, an Stelle
des verlornen Sohnes einen lebendigen Bruder gewonnen zu haben. Goethe
schätzte an ihm die Kernhaftigkeit seiner Natur, die frei von aller Sentimentalität
war, den offenen ehrlichen Sinn, der empfänglich war für alles Gute und Schöne.
Bei ihm fühlte er sich wahrhaft wohl.
’9) A. Schreiber, Topographischer Nomenklator der ganzen Rheinkiiste 1813, S. 63.
Er war nach diesem zugleich Porträtmaler. Schilling schreibt den Namen Deiehmüller.
Fetis, Biographie des Musiciens VII, 190 verzeichnet einen K. W. Teichmüller, der Künstler
auf der Violine, Flöte und Guitarre und um 1830 Professor der Musik zu Braunschweig gewesen
sei; auch habe er sich durch sein Spiel auf der Mundharmonika bekannt gemacht. —
80) H, Düntzer, Briefwechsel zwischen Goethe und Schultz 1853, S. 136.
Zeit, in der wir uns versetzt sehen, ein gewisser Teichmüller aus Braunschweig* * * * 79)
sich durch seine Kunstfertigkeit auf der Maultrommel ausgezeichnet; er selbst
oder ein Schüler von ihm mag es gewesen sein, den Goethe hier zu hören bekam.
7. Verkehr mit Kurgästen. Besuche auswärtiger Freunde.
Wir werden hier zuerst den Verkehr mit Kurgästen zur Sprache bringen,
die nicht aus Frankfurt waren, dann den mit Frankfurtern, und zwar zunächst
vom Jahre 1814, darauf von 1815, sofern nicht eine Verbindung der beiden
Jahre zweckmässig erscheint.
Den lebhaftesten Verkehr unterhält Goethe während seines Aufenthalts
zu Wiesbaden im Sommer 1814 mit seinem nur wenige Jahre jüngeren Freunde
K. Fr. Zelter (1758—-1832), dessen Einfluss und thätige Vorbereitung für die
Reise schon oben hervorgehoben wurde, auch dass er bis zum 31. August aus-
hielt; am 1. September sahen sich beide für kurze Zeit in Winkel wieder. Da
Zelter auch im „Bären“ wohnte, so war der Verkehr um so weniger gehindert
oder erschwert, und so finden wir denn beide fast täglich zusammen, manch-
mal mehr als einmal an demselben Tage, und zu allen Stunden, auf dem Zimmer,
auf Spaziergängen oder Ausflügen; wir glauben nicht nötig zu haben die einzelnen
Tage aufzuzählen, an denen sie zusammen erscheinen. Von den Ausflügen am
3. August und am 15.—17. August wird unten die Rede sein unter dem Ab-
schnitt „Unterbrechungen oder Störungen.“ Auch zu kleinen Dienstleistungen
war Zelter bereit, wie er z. B. die Rezension des Werkes der Frau v. Staci
über Deutschland am 11. und 12. August vorlas und am 28. eine allzuauf-
regende Feier von Goethes Geburtstag, welcher dieser doch nicht ganz entging,
zu verhüten suchte. „Ich habe alle Hände voll gehabt zu verhindern“, schreibt
er am 30. an den Staatsrat Schultz80), „dass vorgestern an seinem Geburtstage
nicht Aufruhr in Wiesbaden wurde, indem ich sagte, er gehe von dannen, wie
er denn auch in Biebrich beim Herzog von Nassau zur Tafel war.“
Sie kannten sich schon lange Zeit; das Verhältnis hatte sich aber seit dem
freiwilligen Tod von Zelters Stiefsohn 1812 zur innigsten Freundschaft gesteigert.
Damals gebrauchte Goethe in der Anrede zuerst das vertrauliche Du: „Du
hast Dich auf dem schwarzen Probiersteine des Todes als ein echtes geläutertes
Gold aufgestrichen; wie herrlich ist ein Charakter, wenn er so von Geist und
Seele durchdrungen ist“, und Zelter durfte seit diesem Briefe denken, an Stelle
des verlornen Sohnes einen lebendigen Bruder gewonnen zu haben. Goethe
schätzte an ihm die Kernhaftigkeit seiner Natur, die frei von aller Sentimentalität
war, den offenen ehrlichen Sinn, der empfänglich war für alles Gute und Schöne.
Bei ihm fühlte er sich wahrhaft wohl.
’9) A. Schreiber, Topographischer Nomenklator der ganzen Rheinkiiste 1813, S. 63.
Er war nach diesem zugleich Porträtmaler. Schilling schreibt den Namen Deiehmüller.
Fetis, Biographie des Musiciens VII, 190 verzeichnet einen K. W. Teichmüller, der Künstler
auf der Violine, Flöte und Guitarre und um 1830 Professor der Musik zu Braunschweig gewesen
sei; auch habe er sich durch sein Spiel auf der Mundharmonika bekannt gemacht. —
80) H, Düntzer, Briefwechsel zwischen Goethe und Schultz 1853, S. 136.