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Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904

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Heft 8 (1904, Mai)
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Ebe, Gustav: [Rezension von: Schlesisches Museum der Bildenden Künste (Hrsg.), Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0099

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DER BAUMEISTER * 1904, MA).




Friedenskirche in Schweidnitz.

Herrenhaus in Nickrisch.

den Küstenstädten der Ostsee her eindringender Einfluss mit dem italienischen,
und tritt noch stärker in der Spätrenaissance hervor. Am Hauptbau und dem
Thorbau des Schlosses in Oels weisen die diamantierten Quaderschichten auf
Holland hin, und die zur Anwendung kommende Beschläge-Ornamentik, die
Volutengiebel und geschweiften Turmhelme sind ebenfalls niederländischer Her-
kunft. Eine beachtenswerte schlesische
Eigentümlichkeit ist der alle Perioden
der Renaissance begleitende Gebrauch
des Sgraffitoschmuckes der Aussen-
wände, der wieder mittelbar auf Italien
hinweist.
Die Spätrenaissance tritt in Schle-
sien weniger charakteristisch im Qe-
samtaufbau der Fassaden, als in den
Einzelgliederungen und der Orna-
mentik hervor, dann in dem öfteren
Beibehalten des mittelalterlichen Rip-
pengewölbes. Die stilistische Wand-
lung tritt in Schlesien etwas später
ein als in den meisten anderen
deutschen Landschaften. Den Über-
gang zum Barock bezeichnet das
sogenannte Knorpel-Ornament in der
Art Dietterlins und das Zurückgreifen
auf gotische Einzelheiten wie es
mehrfach dieser Periode im übrigen
Deutschland und in Schlesien beispiels-
weise der Schlosskapelle zu Carolath
eigen ist.
Das schlesische Barock erfährt
unmittelbar von Rom ausgehende An-
regungen, noch mehr hängen seine
hochstehenden Schöpfungen mit denen
der Wiener und Prager Meister zu-
sammen und zeigen bereits eine ver-
deutschte Auffassung der Formen.
Die nach dem dreissigjährigen Kriege
errichteten evangelischen Friedens-
kirchen und Grenzkirchen im Fach-
werksbau geben in der Ausstattung
des Inneren Beispiele eines volks-
mässigen, phantasievollen Barocks,
während die evangelischen Gnaden-
kirchen das Barock mehr im süd-
deutschen Sinne vertreten. Die Cister-
zienserkirche in Heinrichau ist im
Inneren und Äusseren in einem Früh-
barockstil umgestaltet, der noch der
Spätrenaissance nahe steht; ebenso
zeigt das neue Klostergebäude da-
selbst diesen Charakter. Der Umbau
der Klosterkirche in Leubus und der
grossartige Neubau des Klosters da-
selbst bewegt sich schon in den
fortgeschrittenen Formen des Hochbarocks, im Sinne der Berninischen Schule.
Zu den besten Schöpfungen des Barockstiles gehören die beiden Kapellen
am Kleinchor des Breslauer Doms, von denen die jüngere Kurfürstliche
Kapelle von Fischer von Erlach herrührt. Die Matthiaskirche in Breslau lehnt
sich an das Grundrissschema des Gesü in Rom an, wie noch mehrere schle-
sische Jesuitenkirchen. Die Kreuzkirche in Neisse, die Jesuitenkirche in Lieg-
nitz und die Cisterzienserkirche in Grüssau zeigen in der Übereckstellung der
Innenpfeiler ein von Italien nach Böhmen und von da nach Schlesien verpflanz-
tes Guarinisches Motiv zu gunsten perspektivischer Steigerung der Längen-
wirkung. Die horizontale Krümmung der Wände, wie sie Borromini eingeführt

hatte, kommt an der westlichen Turmfront der Kirche in Liegnitz und im Innern
der Klosterkirche in Wahlstatt zur Geltung. Letztere ist ein Werk des Prager
Meisters Kilian Ignatz Dientzenhofer.
Auch die barocken Profanbauten Schlesiens, unter diesen als Hauptwerk
das Kollegienhaus der Universität in Breslau, zeigen die Übereinstimmung mit
den Prager und Wiener Vorbildern.
Die Aula und der Musiksaal der Uni-
versität erscheinen als Prachtleistungen
der dekorativen Malerei und Skulp-
tur. — Eine bemerkenswerte Berei-
cherung erfahren die schlesischen
Städte- und Landschaftsbilder durch
die hier häufig vorkommenden Zwiebel-
hauben der Türme, welche mit ihren
luftigen, oft mehrfach wiederholten
laternenartigen Durchbrechungen eine
höchst malerische Wirkung hervor-
bringen, und sich eine echt volkstüm-
liche Geltung errungen haben.
Die Tafeln 153 bis 232 der Mappe III
sind dem Rokoko, der Neuklassik,
den inneren Ausstattungen in Holz
und Metall, der Wand- und Decken-
malerei und endlich den Bildnissen
in Stein und Erz gewidmet. Das
Rokoko, wie es im Weissen Vorwerk
zu Breslau, im Dom zu Glogau, im
Schlosse zu Niederkrayn und in der
Sakristei von Heinrichau höchst an-
mutsvoll auftritt, bringt neben den
Muschelformen noch verschlungene
Linienspiele und Blumengehänge in
verschwenderischem Reichtum und
meist symmetrischer Anordnung zur
Erscheinung, so dass sich Elemente
des süddeutschen Barocks mit denen
des Pompadourstils vermischen; da-
gegen zeigen die Qewölbverzierungen
der Kirche zu Deutsch-Ossig ent-
schiedener das Gepräge der fran-
zösischen Rocaille. — Für den Neu-
klassizismus kommen vornehmlich die
Bauten von Karl Gotthard Langhans
und einige bedeutende Skulpturwerke
von Schadow in Betracht.
Unter den Holzarbeiten für das
Innere finden sich vortrefflich ge-
schnitzte oder mit Intarsien ge-
schmückte Kirchengestühle, ausserdem
reich verzierte Deckentäfelungen und
Thüren. Von den Bronzewerken ist
die Bischofsfigur, Johannes IV. von
Peter Vischer hervorzuheben; weiter
bemerkenswert sind die in Ätztechnik
mit grösster Vollendung hergestellten metallenen Inschriftstafeln der Epitaphien.
An schönen Schmiedearbeiten, namentlich Gitterwerken, ist Schlesien beson-
ders reich.
Die figürliche Wand- und Deckenmalerei des Mittelalters und der Renaissance,
wie sie in den schlesischen Kirchen vorkommt, ist durchschnittlich nicht allzu
hoch zu bewerten; es fehlt ihr wie der Skulptur die geistige Tiefe. Die Raum-
malerei des Barocks entzieht sich in den gegebenen Abbildungen der Würdigung,
da die photographische Wiedergabe der grossen, figurenreichen, meist mangel-
haft beleuchteten Kompositionen fast unmöglich ist. — In der mittelalterlichen
Plastik liefern die Grabfiguren das Beste, sie bieten mindestens einen wert-


Westportal der Kirche in Mollwitz.



Vom Hauptgesims des Rathauses in Breslau.
 
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