Bartels, Johann Heinrich; Dieterich, Johann Christian; Dieterich, Johann Christian [Hrsg.]; Bartels, Claes [Bearb.]; Riepenhausen, Ernst Ludwig [Bearb.]: Briefe über Kalabrien und Sizilien (Theil 1): Reise von Neapel bis Reggio in Kalabrien (Göttingen: Dieterich, 1791) [VD18 90408470]

208 Murankstn.
Töchter sehr. Die Gewonheit den ganzen Tag im
Freien zu sein, ist hier einheimisch, alles lag vor den
Türen auf den Gasten, und die, etwas über die gemeine
Klaste erhabnen, Menschen saßen aus dem Vorplaze des
Hauses; die Frau etwas höher und mit einem Kopf-
puze von Seide, blau oder rot, der völlig einem tür-
kischen Bunde glich, um sie her drei oder vier Mäd-
chen mit bloßen Köpfen.
Um einen Blik in die Oekonomie der Kalabrefen
zu tun, ist vieleichk folgende Nachricht nicht unwichtig«
Ein Mädchen von gemeinem Schlage, bringt als Hei-
ratSgut nicht viele Habseligkeiten ihrem künftigen Manne
zu, er schazt sich sehr glüklich, wenn er ein kleines
Feld mit Weinstöken, oder andern Baumen mit ihr
erhalt; oft bekommt er nur einen Baum, und ist froh
wenns nur ein Maulbeerbaum ist, für den er freilich,
nach der drükenden Abgabe die zuerst der Marchese von
Squillace o) ersann, zween Karlinen jarlich geben
muß, der ihm aber doch, wegen der Seidenwürmer,
die er damit naren kann, am mersten einbringk.
Der Wein von Murano ist sehr stark, aber von
vorzüglicher Güte. Ein schön gebildeter Mann fürte
uns in sein Weinlager, es bestand aus zween oder drei
kleinen
o) Dec Marchese von Squillace, war einer von den
Ministern dessen Namen die Nation noch ijt mit
Abscheu nennt.