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ihre Herrlichkeiten zu sehen; die Thüringer Hügelberge aber nennt er am Abend
seines Lebens trist. Kein Wunder, dass er, als der Friede endlich gesichert
erschien, ernstlich den Plan erwog wieder einmal nach dem Westen zu reisen.
Denn früher hatten ihn die unsicheren Zeitläufte zurückgehalten, wie er am
11. Juni 1813 seinem Freunde Fritz Schlosser zu Frankfurt schrieb36): „Den
lieben Rheinstrom, besonders die Bergstrasse möchte ich wohl einmal wieder
sehen, ein wildes Ereignis nach dem andern verbietet mir aber solche Genüsse.“
Den gleichen Wunsch in Bezug auf seine Vaterstadt spricht er demselben gegen-
über am 22. Februar 1814 aus87), als er durch seinen von Frankfurt zurück-
kehrenden Sohn lebhaft an die Freunde daselbst war erinnert worden.38) Aber
noch dachte er nicht ernstlich an die Ausführung des Wunsches; am 7. März
schreibt er an Meyer89), er wolle zunächst nach Berka gehen, um dem gichtischen
Wesen, das ihm manchmal in die Glieder fahre, zu steuern; allenfalls könne
er sich gegen den Herbst noch einige Wochen nach Böhmen wenden. Doch
allmählich reifte der leise Wunsch zum festen Entschluss, dem er im Mai des
Jahres 1814 schon nahe ist. „Ich habe“, so schreibt er am 8. dieses Monats
an Schlosser40), „diesen Sommer keine sonderliche Neigung die böhmischen Bäder
zu besuchen; wohin ich mich wenden soll, ist mir noch nicht ganz klar. Möchten
Sie mir aber eine Schilderung von Wiesbaden geben und von der Lebensart
daselbst, nicht weniger, was etwa eine Person mit einem Bedienten auf einen
vier- oder sechswöchentlichen Aufenthalt zu verwenden hätte, so würde ich es
dankbar erkennen, um so mehr, als ich die Hoffnung hege, meine wertesten
Freunde auch einmal wieder zu begrüssen. Hiervon bitte ich jedoch nichts
laut werden zu lassen.“
Die Antwort Schlossers muss nicht ganz ermutigend gewesen sein; in der
Erwiderung41) bekennt Goethe abermals seinen Wunsch in der Nähe seiner
Vaterstadt einen Teil des Sommers zuzubringen, allein die Arzte seien damit
nicht einverstanden und möchten ihn wieder nach den böhmischen Bädern
schicken, die ihm freilich mehrere Jahre bekommen seien. Und, fährt er fort,
„wenn ich aufrichtig sein soll, so hat Ihre treue Schilderung der dortigen Zu-
stände meine früheren Erfahrungen daselbst wieder geweckt und mir in Er-
innerung gebracht, welche Leiden ich dort bei grosser Hitze in den Badhäusern,
Bädern, Gasthöfen u. s. w. erduldet und wie ich mehr wie einmal in die Ge-
birge geflüchtet.“
Den Zweifelnden mögen schliesslich die Freunde Zelter und F. A. Wolf,
welche ihn im Juni zu Berka besuchten und gleichfalls vorhatten die Bäder in
Wiesbaden zu gebrauchen, bestimmt haben seine Bedenken fahren zu lassen
im Hinblick auf den Verkehr, den er mit ihnen dort pflegen konnte. Wolf
freilich, welcher in der letzten Woche des Juni zu Wiesbaden eintraf (er ist
in der Kurliste als Gast des „schwarzen Bockes“ eingetragen), war, als Goethe
ankam, wieder abgereist. Dafür hielt um so fester Zelter bei dem Freunde
3C) In Frese, Goethe-Briefe aus Fritz Schlossers Nachlass, 1877, 8. 52. — 3’) Ebenda
8. 58. — 3S) Th. Creizenach, Briefwechsel zwischen Goethe und Marianne v. Willemer,
2. Aufl. 1878, S. 28. — 39) Goethe-Jahrbücher IV, 161. — 40) Frese S. 60. — 41) Ebenda
8. 61.
ihre Herrlichkeiten zu sehen; die Thüringer Hügelberge aber nennt er am Abend
seines Lebens trist. Kein Wunder, dass er, als der Friede endlich gesichert
erschien, ernstlich den Plan erwog wieder einmal nach dem Westen zu reisen.
