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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 27.1895

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Otto, Friedrich: Goethe in Nassau
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II. 1765
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III. Die Lahnreise von 1772
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https://doi.org/10.11588/diglit.70471#0069

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Von den daselbst genannten passt nur die als JElaphis flavescens bezeichnete,
da nur sie die von Goethe angeführte Länge erreicht; nach demselben Gewährs-
mann findet sie sich nur bei Schlangenbad, das wohl von ihr den Namen habe;
Exemplare, die zu Wiesbaden getroffen wurden, seien abgemagerte und wohl
der Gefangenschaft entronnene Exemplare gewesen. Über Schlangen in Bädern
siehe auch von Heyden, Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogtum
Nassau XVI, 263 und Becker im Frankfurter Archiv N. S. I, 32.
Wenn Goethe von einem Begleiter auf dem Waldspaziergang spricht, so
könnte man vermuten, dass der Ausflug von 1765 zu den unter No. I erwähnten
gehöre; der Begleiter wäre dann der Aufseher gewesen. Es ist jedoch nicht
wahrscheinlich, dass dessen Amt sich bis in den Sommer 1765 erstreckt habe.
Denn in demselben erscheint Goethe nach „Dichtung und Wahrheit“ als durch-
aus geheilt und in munterer, fröhlicher Gesellschaft. Eher kann man an die
„kleinen Reisen“ denken, die er mit seinem Freunde Horn (dem „Hörnchen“)
machte und die sie nachher poetisch aufstutzten.
III. Die Lahnreise von 1772.
Im Sommer des Jahres 1772 weilte Goethe bekanntlich in Wetzlar als
Praktikant bei dem Reichskammergericht. Verhängnisvoll wurde ihm daselbst
die Bekanntschaft mit dem braunschweigischen Legationssekretär Johann Christian
Kestner und dessen Braut Charlotte Buff, welche durch ihre Frische, Natürlichkeit
und Munterkeit, verbunden mit einer bezaubernden Erscheinung, seine ganze
Zuneigung gewann; der biedere Bräutigam legte den Besuchen Goethes, weil
er dessen Sinnesart genugsam erkannt hatte, kein Hindernis in den Weg, so-
dass die stille Neigung allmählich zu inniger Liebe emporwuchs; Goethe aber war
fest entschlossen den Frieden der Verlobten nicht zu stören und schwankte so
zwischen Liebe und Entsagung, die in ihm kämpften, bis er, durch seinen Freund
Merck aufgerüttelt, beschloss diesem qualvollen Zustand ein Ende zu bereiten.
Am 11. September riss er sich von Wetzlar los, nachdem er von Lotte schrift-
lich Abschied genommen hatte, und begab sich nach Koblenz, um hier mit
Merck bei der Frau von La Roche zusammen zu treffen. Über diese Reise
lassen wir ihn wieder selbst reden7):
„Ich hatte mein Gepäck nach Frankfurt, und was ich unterwegs brauchen
könnte, durch eine Gelegenheit die Lahn hinunter gesendet, und wanderte nun
diesen schönen, durch seine Krümmungen lieblichen, in seinen Ufern so mannich-
faltigen Fluss hinunter, dem Entschluss nach frei, dem Gefühle nach befangen,
in einem Zustande, in welchem uns die Gegenwart der stummlebendigen Natur
so wohlthätig ist. Mein Auge, geübt die malerischen und übermalerischen
Schönheiten der Landschaft zu entdecken, schwelgte in Betrachtung der Nähen
und Fernen, der bebuschten Felsen, der sonnigen Wipfel, der feuchten Gründe,
der thronenden Schlösser und der aus der Ferne lockenden blauen Berg-
reihen.

7) „Dichtung und Wahrheit“ HI, 13.
 
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