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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 27.1895

DOI Artikel:
Otto, Friedrich: Goethe in Nassau
DOI Artikel:
VIII. 1815, 27. Mai bis 11. August
DOI Kapitel:
4. Entschluss und Reise, 1815
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70471#0085

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„durch meine Krankhaftigkeit veranlasst, durch freundliche und ängstliche An-
triebe, ja gewissermassen durch ein Geheiss unserer gnädigsten Fürstin genöthigt
werde“; und bald darauf —• Mitte Mai54) — an Zelter: „Ich habe mich mehr
aus fremdem Andrang als aus eigener Bewegung entschlossen in diesen Tagen
nach Wiesbaden zu gehen und daselbst so lange zu bleiben, als die Umstände
erlauben wollen.“
So verliess er denn rasch entschlossen am 24. Mai des Morgens um 5 Uhr
Weimar. Diesmal bot die Reise weniger Veranlassung zu Bemerkungen; das
Tagebuch beschränkt sich fast nur auf die Notizen über die Orte, durch die
ihn sein Weg führte, und die Zeit der Ankunft und Abfahrt.
„Am 24. Um 7x/2 in Erfurt. Um 11 in Gotha. Um 3 in Eisenach.
. . . Gespeist allein. Kommandant v. Egloffstein.
„25. Von Eisenach ab 6 Uhr. Von Bercka ab S'/i. Von Fach ab 11.
Von Buttlar ab 1’/a. Hatte gespeist. Von Hünfeld ab 33/i. in Fulda ange-
kommen G'/a Uhr. Im Posthause. Gespräch mit dem Postmeister.
„26. Mai. Heller kühler Morgen. Von Fulda ö'/i. Neuhof 7. Schlüch-
tern 10. Saalmünster 1 P/a. Gelnhausen 1. Gespeist. Hanau 6. Franckfurt55) 8.
„27. Mai. Von Frankfurt 8s/t. In Hadersheim (Hattersheim) 11. In
Wisbaden P/a. Im Bären eingekehrt. Einrichtung.“
In Frankfurt machte er keine Besuche, wie sich aus dem Tagebuch er-
gibt, und hielt sich nicht länger auf, als nötig war. Zu Wiesbaden fand er
das Badhaus zum Bären sehr verändert. Als Zelter am 6. Juni ihm angekündigt
hatte, er werde sich ebenfalls einfinden, da ihm das Wasser so gut bekommen
sei, erwidert er am 16. Juni56): „In den alten Bären ist Dein baumeisterlicher
Geist gefahren; er würde Dich in Verwunderung setzen. Der dunkle Gang
ist erweitert, eine durchaus zusammenhängende Reihe von Zimmern angelegt,
der Vorplatz hinter dem Balkon macht jetzt mein abgeschlossenes Vorzimmer;
so ist es auch auf der andern Seite. Wie lange ich bleiben werde, weiss ich
nicht.“ „Dass der alte Bär“, antwortet Zelter am 26., „seine Eingeweide restau-
riert, möge ihm wohl bekommen, wiewohl ich wünsche, dass sein Fell geschont
würde; das alte rotbraune Gebäu mit den beiden Altanen sah mich immer an
wie ein kupfernes Schaustück früherer Zeiten.“ Dieser Wunsch Zelters ist so
wenig erfüllt worden, dass sich der alte Bär nicht nur einen Neubau, sondern
in unseren Tagen die völlige Niederreissung musste gefallen lassen, um einer
neuen Strasse, der Bärenstrasse, in deren Name sein ehemaliges Dasein fort-
leben wird, für den gesteigerten Verkehr Platz zu machen. Die neue Zeit hat
eben auch ihr Recht und verlangt sogar in Nürnberg und Rom, dass ihren Be-
dürfnissen Rechnung getragen werde.

M) Der Brief ist wohl der im Tagebuch bezeichnete vom 17. Mai; Riemer setzt ihn
Ende Mai. — 55) Goethe schreibt bald Frankfurt, bald Franckfurt, auch Francfurt. Ebenso
ist die Schreibung von Wiesbaden wechselnd bei ihm. In seinen rasch hingeworfenen Notizen
legte er, wie die damalige Zeit überhaupt, keinen Wert auf Orthographie. — 66) Riemer
a. a. 0. unter den betr. Tagen.
 
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