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nicht ausgeführt wurden, da Kämpf starb.30) Wiesbaden entbehrte damals fast
aller Veranstaltungen zur Unterhaltung der Kurgäste, die daher auch meist
wirklich Kranke waren, und die Stadt hatte in Ansehung des Äusserlichen wenig
Empfehlendes31); zudem war es in den Kriegsjahren wegen der Nähe von Mainz
mehr Gefahren ausgesetzt. Scharf urteilt über die Stadt ein Bericht aus jener
Zeit (17 8 5).82) „Wiesbaden liegt in einer niedrigen Ebene und in einer Gegend,
die keine besonderen Annehmlichkeiten in sich fasst, sondern sie erst in der
Nachbarschaft und in einiger Entfernung gegen den Rhein hin suchen muss.
Auch fehlt es an schattigen Spaziergängen und an merkwürdigen Anstalten zu
anständigen öffentlichen Vergnügungen. Wiesbaden ist ein elendes Städtlein
mit engen Gassen.“ Nachdem sodann der Verfasser von dem Entwürfe eines
„sehr grossen Brunnenhauses“, welches ehemals für den Ort bestimmt
gewesen sei und im Modellhause zu Kassel sich befinde, gesprochen, schliesst
er mit den Worten: „Wie viel hätte nicht Wiesbaden durch die Ausführung
eines solchen Gebäudes gewinnen müssen!“
Der Plan dieses Brunnenhauses ist für uns, nachdem die Stadt durch die
Erbauung des Kurhauses und durch Erweiterung der früher bestandenen
bescheidenen Anlagen, auf die wir später kommen werden, die ersten Schritte
zu ihrer jetzigen Bedeutung als „Weltkurstadt“ gethan, zu interessant, als dass
wir ihn übergehen dürfen. Er wird folgendermassen beschrieben:
„Dieses Gebäude hat eine vortreffliche, seiner Bestimmung gemässe An-
ordnung, indem um beide Stockwerke in der Runde zwei grosse Arkadengänge
laufen, die durch sechs grade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnen-
hause, das in der Mitte liegt, verbunden sind. Auch das geräumige flache Dach
dieser Arkaden und Gallerien dient bey kühlem Wetter zum Spazieren und
hat in seiner Mitte eine Kuppel in Form eines antiken Tempels, die Ruhesitze
enthält. An den Arkaden, die im ersten und zweiten Stockwerk rund um das
Brunnenhaus sich winden und es gleichsam einfassen, sind als Wohnungen für
die Brunnengäste zwei lange Flügel ebenfalls mit einer flachen Decke ange-
hängt und diese endigen sich mit zwei Pavillons, die ein gebrochenes Dach
haben. Bequeme Treppen und Thüren verbinden alle Theile zu einem voll-
ständigen Zusammenhang. Man wird nicht leicht einen Entwurf zu einem grossen
Brunnenhaus finden, der mit der Schönheit des äusseren Ansehens zugleich
soviel gute Anordnung zu seinem Zwecke, soviel Bequemlichkeit, soviel Anmut
und Heiterkeit der inneren Einrichtung vereinigte.“
Es ist zu bedauern, dass der Plan dieses Brunnenhauses, wie es scheint,
verloren gegangen ist. Das Modellhaus von Kassel ist in der westphälischen
Zeit von den Franzosen geräumt und zerstört worden und dabei gingen manche
wertvolle Modelle zu Grunde, wahrscheinlich auch die Darstellung des genannten
Brunnenhauses, sie müsste denn verschleppt worden sein und in irgend einem
Winkel vielleicht einer französischen Sammlung versteckt sein, in Kassel wenig-
stens findet sie sich nicht mehr vor.33) Es bleibt freilich für den Leser manches
s0) Genth, a. a. 0. 8. 23. — 81) Joh. Bernoulli bei Genth, 8. 41. — 32) C. C. L.
Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, 1785, V, 111, — 3S) Briefliche Mitteilung des verstor-
benen Oberbibliothekars Dr. Duneker zu Kassel vom 8. Januar 1885.
nicht ausgeführt wurden, da Kämpf starb.30) Wiesbaden entbehrte damals fast
aller Veranstaltungen zur Unterhaltung der Kurgäste, die daher auch meist
wirklich Kranke waren, und die Stadt hatte in Ansehung des Äusserlichen wenig
Empfehlendes31); zudem war es in den Kriegsjahren wegen der Nähe von Mainz
mehr Gefahren ausgesetzt. Scharf urteilt über die Stadt ein Bericht aus jener
Zeit (17 8 5).82) „Wiesbaden liegt in einer niedrigen Ebene und in einer Gegend,
die keine besonderen Annehmlichkeiten in sich fasst, sondern sie erst in der
Nachbarschaft und in einiger Entfernung gegen den Rhein hin suchen muss.
Auch fehlt es an schattigen Spaziergängen und an merkwürdigen Anstalten zu
anständigen öffentlichen Vergnügungen. Wiesbaden ist ein elendes Städtlein
mit engen Gassen.“ Nachdem sodann der Verfasser von dem Entwürfe eines
„sehr grossen Brunnenhauses“, welches ehemals für den Ort bestimmt
gewesen sei und im Modellhause zu Kassel sich befinde, gesprochen, schliesst
er mit den Worten: „Wie viel hätte nicht Wiesbaden durch die Ausführung
eines solchen Gebäudes gewinnen müssen!“
Der Plan dieses Brunnenhauses ist für uns, nachdem die Stadt durch die
Erbauung des Kurhauses und durch Erweiterung der früher bestandenen
bescheidenen Anlagen, auf die wir später kommen werden, die ersten Schritte
zu ihrer jetzigen Bedeutung als „Weltkurstadt“ gethan, zu interessant, als dass
wir ihn übergehen dürfen. Er wird folgendermassen beschrieben:
„Dieses Gebäude hat eine vortreffliche, seiner Bestimmung gemässe An-
ordnung, indem um beide Stockwerke in der Runde zwei grosse Arkadengänge
laufen, die durch sechs grade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnen-
hause, das in der Mitte liegt, verbunden sind. Auch das geräumige flache Dach
dieser Arkaden und Gallerien dient bey kühlem Wetter zum Spazieren und
hat in seiner Mitte eine Kuppel in Form eines antiken Tempels, die Ruhesitze
enthält. An den Arkaden, die im ersten und zweiten Stockwerk rund um das
Brunnenhaus sich winden und es gleichsam einfassen, sind als Wohnungen für
die Brunnengäste zwei lange Flügel ebenfalls mit einer flachen Decke ange-
hängt und diese endigen sich mit zwei Pavillons, die ein gebrochenes Dach
haben. Bequeme Treppen und Thüren verbinden alle Theile zu einem voll-
ständigen Zusammenhang. Man wird nicht leicht einen Entwurf zu einem grossen
Brunnenhaus finden, der mit der Schönheit des äusseren Ansehens zugleich
soviel gute Anordnung zu seinem Zwecke, soviel Bequemlichkeit, soviel Anmut
und Heiterkeit der inneren Einrichtung vereinigte.“
Es ist zu bedauern, dass der Plan dieses Brunnenhauses, wie es scheint,
verloren gegangen ist. Das Modellhaus von Kassel ist in der westphälischen
Zeit von den Franzosen geräumt und zerstört worden und dabei gingen manche
wertvolle Modelle zu Grunde, wahrscheinlich auch die Darstellung des genannten
Brunnenhauses, sie müsste denn verschleppt worden sein und in irgend einem
Winkel vielleicht einer französischen Sammlung versteckt sein, in Kassel wenig-
stens findet sie sich nicht mehr vor.33) Es bleibt freilich für den Leser manches
s0) Genth, a. a. 0. 8. 23. — 81) Joh. Bernoulli bei Genth, 8. 41. — 32) C. C. L.
Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, 1785, V, 111, — 3S) Briefliche Mitteilung des verstor-
benen Oberbibliothekars Dr. Duneker zu Kassel vom 8. Januar 1885.