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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 27.1895

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Otto, Friedrich: Goethe in Nassau
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VIII. 1815, 27. Mai bis 11. August
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3. Der erste Tag, 30. Juli 1814
DOI chapter:
4. Entschluss und Reise, 1815
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70471#0084

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den heutigen Begriffen klein, wie noch jetzt einzelne Gebäude jener Zeit be-
weisen, ihre innere Einrichtung beschränkt. Goethe urteilt daher mit wohl-
wollender Nachsicht, wenn er schreibt90): „Dem Freunde der Baukunst wird
der grosse Cursaal sowie die neu angelegten Strassen Vergnügen und Muster
gewähren. Diese durch ansehnliche Befreiungen und Zuschüsse von höchsten
Behörden entschieden begünstigten Anlagen, zeugen von des Herrn Baudirectors
Göz51) und des Herrn Bauinspectors Zais52) Talenten und Thätigkeit. Die
grossen Wohnräume, die in den neu angelegten Häusern entstehen, beleben die
Hoffnung, dass mancher Vorsatz auszuführen sey, den man hier im Stillen
nährt, um eine so viel besuchte, an Ausdehnung und Umfang täglich wachsende
Stadt durch Sammlungen und wissenschaftliche Anstalten noch bedeutender zu
machen.“ Dieser letztere Wunsch ist denn auch später in Erfüllung gegangen,
obgleich vielleicht nicht in dem vollen Umfange, der jetzt von manchen ge-
wünscht wird.
Goethe besuchte also an dem ersten Tage in Begleitung seines Freundes
Zelter sogleich die nächste Umgebung der Stadt, das Bosket, d. h. die Anlagen
um den Kursaal und die Reste der früheren Anlagen, des Herrngartens zwischen
dem Kursaal und der Stadt, dann den Kursaal selbst, am Nachmittage den
Steinbruch im Mühlbachthale (denn dieser ist gemeint, auch wo der Zusatz „im
Mühlbachthale“ nicht zugefügt ist; derselbe zog den Mineralogen oft an); dann
kehrte er zurück zu den Resten der Stadtmauer, dem Schützenhof, der im
Jahre 1783 einen Umbau erfahren hatte, und dem Kirchhof hinter demselben.
Hier suchte er das Grab Wilhelms v. Wolzogen auf, der im Jahre 1809 am
17. Dezember zu Wiesbaden gestorben war und daselbst begraben lag; dahin
zog ihn die pietätsvolle Erinnerung auch an Schiller, der bekanntlich Wolzogens
Schwager war. An den Kirchhof stösst die Heidenmauer, „die alte Mauer“,
die er mit geschärfteren Augen als früher betrachtete, ohne ihr wie überhaupt
den Altertümern der Stadt, deren Zeit noch nicht gekommen war, grösseres
Interesse abzugewinnen; er erwähnt der Mauer nicht mehr. Die Umschau über
das Ganze schloss am 1. August ein Spaziergang auf der Schwalbacher und
Limburger Strasse ab, die damals nur durch Gärten, Baumstücke und Felder
führten, jetzt von stattlichen Häuserreihen bis weit vor die Stadt bekränzt
sind; auch der Steinbruch lockte ihn abermals an. Dass er den Kochbrunnen
in seiner damaligen unkünstlerischen Gestalt nicht versäumte, dürfen wir vor-
aussetzen, wenn er auch über ihn schweigt; nur am 11. August gedenkt er
eines Besuches desselben („nochmals ausgegangen zur heissen Quelle“).
I. Entschluss und Reise, 1815.
Im Frühjahre 1815 befand sich Goethe nicht wohl, eine frühzeitigere Kur
erschien geboten, „wozu ich“, schreibt er an den Geh. Rat von Voigt am 10. Mai53),
i0) Kunstschätze am Rhein, "Wiesbaden. — 51) Georg Karl Florian Götz, Baudirektor
zu "Wiesbaden für das Oberamt Wiesbaden, die Ämter Wallau und Wehen. — 62) Christian
Zais, Bauinspektor zu "Wiesbaden für die Ämter Eltville, Büdesheim, Kaub, Idstein, Katzeneln-
bogen, Kirberg und Limburg. — 6S) 0. Jahn, Goethes Briefe au Chr. G. v. Voigt 1868, No. 187.
 
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