Denn früher hatten ihn die unsicheren Zeitläufte zurückgehalten, wie er am
11. Juni 1813 seinem Freunde Fritz Schlosser zu Frankfurt schrieb36): „Den
lieben Rheinstrom, besonders die Bergstrasse möchte ich wohl einmal wieder
sehen, ein wildes Ereignis nach dem andern verbietet mir aber solche Genüsse.“
Den gleichen Wunsch in Bezug auf seine Vaterstadt spricht er demselben gegen-
über am 22. Februar 1814 aus87), als er durch seinen von Frankfurt zurück-
kehrenden Sohn lebhaft an die Freunde daselbst war erinnert worden.38) Aber
noch dachte er nicht ernstlich an die Ausführung des Wunsches; am 7. März
schreibt er an Meyer89), er wolle zunächst nach Berka gehen, um dem gichtischen
Wesen, das ihm manchmal in die Glieder fahre, zu steuern; allenfalls könne
er sich gegen den Herbst noch einige Wochen nach Böhmen wenden. Doch
allmählich reifte der leise Wunsch zum festen Entschluss, dem er im Mai des
Jahres 1814 schon nahe ist. „Ich habe“, so schreibt er am 8. dieses Monats
an Schlosser40), „diesen Sommer keine sonderliche Neigung die böhmischen Bäder
zu besuchen; wohin ich mich wenden soll, ist mir noch nicht ganz klar. Möchten
Sie mir aber eine Schilderung von Wiesbaden geben und von der Lebensart
daselbst, nicht weniger, was etwa eine Person mit einem Bedienten auf einen
vier- oder sechswöchentlichen Aufenthalt zu verwenden hätte, so würde ich es
dankbar erkennen, um so mehr, als ich die Hoffnung hege, meine wertesten
Freunde auch einmal wieder zu begrüssen. Hiervon bitte ich jedoch nichts
laut werden zu lassen.“
Die Antwort Schlossers muss nicht ganz ermutigend gewesen sein; in der
Erwiderung41) bekennt Goethe abermals seinen Wunsch in der Nähe seiner
Vaterstadt einen Teil des Sommers zuzubringen, allein die Arzte seien damit
nicht einverstanden und möchten ihn wieder nach den böhmischen Bädern
schicken, die ihm freilich mehrere Jahre bekommen seien. Und, fährt er fort,
„wenn ich aufrichtig sein soll, so hat Ihre treue Schilderung der dortigen Zu-
stände meine früheren Erfahrungen daselbst wieder geweckt und mir in Er-
innerung gebracht, welche Leiden ich dort bei grosser Hitze in den Badhäusern,
Bädern, Gasthöfen u. s. w. erduldet und wie ich mehr wie einmal in die Ge-
birge geflüchtet.“
Den Zweifelnden mögen schliesslich die Freunde Zelter und F. A. Wolf,
welche ihn im Juni zu Berka besuchten und gleichfalls vorhatten die Bäder in
Wiesbaden zu gebrauchen, bestimmt haben seine Bedenken fahren zu lassen
im Hinblick auf den Verkehr, den er mit ihnen dort pflegen konnte. Wolf
freilich, welcher in der letzten Woche des Juni zu Wiesbaden eintraf (er ist
in der Kurliste als Gast des „schwarzen Bockes“ eingetragen), war, als Goethe
ankam, wieder abgereist. Dafür hielt um so fester Zelter bei dem Freunde
3C) In Frese, Goethe-Briefe aus Fritz Schlossers Nachlass, 1877, 8. 52. — 3’) Ebenda
8. 58. — 3S) Th. Creizenach, Briefwechsel zwischen Goethe und Marianne v. Willemer,
2. Aufl. 1878, S. 28. — 39) Goethe-Jahrbücher IV, 161. — 40) Frese S. 60. — 41) Ebenda
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